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Frage von Michaela B. •

Frage an Rudolf Henke von Michaela B. bezüglich Gesundheit

Wieso darf die Regierung über Sterbehilfe entscheiden und überlässt die Entscheidung nicht den Betroffenen selbst? Die Frage stellt sich in Bezug auf die Ablehnung des FDP Antrags bzgl. Sterbehilfe. Es wurden zwar verschiedenste Vertretergruppen und Professoren dazu gehört, doch vertreten diese nur in geringer Zahl die schwer Kranken und deren Wünsche, sondern ihre eigenen Interessen oder sind weit weg von den Fälle/ der Realitäten. Sie wissen selbst, dass es an Pflegekräften mangelt (und schwer Kranke jämmerlich vor sich hinvegitieren). Gehen sie mal in Krankenhäuser und Pflegeanstalten, besuchen Sie die schwer Kranken - schauen Sie sich die Realität und das Leid an!!! Familien haben nicht die Zeit und Kraft ihre Angehörigen zu pflegen (sie arbeiten meist alle und haben teils Kinder; hinzu kommt der emotionale Stress). Ich selbst habe es in Krankenhäusern immer wieder gesehen. Auch, wie mit diesen "lästigen" bedauernswerten Leuten umgegangen wird. "Unheilbar" krank, schwer eingeschränkt zu sein oder jeden Tag Schmerzen zu haben, ist kaum als lebenswert zu empfinden. Geben Sie Ihnen die Selbstbestimmung friedlich zu sterben, statt sich qualvoll selbst zu töten oder Angehörige zu Straftätern zu machen, die Sterbewünsche erfüllen. Wo bleibt das Recht auf Selbstbestimmung? Der "Lebenserhalt" dient nicht dem Kranken, sondern nur den Gesundheitsunternehmen und Pharmaindustrie (mehr Schmerzmittel, Antidepressiva, künstl. Ernährung, Pflegematerialien,....) und belastet die Körper teils noch mehr (zusätzliche Folgeerscheinungen). Die Kosten und auf der anderen Seite die Gewinne sind enorm! Sterbehilfe wäre eine Win-Win-Situation: weniger Kosten, weniger Stress und emotionales Leid für Angehörige, Frieden für die schwer Kranken/ Leidenden. Es ist so traurig, dass deren Ansichten kaum bis nichts zählen. Wieso darf die Politik bestimmen statt der Einzelne selbst? Wieso wurde aus der Fraktion so oft gegen den Antrag gestimmt? Es ist das Leben jedes Einzelnen, nicht des Staates!

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau B.,

vielen Dank für Ihre Frage vom 18. Mai.

Sie üben Kritik an der ablehnenden Haltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegenüber dem Antrag der FDP, das kann ich akzeptieren. Doch wäre es angemessen, sich näher mit dem Inhalt des Antrags und dem parlamentarischen Verfahren zu befassen: Die abschließende Abstimmung dieses Antrags, sprich die 2./3.-Lesung im Plenum des Deutschen Bundestags, fand bisher noch gar nicht statt.

Vielleicht zur Einordnung erst einmal eine kurze Darstellung des Inhalts dieses Antrags: Die Fraktion der FDP fordert in Folge eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts die Abgabe von Betäubungsmitteln in einer Dosierung, die zum Zwecke der Selbsttötung eingesetzt werden soll durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – also einer dem Bundesministerium für Gesundheit unterstellten Bundesbehörde. Das Urteil fußt auf einer rechtlichen Annahme und medizinischen Versorgung, die den heutigen Tatsachen nicht mehr entspricht. Auch deshalb steht die CDU/CSU-Bundestagsfraktion diesen Antrag sehr kritisch gegenüber.

Zudem ist die Darstellung der parlamentarischen Befassung mit dem Antrag ein wenig eindimensional: Sowohl Kritiker als auch Befürworter kamen in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit im Deutschen Bundestag am 20. Februar 2019 zu Wort. Das Protokoll dieser Anhörung ist frei zugänglich und kann ebenso auf der Internetseite des Ausschusses aufgerufen werden, wie die schriftlichen Stellungnahmen der eingeladenen Verbände und Einzelsachverständigen: https://www.bundestag.de/resource/blob/629842/b8c14376e19d0cdd8ec7b00a28d7312a/039_20-02-19_Wortprotokoll-data.pdf

Sie mögen die kritischen Stimmen zur Einführung des assistierten Suizids als Regelleistung bzw. bürokratischen Akt durch eine Bundesbehörde nicht teilen, doch wird es der beruflichen wie ehrenamtlichen Leistung der Sachverständigen nicht gerecht, wenn Sie ihnen Realitätsferne und eigene Interessen unterstellen. Auch die Unterstellung, die Palliativ- und Hospizversorgung würde nicht im Sinne der Betroffenen durchgeführt und diene einzig und alleine der Profitmaximierung der Pharma- und Gesundheitsindustrie entbehrt jeglicher Grundlage. Von einer „Win-Win-Situation“ zu sprechen halte ich ehrlich gesagt für geschmacklos!

