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Petra Pau
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Frage von Irmgard R. •

Frage an Petra Pau von Irmgard R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Pau,
ich habe hier Ihre Antwort vom 05.03.2014 an Herr A. . gelesen.

Selbst hatte ich sehr große Probleme ins Arbeitsleben zurück zu finden und bin nun in Ihrer Stadt gelandet. Zuvor verlor ich meinen Job an eine jüngere zugewanderte Frau. Ist das bei der Personenfreizügigkeit nicht vorprogrammiert und warum gehen Sie nicht auf die Zahlen ein, die Herr A. . Ihnen belegt mitgesandt hat? Was tut Ihre Partei, damit die hier lebenden Arbeitslosen neue Jobs bekommen? Warum vertritt Die Linke m.E. nicht mehr die Verlierer der Personenfreizügigkeit?

Es ist oft davon die Rede, dass Facharbeiter zu uns kämen. Die Realität sieht oft anders aus, da wanderte zum Beispiel mindestens ein ganzes Dorf nach Berlin ein, wie ich Ihnen anhand dieser Berichte gerne belege:

http://www.bz-berlin.de/bezirk/neukoelln/ein-roma-dorf-zieht-nach-berlin-article1426839.html

http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/swr/2013/rumaenien-fantanele-100.html

Außerdem wird sogar für die daheim gebliebenen Kinder Kindergeld bezahlt: Siehe diesen Bericht Seite 2:

http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Weisung_Kindergeld_260508.pdf

Da können die Wirtschaftskreise meine Erachtens noch so viel Rabulistik verbreiten. Es gab und gibt auch ernst zu nehmende Berichte, dass die Arbeitslosenstatitik nicht stimmt, siehe diesen Bericht
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/beschaeftigung-3-2-millionen-arbeitslose-gelten-nicht-als-arbeitslos-1512738.html

Daher meine Frage, warum viele Politiker meines Erachtens die Verlautbarungen der Wirtschaft so unkritisch übernehmen? Ich studierte einst VWL und muss erkennen, dass viele Politiker eher rein betriebswirtschaftlich denken. Könnten Sie hierzu bitte künftig die anderen Sichtweisen berücksichtigen?

Warum dürfen die Menschen nicht endlich selbst entscheiden, ob Sie Freizügigkeit, weitere Aufnahmen von Länder in die EU usw. überhaupt wollen?

Mit freundlichen Grüßen

Irmgard Resch

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Resch,

vielen Dank für Ihre Nachricht und die Schilderungen ihrer persönlichen Erfahrungen. DIE LINKE tritt ein für eine offene Gesellschaft. Das erfordert gleiche Rechte auf soziale und politische Teilhabe für alle hier lebenden und nach Deutschland einwandernden Menschen. Wir sind gegen eine selektive Migrationspolitik, die Rechte danach vergibt, ob Menschen nach kapitalistischen Verwertungskriterien als „nützlich“ oder „unnütz“ angesehen werden. Maßstab für uns sind die individuellen Menschenrechte, wir sind gegen eine Ausgrenzungen entlang nationaler Grenzen. Die Grenzen müssen offen sein für alle Menschen, nicht nur für besonders Wohlhabende oder Gebildete.

Etwa 60 Prozent aller Einwanderinnen und Einwanderer kommen aus anderen Ländern der EU nach Deutschland. Sie haben hierauf ein Recht (Freizügigkeit). Erforderlich ist aber eine gute und sozial gerechte Ausgestaltung dieser Einwanderung, nicht eine Begrenzung nach Nützlichkeitskriterien. Einheimische und (neu) Eingewanderte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Die Migration nach Deutschland ist auch eine Folge extremer ökonomischer Ungleichheit. Die Verbesserung und Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU, aber auch weltweit, ist deshalb ein zentrales politisches Ziel der LINKEN. In der über drei Jahren anhaltenden Auseinandersetzung zu einer der größten humanitären Krisen der Gegenwart verstellt der herrschende menschenfeindliche Populismus den Blick darauf, dass das gesamte Land von der CSU/CDU-SPD Koalition seit Jahren auf Verschleiß gefahren wurde. Unter dem Druck der Schuldenbremse und der Fixierung auf die Schwarze Null wurden Personalabbau und Privatisierungen im öffentlichen Sektor, Kürzungen beim sozialen Wohnungsbau und der Arbeitsförderung sowie ein enormer Sanierungsnotstand kommunaler Einrichtungen viel zu lange in Kauf genommen. Zuwanderung hat die vielfältigen Probleme nicht hervorgerufen - sondern macht sie besonders sichtbar. Es gilt, die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen und dabei nicht die Schwachen gegen die Schwächsten auszuspielen.

Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau

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