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Paul Lehrieder
CSU
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Frage von Sabine D. •

Frage an Paul Lehrieder von Sabine D. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Lehrieder,

Wie stellen Sie sicher, dass die Mitgliedsbeiträge bei den Krankenkassen für die Diagnostik und Therapie der Patienten und nicht für Werbezwecke und v. a. Dingen Wellness und teilweise fragl. Fitnessangebote ausgegeben werden?
Siehe z.B. Kasse mhplus GoFit Italien usw.
Wie verhindern Sie Call-Center? Die Gelder, die da fließen, werden in der ambulanten Versorgung der Patienten durch die Praxis vor Ort dringend gebraucht.
Wie stehen Sie zu der Äußerungen, bzw. fast Unterstellungen von Herrn Dr. Karl Lauterbach gegen die niedergelassenen Ärzte?
Wie stehen Sie zu Aktiengesellschaften in Zusammenhang mit Kliniken und MVZ\´s?
Wird das deutsche Gesundheitssystem wie auch schon viele große Konzerne scheibchenweise ins Ausland verkauft? Überall machen nur noch Spekulanten und Aktionäre das große Geld, für das andere hart arbeiten.
Außerdem sollte Sie in der Politik die Pro-Kopf-Pauschalen der Krankenkassen mal überprüfen, Sie würden staunen. Hierfür wird u.U. eine ganze Familie ein ganzes Quartal lang behandelt.
Wachstumsmarkt Gesundheit, ein Viertel aller Beschäftigten arbeitet in irgendeiner Form im oder fürs Gesundheitswesen. Alle Beteiligten müssen von ihrem verdienten Geld auch leben können. Wie wollen wir sonst die Konjunktur anregen!?!
Ich bin eine von den 300 0000 Medizinischen Fachangestellten/200 000 Zahnmedizinischen Fachangestellten, die seit ca. 12 Jahren massiv unter der absolut verfehlten Gesundheitspolitik leiden. Wir arbeiten in vielen Praxen Akkord durch massive Personaleinsparungen und überbordende Bürokratie. Wir verdienen selbst in Führungspositionen annähernd nicht das, was unserer Qualifikation entspricht. Was noch schlimmer ist, viele meiner Kolleginnen verdienen noch nicht einmal ein Existenzminimum. An Tarife halten sich die wenigsten Arbeitgeber. Bei den Zahnärzten haben gerade mal 4 Bundesländer zwischenzeitlich überhaupt Tarifverträge.
Wie stehen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Dallner

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau Dallner,

vielen Dank für Ihre E-Mail zu den Themen "Krankenkassen", Call-Center" und "MZV".

Ihre Kritik am teilweise fragwürdigen Umgang von Krankenkassen mit Mitgliedsbeiträgen, die zum Teil für fadenscheinige Marketingaktionen verwendet werden, kann ich gut nachvollziehen. Im Zuge der Gesundheitsreform ist es den Parteien der Großen Koalition gelungen, die Verwaltungskosten der Krankenkassen ab Beginn kommenden Jahres zu deckeln.

Ziel der Einbeziehung der Verwaltungskosten in die GKV-weite Umverteilung war der Ausgleich unterschiedlicher Finanzkraft bzw. unterschiedlich hoher beitragspflichtiger Einnahmen der Mitglieder der einzelnen Kassen. Dieser Finanzkraftausgleich wird schon erreicht, indem aus dem Beitragsaufkommen im Gesundheitsfonds eine einheitliche Verwaltungskostenzuweisung pro Versicherten ausgeschüttet wird.

Der derzeitige Risikostrukturausgleich berücksichtigt auf der Einnahmeseite, wie hoch das Aufkommen der Krankenkasse aus ihren Beiträgen ist. Hat sie viele gut verdienende Mitglieder, die hohe Beiträge zahlen, wird ihre sogenannte Finanzkraft hoch eingeschätzt. Der Anteil der Finanzkraft einer Krankenkasse, der den Durchschnitt übersteigt, ist von dieser Krankenkasse an Krankenkassen, die eine unterdurchschnittliche Finanzkraft haben, abzuführen. Der aktuelle Risikostrukturausgleich beschränkt sich auf der Ausgabenseite auf die „berücksichtigungsfähigen Leistungsausgaben. Das bedeutet, dass Krankenkassen Mehrleistungen, die sie ihren Versicherten auf Grundlage ihrer eigenen Satzung gewähren, nicht als Leistungsausgaben im Risikostrukturausgleich geltend machen können. Gleiches gilt für ihre Verwaltungskosten. Als „berücksichtigungsfähig“ gelten neben den gesetzlich vorgeschriebenen Regelleistungen zukünftig auch Ausgaben für kassenindividuelle Satzungsleistungen und für Verwaltungszwecke.

Sollten dennoch Auswüchse erkennbar werden, besteht für Versicherte natürlich jederzeit die Möglichkeit, seine Krankenkasse zu wechseln.

Die "Verhinderung von Call-Centern" hängt eng mit einer Stärkung der Hausärzteschaft zusammen. Gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung hat die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag stets betont, dass sie die berechtigten Sorgen der niedergelassenen Ärzteschaft über die künftige Siche­rung der wohnortnahen medizinischen Versorgung ernst nimmt und sich die berechtigten An­liegen der Ärzteschaft zu eigen macht. Dies gilt vor allem für die Stärkung des hausärztlichen Verhand­lungsmandats (§ 73b SGB V), die Sicherung der in Aussicht gestellten Honorarsteigerungen der Ärzte sowie für eine Präzisierung der Kriterien für die Gründung Medizinischer Versor­gungszentren.

