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Frage von Bernd K. •

Frage an Ottmar Schreiner von Bernd K. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Schreiner,
einer der erfolgreichsten Unternehmer Baden-Württembergs, Herr Prof. Werner (DM Märkte), möchte das bedingungslose Grundeinkommen für alle einführen. Er sieht darin die Chance, echte Bürger-Freiheit, Gerechtigkeit, Selbstständigkeit und Partizipation zu schaffen. Heute wird in der BILD das Konzept von Herrn Althaus, MP Thüringen (CDU), vorgestellt. Wie stehen Sie zu der Idee des bedinungslosen Grundeinkommens?
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Klumpp
27.3.07

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Klumpp,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 27. März 2007.

Ich lehne das Modell des bedingungslosen Grundeinkommens, das eine Abkehr vom bisherigen System eines auf Arbeit und Arbeitseinkommen ausgerichteten Gesellschaftsentwurfs darstellt, ab. Das vermeintlich humane Modell eines bedingungslosen Grundeinkommens von Herrn Werner beinhaltet nicht nur eine Garantie auf ein monatliches Einkommen zwischen 800 und 1500 Euro für alle, sondern auch eine komplette Umstellung des Steuersystems mit dem Ziel, alle Steuern zugunsten einer um 40 Prozent liegenden Konsumsteuer abzuschaffen.

Im Werners Modell zahlt jeder Bürger als Konsument in Abhängigkeit von seinem Konsumverhalten Steuern. „Wer viel verbraucht, zahlt viel“ so Werner. Das ist allerdings insofern problematisch, weil die Besserverdienenden einer anderen Einkommens- und Ausgabenstruktur unterliegen als die Menschen, die nur auf das Wernersche Grundeinkommen angewiesen sind. Das ganze Konzept von Herrn Werner läuft auf eine Bevorzugung der Besserverdienenden hinaus, da die gegenwärtige Steuerprogression in seinem Modell entfallen würde. Außerdem würde der Staat Steuern als Steuerungsinstrument verlieren, was die Handlungsfähigkeit des Staats einschränken würde.

Außerdem wird argumentiert, dass mit einem bedingungslosen Grundeinkommen der Druck auf Leistungsempfänger wegfallen würde. Meines Erachtens rechtfertigt die berechtigte Kritik an menschenunwürdigem Umgang mit den betroffenen Bürgern nicht die Einführung eines Grundeinkommens. Vielmehr ist es hier erforderlich, die politisch gewollte Drohkulisse gegen Betroffene einzustellen und die Behörden auf eine menschenfreundliche Haltung gegenüber den Bürgern hinzuweisen.

Das Konzept von Herrn Althaus (CDU) mit seinem Bürgergeld in Höhe von 600 Euro muss ich als Einstieg in den kompletten Abbau des deutschen Sozialstaates klassifizieren, da der Bürger schlechter dastehen würde als ein heutiger Harz-IV-Empfänger.

Meine Gesamtbewertung beider Konzepte lautet: Beide Konzepte bewirken eine Umverteilung von unten nach oben. Daher lehne ich sie ab.

Stattdessen strebe ich die Anhebung des Hartz IV-Regelsatzes an, damit den Leistungsempfängern zumindest ein Existenzminimum ermöglicht wird. Um diesem Mindestbedarf entsprechen zu können, müsste der Regelsatz mindestens um 67 Euro auf 415 Euro, dies entspricht 20 Prozent, angehoben werden. Damit könne zumindest verhindert werden, dass der Regelsatz das notwendige Existenzminimum in Deutschland erheblich unterschreitet. Hinzukommt noch eine angemessene Wohnkostenpauschale.

Außerdem fordere ich die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes, damit jeder Beschäftigte sich ein auskömmliches Leben leisten kann. Von herausragender Bedeutung ist die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns. Fällt er besonders niedrig aus, zementiert er nur die bestehenden Verhältnisse und wäre nutzlos und überflüssig. Wird umgekehrt eine kritische Marke überschritten, dominieren eher negative Beschäftigungseffekte. Diese kritische Marke ist bestimmt durch Faktoren wie das Verhältnis des Mindestlohns zum Durchschnittslohn, der Grad der Betroffenheit und die Art und Weise der Einführung – abrupt oder in für die Betriebe kalkulierbaren Stufen. Der von den Gewerkschaften geforderte Einstiegsmindestlohn von 7,50 Euro brutto pro Stunde bewegt sich an der Armutslohngrenze, also bei etwa 50 Prozent des Durchschnittseinkommens der abhängig Beschäftigten. Ein anderer Orientierungspunkt ist die Pfändungsfreigrenze, die den Anteil des Einkommens schützt, der in Folge einer Verschuldung nicht angetastet werden darf. Diese Schutzgrenze liegt zur Zeit bei 985 Euro netto, dies entspricht einem Bruttostundenlohn von knapp acht Euro.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ich eine Verbesserung der Lebenslage der von Armut betroffenen Menschen innerhalb des bestehenden Systems anstelle eines bedingungslosen Grundeinkommens bzw. eines Bürgergeldes bevorzuge.

Mit freundlichen Grüßen

Ottmar Schreiner