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Reinhold Hemker
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Frage von Hans-Hermann H. •

Frage an Reinhold Hemker von Hans-Hermann H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Hemker,

nachdem nun die Abstimmung zur Internetsperre erfolgt ist und sie dem Gesetzentwurf zugestimmt haben möchte ich mich doch mal erkundigen, ob Sie persönlich bzw. Ihre Partei tatsächlich noch glauben, die aktuelle Generation (Begriff: "Generation C64") noch vertreten zu können. Die überaus große Beteiligung an einem entsprechenden Referendum sowie die parteiinternen Warnungen sollten doch auch Ihnen zu denken geben, oder?

Sie selbst haben in den hier veröffentlichten Kommentaren eingestanden, die Rahmenbedingungen (Internettechnologie etc.) nicht im Detail zu kennen. Zwar ist das eigentliche Ziel, die Eindämmung von Kinderpornographie, absolut richtig und lobenswert, aber dennoch haben Sie sich dazu entschlossen mit nicht ausreichenden Detailkenntnissen dem Antrag zuzustimmen, anstatt ihn tiefer auf Sinnhaftigkeit und Effektivität zu prüfen. Experten auf diesem Gebiet haben ja hinlänglich nachhaltigere Alternativen veröffentlicht, sind aber letztendlich ignoriert worden. Dass Sie dazu dann auch noch das gerade aufgrund der deutschen Vergangenheit bewährte Prinzip der Gewaltenteilung untergraben, halte ich für höchst bedenklich. Oder würden Sie einem Gesetz Ihre Zustimmung erteilen, indem jegliche schriftliche Publikationen vorab von einer polizeilichen Instanz auf Veröffentlichung geprüft werden?
Mit Interesse erwarte ich Ihre Stellungnahme.

Mit freudlichen Grüßen,

Hans-Hermann Hunfeld

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hunfeld,

vielen Dank für Ihre Stellungnahme.

Ich habe meine Beweggründe, dem Gesetz trotz einiger Bedenken doch zuzustimmen, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen im Zuge der Namentlichen Abstimmung im Bundestag in einer gemeinsamen Erklärung öffentlich gemacht. Ich habe Ihnen die Erklärung unten zur Kenntnis beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen

Reinhold Hemker

*Erklärung gemäß § 31 GO-BT*

*der Abgeordneten Monika Griefahn, Klaus Hagemann, Ewald Schurer, Peter Friedrich, Dr. Lale Akgün, Marco Bülow, Gabriele Frechen, Christian Carstensen, Ursula Mogg, Dr. Rainer Tabillion, Gabriele Hiller-Ohm, Gustav Herzog, Dr. Reinhold Hemker, Johannes Jung (Karlsruhe), Christoph Pries, Klaus Uwe Benneter, Helga Kühn-Mengel, Gabriele Lösekrug-Möller, Gregor Amann, Swen Schulz (Spandau), Florian Pronold, Lydia Westrich, Katja Mast, Petra Heß, Hilde Mattheis, Ute Kumpf, Angelika Graf (Rosenheim), Gabriele Fograscher, Ulla Burchardt, Waltraud Lehn, Lothar Binding (Heidelberg), Dr. Eva Högl, Kurt Bodewig, Jella Teuchner, Dr. Axel Berg, Elke Ferner, Christel Humme und Petra Merkel (Berlin) (alle SPD)*

*zur 2./3. Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen" am 18.06.2009, Drucksache 16/12850*

Ich stimme dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen" in der mit der Beschlussempfehlung geänderten Fassung bei der Beratung in 2. und 3. Lesung zu, obgleich ich folgende Bedenken zu Protokoll gebe:

