Ruth Firmenich
DIE LINKE
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Frage von Carla K. •

Frage an Ruth Firmenich von Carla K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Ruth Firmenich,

was hältst Du von dem EU-Progress-Programm für Beschäftigung und soziale Solidarität 2007-2013?

Ziel dieses Programms soll es laut Information der EU-Kommission sein:
- Mindestvorschriften für Beschäftigungsrecht, Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Sicherheit, Nichtdiskriminierung und Gleichstellung der Geschlechter zugunsten der Bürger festzulegen,
- zusammen mit den EU-Ländern gemeinsame EU-Ziele festzulegen und ihre Umsetzung zu überwachen,
- zusätzliche finanzielle Ressourcen für Beschäftigungs- und Eingliederungspolitiken, zum Beispiel durch den Europäische Sozialfonds (ESF) und andere Programme bereitzustellen,
- den Dialog und die Zusammenarbeit mit Schlüsselakteuren wie den Sozialpartnern und den Organisationen, die die Zivilgesellschaft vertreten, voranzubringen.

Bereits jetzt werden 8,5 Millionen Menschen EU-weit durch den ESF durch Ausbildungs- und Arbeitsbeschaffungsprogramme gefördert.

Kann DIE LINKE auf solche Instrumentarien der Arbeitsförderung im Kapitalismus eingehen, sollte sie es sogar, und allgemeiner gefragt, wie kann sie darauf drängen, dass noch mehr auf europäischer Ebene im Bereich Sozialbereich getan wird?

Mit lieben Grüßen aus Berlin

Carla Krüger

Antwort von
DIE LINKE

Liebe Carla Krüger,

zunächst ist es wichtig zu sagen, dass die Europäische Union (EU) im Bereich der Sozialpolitik nur sehr begrenzte Zuständigkeiten besitzt. Im Wesentlichen geht es um eine Unterstützung der sozialpolitischen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, d.h. die primäre Verantwortung für diesen Bereich liegt bei den Mitgliedstaaten.

Dennoch beschäftigt sich die EU durchaus auch mit Sozialpolitik; zu nennen in diesem Zusammenhang ist beispielsweise das EU-Progress-Programm, welches Du in deiner Frage auch erwähnst. Es ist das "EU-Programm für Beschäftigung und soziale Solidarität" und wurde geschaffen, um die Realisierung der Ziele der EU hinsichtlich Beschäftigung, Sozialem und Chancengleichheit finanziell zu unterstützen. Es wurde im Jahr 2007, durch Zusammenarbeit mit dem Europäischen Sozialfonds (ESF), ins Leben gerufen und läuft bis 2013. Erklärtes Ziel der EU ist es, in der Sozial- und Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten "Wandel und Modernisierung anzustoßen". Vorrangig geht es um fünf Bereiche: Beschäftigung, Soziale Eingliederung und Sozialschutz, Arbeitsbedingungen, Nichtdiskriminierung und Gleichstellung der Geschlechter.

DIE LINKE steht Entwicklungen im Bereich der Sozialpolitik auf EU-Ebene grundsätzlich positiv gegenüber und sieht beispielsweise einen Mindestlohn in allen EU-Mitgliedstaaten, EU-weite Mindeststandards und den ESF für den Aufbau eines sozialen Europas für unerlässlich an. Auch den Erfahrungsaustausch in der Sozialpolitik, der durch das Progress-Programm gestärkt wird, halten wir für sinnvoll. Dennoch gibt es deutliche Kritikpunkte, besonders was die grundsätzliche Ausrichtung des Programms betrifft. Das Progress-Programm steht im Kontext der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung. Erklärtes Ziel der im März 2000 durch die Staats- und Regierungschefs der EU verabschiedeten Lissabon-Strategie ist es, die EU bis 2010 zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt zu machen und so Vollbeschäftigung zu erreichen. Dieses Ziel soll durch Methoden der Liberalisierung, Flexibilisierung und Kostensenkung für Unternehmen erreicht werden. Heute ist jedoch festzustellen, dass es in der EU mehr prekäre Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse, wachsende Einkommensunterscheide und ungerechtere Zugangsmöglichkeiten zu Leistungen der Daseinsvorsorge gibt. DIE LINKE fordert ganz entschieden einen Bruch mit der neoliberalen Politik. Uns geht es um eine Ablösung der neoliberalen Lissabon-Strategie durch eine neue, integrierte EU-Strategie für Solidarität, nachhaltige Entwicklung und soziale Integration. Der Fokus muss auf soziale Ziele gesetzt werden, auf die Schaffung guter und sicherer Arbeit, die Förderung sozialer Gleichheit sowie die Bekämpfung von Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung. Maßnahmen der Arbeitsförderung müssen entlang dieser Ziele konzipiert werden. Dabei müssen die Positionen von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen einbezogen werden.

DIE LINKE fordert, dass Europa endlich eine tatsächlich soziale Ausrichtung bekommt und auf europäischer Ebene deutlich mehr im Sozialbereich getan wird. Ein aktuelles Beispiel ist die Forderung nach einer sozialen Fortschrittsklausel. Ohne die Festschreibung einer sozialen Zielsetzung als Grundlage der EU bleibt es bei Lippenbekenntnissen zum "Sozialen Europa", während durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Rechte der Beschäftigten immer weiter ausgehöhlt werden. Dies belegen nicht zuletzt die aktuellen Urteile in den Fällen Rüffert, Viking, Laval usw.

Viele Grüße,
Ruth Firmenich