Ich habe glücklicherweise die Erfahrung gemacht, dass die große Mehrheit derjenigen, die todkranke Menschen versorgen, einzig und alleine ein Ziel haben: Leiden und Schmerzen zu lindern sowie Fürsorge, Mitmenschlichkeit und Würde vermitteln.

Zur grundsätzlichen Frage des assistierten Suizids erlaube ich mir folgende Anmerkung: Der Deutsche Bundestag hat sich in einem inhaltlich sehr intensiven und dem Thema angemessenen Verfahren mit der Frage befasst, ob der ärztlich assistierte Suizid in Deutschland erlaubt oder verboten werden soll. Am Ende der über ein Jahr laufenden Diskussion, die innerhalb wie außerhalb des Parlaments geführt wurde, hat sich eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten für ein Verbot der geschäftsmäßigen Hilfe zum Suizid – also einer auf Wiederholung angelegten Absicht – ausgesprochen. Ich habe diese Entscheidung von vorne herein unterstützt und schildere Ihnen gerne meine Beweggründe:

Ich möchte nicht, dass unsere Gesellschaft irgendwann Krankheit, Behinderungen, Pflegebedürftigkeit oder schlichtweg das Angewiesen sein auf die Hilfe von Dritten, als so würdelos angesehen wird, dass nur ein Ausweg als logische Konsequenz gilt. Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, in dem wir Menschen so akzeptieren und wertschätzen, wie sie sind – egal in welch einer schwierigen Situation sie sich gerade befinden.

Eine Gesellschaft, in der die Selbsttötung als Ausweg aus dem Leben ermöglicht und staatlich unterstützt wird – sei es anfangs auch nur in Ausnahmefällen – läuft Gefahr, den Respekt vor dem Leben mit all seinen Verläufen zu verlieren. Die extreme Notlage würde zwangsläufig zu Routinen führen, die ich aus tiefster Überzeugung kategorisch ablehne.

Die Entwicklung der Inanspruchnahme in Ländern, in denen die aktive oder passive Suizidbeihilfe eine Regelleistung ist, sollten uns Warnung genug sein. Das dort bestehende Regelangebot hat auch die gesellschaftliche Debatte dahingehend verändert, dass es beinahe schon ein Automatismus ist, in Situationen von Krankheiten – teils sogar psychischen und bei Minderjährigen – die Frage zu stellen: Was tun sich die Angehörigen oder die Person selber da eigentlich an?

Schwerstkranke und ihre Angehörigen müssen sich auf die Zuversicht verlassen können, dass das Lebensende nicht mit Qualen und Ängsten einhergeht. Die Palliativversorgung ist dazu in der Lage und konnte noch nie so gut dabei helfen wie heute. Gerne zitiere ich dazu aus der öffentlichen Anhörung vom 20. Februar 2019 Herrn Prof. Radbruch von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin:

„Bei einem Sterbewunsch, der in einer solchen Situation ausgesprochen wird, geht es erst einmal um Symptomlinderung. Glücklicherweise ist es so, dass wir mit den verfügbaren Methoden, Medikamenten, nicht medikamentösen Maßnahmen, bei praktisch allen Menschen eine ausreichende Linderung erreichen können. (…) Wenn Patienten danach weiter mit uns reden, stellen wir oft fest, dass es nicht die körperliche Seite ist, die sie belastet, sondern psychische, soziale, spirituelle und existentielle Fragen, der Verfall des Körpers, der Verlust der Kontrollfunktion und die Angst vor dem, was noch kommen wird.“

Wir haben in Deutschland mit dem Instrument der Patientenverfügung die Möglichkeit, bestimmte medizinische Maßnahmen abzulehnen. Dazu können auch lebenserhaltene Maßnahmen oder die künstliche Ernährung gehören. Damit wird sichergestellt, dass der Patientenwille umgesetzt und das Selbstbestimmungsrecht gewahrt wird - auch wenn er in der aktuellen Situation nicht mehr geäußert werden kann.

Für weitergehende Regelungen im Sinne eines verpflichtend vorgegebenen ärztlich assistierten Suizids sehe ich keinen Grund.

Mit freundlichen Grüßen

Rudolf Henke MdB