Ich stimme dem Gesetzentwurf in der geänderten Fassung zu, weil die SPD-Bundestagsfraktion sich mit ihrer Forderung nach einer grundlegenden Überarbeitung des ursprünglichen Gesetzentwurfes in den Verhandlungen auf ganzer Linie durchgesetzt hat. Mit der neuen gesetzlichen Regelung bekämpfen wir nicht nur die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet, sondern schützen zugleich Internetnutzer, sichern rechtsstaatliche Grundsätze und ermöglichen ein transparentes Verfahren. Dabei begrüße ich insbesondere, dass die SPD folgende rechtsstaatliche Grundsätze in den Verhandlungen durchsetzen konnte:

*1. Verankerung des Subsidiaritätsprinzips: Löschen vor Sperren:*

Die Aufnahme in die Sperrliste des BKA erfolgt nur, so weit zulässige Maßnahmen, die auf eine Löschung der Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten abzielen, keinen Erfolg haben.

*2. Kontrolle der BKA-Liste und Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener:*

Beim Datenschutzbeauftragten des Bundes wird ein unabhängiges Gremium bestellt, dessen Mitglieder mehrheitlich die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Das

Gremium kontrolliert die BKA-Liste regelmäßig und kann sie jederzeit einsehen und korrigieren, soweit die Voraussetzungen für eine Sperrung nicht vorliegen. Es wird verankert, dass gegen die Aufnahme in die Sperrliste der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Anders als es der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit heute erklärt hat, wird mit diesem Gremium keine Kontrollbehörde geschaffen, die die Unabhängigkeit seiner Behörde in Frage stellt. Vielmehr soll die Unabhängigkeit der Institution des Beauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit die Unabhängigkeit des Gremiums zur Prüfung der Sperrliste beim BKA stärken und zur Wahrung der Informationsfreiheit beitragen.

*3. Datenschutz:*

Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.

*4. Spezialgesetzliche Regelung mit Befristung:*

Zur eindeutigen Klarstellung, dass nur eine Sperrung von Internet-Seiten mit Kinderpornografie ermöglicht wird, nicht jedoch von anderen Inhalten, werden die wesentlichen Regelungen in einem neuen Zugangserschwerungsgesetz statt im Telemediengesetz verankert. Zudem tritt das Gesetz automatisch zum 31. Dezember 2012 außer Kraft, so dass in jedem Falle die vorgesehene Evaluation auszuwerten ist, auf deren Basis endgültig entschieden werden kann. Zusätzlich haben wir eine Bestimmung aufgenommen, die ausschließt, dass die neu geschaffene Infrastruktur zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche genutzt werden kann.

Mit diesen Änderungen werden auch die wesentlichen Forderungen des Bundesrates, der Sachverständigenanhörung und der Netz-Community Rechnung getragen. Dennoch bleiben natürlich grundsätzliche Bedenken gegen den Aufbau einer entsprechenden Sperrinfrastruktur bestehen, die - bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag - auch zu anderen Zwecken als der Sperrung kinderpornografischer Inhalte genutzt werden könnte. Hier waren gerade aus der Unionsfraktion in den vergangenen Tagen und Wochen Forderungen bekannt geworden, diese Sperren auch für Computerspiele, Glückspiele, extremistische Inhalte oder gar Urheberrechtsverletzungen anzuwenden. Hierzu erkläre ich, dass eine Ausweitung der Sperrinfrastruktur für andere Zwecke für mich grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Schließlich bleibt bei der Abwägung der Zustimmung zu diesem Gesetz auch der Umstand zu berücksichtigen, dass die entsprechende Sperrinfrastruktur aufgrund der abgeschlossenen Verträge zwischen BKA und Internetprovidern bereits aufgebaut wird. Diese Verträge beinhalten keinen hinreichenden Grundrechtsschutz und verfahrensrechtliche Sicherungen und sind deshalb höchst problematisch. Ich sehe es als meine Pflicht als Abgeordnete an, solche weitgehenden, intransparenten und verfassungsrechtlich schlicht unzulässige Verträge zu Lasten Dritter durch eine gesetzliche Grundlage abzuschwächen und ihre negative Wirkung zu reduzieren.

Berlin, 18.06.2009