Den Hausärzten wurde in der jüngsten Gesundheitsreform erstmalig ein eigenständiges Ver­handlungsmandat eingeräumt (§ 73 b SGB V), dessen Wirksamkeit allerdings angezweifelt wird. Die CSU-Landesgruppe tritt deshalb seit langem für eine gesetzliche Klarstellung ein, die die Vorrangstellung der Hausärzteschaft stärkt. Die Krankenkassen sollen verpflichtet werden, Vertragsverhandlungen in erster Linie mit der organisierten Hausärzteschaft aufzu­nehmen, soweit diese die Mehrheit der in einer KV-Region hausärztlich tätigen Ärzte vertre­ten. Mit dieser gesetzlich fixierten Klarstellung soll deutlich werden, dass insbesondere den Hausarztverbänden, in Bayern also dem Bayerischen Hausärzteverband, eine eindeutige Vorrangstellung bei Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen zur Sicherstellung der hausarztzentrierten Versorgung eingeräumt wird. Technisch umgesetzt werden soll diese von der CSU-Landesgruppe energisch verfolgte Klarstellung mit der Verabschiedung des "Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Kranken­versicherung", das vorrangig die Herstellung der Insolvenzfähigkeit aller Krankenkassen re­gelt. Die 1.Lesung des Gesetzes erfolgte am 19.06.2008.

Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hat stets betont, dass sich mit der neuen ärztlichen Honorarordnung ab 2009 für alle Ärzte in Deutschland - also auch in Bayern - Per­spektiven für Einkommensverbesserungen verbinden müssen. Gegenüber dem Honorarvo­lumen Ende letzten Jahres in Höhe von 23 Mrd. Euro entspräche die inzwischen in Aussicht gestellte Honoraraufstockung in Höhe von 2,5 Mrd. Euro einem Aufwuchs um 10%. Mit der möglichen Honorarsteigerung würden Bayerns Ärzte nunmehr an Einkommensverbesserun­gen in einer Größenordnung von 2 bis 5 % teilhaben. Unter Wahrung des Status Quo hätten die bayerischen Ärzte dagegen mit Honorareinbußen von bis zu 500 Mio. Euro zu rechnen (KV Bayern).

In der Koalition besteht auf Drängen der CSU grundsätzlich Einigkeit darüber, die Honorare im Bereich der niedergelassenen Haus- und Fachärzteschaft um 2.5 Mrd. Euro zusätzlich aufzustocken. Das Bundesgesundheitsministerium muss nunmehr prüfen, ob hierzu gesetz­liche Klarstellungen notwendig sind oder nicht. Entscheidend ist, dass die vereinbarte Zu­sage eingehalten wird.

Für die CSU ist klar, dass das große Engagement unserer niedergelassenen Haus- und Fachärzte auch in Zukunft das Rückgrat unserer Gesundheitsversorgung bleiben muss. Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist durch nichts zu ersetzen. Schon gar nicht durch Call-Center oder ähnliches. Die CSU wird eine Verdrängung der be­währten medizinischen Versorgungsstrukturen durch große Kapitalgesellschaften nicht zu­lassen. Sie hat auf allen Ebenen angekündigt, insbesondere die weitere Entwicklung im Be­reich der Medizinischen Versorgungszentren kritisch zu beobachten. MVZ stellen nach dem Willen des Gesetzgebers ein ergänzendes Versorgungsangebot dar, nicht mehr und nicht weniger. Die aktuellen Zahlen zum Betrieb von MVZ spiegeln dies wieder. Bundesweit waren zum Ende des 2. Quartals 2007, 809 MVZ mit 3.263 Ärzten tätig. Angesichts von bundesweit über 130.000 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten nimmt sich diese Zahl insgesamt bescheiden aus. Trotz der für Verantwortliche einer renditeverpflichteten Aktiengesellschaft typischen Expansionsankündigungen werden MVZ sicher nicht zur flächendeckenden Regelversorgung werden.

Ein besonderes Betätigungsfeld größerer Medizinkonzerne stellen die MVZ-Gründungen durch Kliniken dar. In diesem Bereich sind bundesweit die größten Aktivitäten zu verzeichnen. Auf MVZ-Gründungen durch Krankenhäuser in Bayern hat aber gerade die Politik erheblichen Einfluss, da dort der weit überwiegende Teil der Kliniken in öffentlicher Trägerschaft fungiert. Knapp 64 Prozent der bayerischen Krankenhäuser befinden sich nach Angaben der Bayerischen Krankenhausgesellschaft in Trägerschaft etwa der Kommunen und Landkreise. Bundesweit sind dies nur 35 Prozent. Die Aktivitäten öffentlich geführter Häuser unterliegen der Aufsicht und Gestaltung der Politik vor Ort. Die CSU wird eine Verdrängung der bewährten medizinischen Versorgungsstrukturen nicht zulassen und hat auf allen Ebenen angekündigt, die weitere MVZ-Entwicklung gerade im angesprochenen Klinik-Bereich kritisch zu beobachten und notfalls regulierend, d. h. wenn erforderlich durch gesetzgeberisches Handeln einzugreifen. Hierzu gibt es bereits eine Bundesratsinitiative der bayerischen Staatsregierung.

Der "Verkauf des deutschen Gesundheitswesens ins Ausland" im großen Stil ist nicht zu befürchten. Es gibt zwar hier und da entsprechende Versuche. Diese sind aber verschwindend gering.

Was Herrn Lauterbach betrifft, so steht er mit seiner Auffassung auch in Teilen der SPD isoliert da. Die CSU zumindest hat sich immer für die freie Berufsausübung der niedergelassenen Ärzte eingesetzt.

In der Hoffnung, zur Klärung Ihrer Fragen beigetragen zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Paul Lehrieder MdB

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