Ich habe in den letzten Wochen viel über die Einstufung der AfD als rechtsextrem gelesen: Wie stehen Sie zu einem AfD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht?
Guten Tag, ich bin zwar in Berlin geboren, aber mein Vater musste 1973 vor der Diktatur in Chile fliehen. Ich mache mir Sorgen, wie es mit unserer Demokratie weitergehen kann, wenn eine Partei wie die AfD weiterhin ihren Hass verbreiten und Politik gegen Grundrechte und Demokratie machen darf.
Die Zitate im Spiegel aus dem Bericht des Verfassungsschutzes waren erschreckend aber ich bin froh, dass eine Mehrheit mittlerweile für ein Verbotsverfahren ist, wie der Tagesspiegel schreibt.
Jetzt müsste doch eigentlich gehandelt werden. Wie stehen Sie als Abgeordnete zu einem AfD-Verbotsverfahren? Wird das gerade besprochen und gibt es eine Chance, das der Bundestag handelt?

Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich halte ein solches Verbotsverfahren nicht für sinnvoll. Lassen Sie mich dafür kurz meine Beweggründe aufführen:
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben für Parteienverbote sehr hohe Hürden in die Verfassung eingebaut. Die AfD wird auf Bundesebene und in einigen Bundesländern durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Die politischen Ziele von Teilen der AfD sind definitiv nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes. Das Beispiel der beiden NPD-Verbotsverfahren zeigt aber auch, dass eine solche Einstufung für das Bundesverfassungsgericht nicht ausreicht, um ein Parteienverbot zu verfügen. Das hat sich auch durch den Bericht des Bundesverfassungsschutzes nicht geändert. Aktuell fehlt in den Augen vieler Experten eine konkrete Material- und Beweisgrundlage, auf der ein fundierter Verbotsantrag erfolgreich sein könnte.
Was würde aber passieren, wenn das Verfahren scheitert? Man kann fest davon ausgehen, dass die AfD sogar davon profitieren würde, wenn das Bundesverfassungsgericht sagt, dass diese Partei nicht radikal genug ist, um verboten zu werden. Die AfD würde das Urteil als vermeintliches Gütesiegel nutzen, um sich als demokratische Partei zu inszenieren.
Auch der Faktor Zeit spielt eine Rolle. Unabhängig von den Erfolgsaussichten dauern Verbotsverfahren für Parteien oft mehrere Jahre. Wie soll aber der Weg bis zum Verbot aussehen? Wir haben noch weitere Wahlen in den kommenden Jahren, in denen sich die AfD als Opfer stilisieren würde.
Es ist außerdem falsch zu glauben, dass sich Unzufriedenheit verbieten ließe. Stattdessen muss die AfD politisch und inhaltlich gestellt werden. Dafür müssen wir an die Ursachen der Unzufriedenheit heran. Hier ist vor allem die Politik gefragt. Wir brauchen eine bürgernahe und lösungsorientierte Politik. Mit einer solchen Politik kann man die AfD am besten demaskieren, da diese Partei außer Hass und Populismus wenig zu bieten hat. Die Politik der unionsgeführten Bundesregierung hat in den letzten Wochen schon gezeigt, dass zielgerichtete Politik dazu führen kann, dass sich Menschen von der AfD abwenden. Das ist auch für die Zukunft unser Ziel.
Um es ganz deutlich zu sagen: Ich wünsche mir, dass die AfD in der Politik in Zukunft keine Rolle mehr spielt. Mit einem Verbotsverfahren würden wir aber absehbar unsere Demokratie nicht retten, sondern ihr möglicherweise sogar noch Schaden zufügen. Das kann nicht unser Ziel sein.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Ottilie Klein