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Olav Gutting
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Frage von Herbert K. •

Frage an Olav Gutting von Herbert K. bezüglich Verkehr

Hallo Herr Gutting,

warum will man in einem "Eilverfahren" die größte Grundgesetzänderung seit über 10 Jahren binnen 48 Stunden "durchpeitschen"?

Sind Sie nicht auch der Meinung, dass hier vollendete Tatsachen vor einer ausführlichen Diskussion in den anstehenden Parteitagen geschaffen werden soll?

Wie wollen Sie Schattenhaushalte zur Umgehung der Verschuldungssgrenzen ausschließen?

Wie beurteilen Sie die Formulierung der neuen Artikel. Ist dadurch eine Privatisierung von Autobahn- und Bundesfernstraßenabschnitten wirklich ausgeschlossen?

Kann man darauf vertrauen, dass die Privatisierung nicht zur Finanzierung zu überhöhten Kosten zu Gunsten von Banken + Versicherungen usw. zu Lasten des Steuerzahlers führt?

Glauben Sie wirklich, dass die Mehrheit der Bürger*innen eine Privatisierung von Bundesfernstraßen, KiTas und Scnhulen möchte? Wird hier nicht die Demokratie parteipolitischem Taktieren geopfert?

Führt die Privatisierung nicht zu einer Umverteilung von unten nach oben?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Köhler,

mit Dank bestätige ich den Eingang Ihrer Anfrage zum Thema "Privatisierung der Autobahnen" vom 1.06.2017.
Sie kritisieren vornehmlich das in der letzten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages verabschiedete Gesetzespaket zur Überführung der deutschen Autobahnen in eine so genannte "Infrastrukturgesellschaft", die als GmbH organisiert werden soll. Dazu musste das Grundgesetz mit Zweidrittelmehrheit geändert werden.
Die ursprünglich beabsichtigten Privatisierungspläne wurden bereits durch den Beschluss des Koalitionsausschusses am 29. März 2017 gekippt. Mich haben in den letzten Wochen zahlreiche Eingaben erreicht, in denen jedwede Art der Privatisierung öffentlicher Aufgaben sozusagen dämonisiert wurde. Das halte ich - mit Verlaub gesagt - für ziemlich übertrieben.
Lassen Sie mich daher einige Bemerkungen zum Thema "Privatisierung" machen:
Hierzu hat es in Deutschland zahlreiche Beispiele gegeben. Die sogenannten ÖPP-Modelle haben unbestreitbar ihre spezifischen Vorteile. Die privaten Unternehmen bringen im operativen Bereich ein größeres Erfahrungspotential mit (insbesondere im Hochbau!), die kommunale Beteiligung hat hingegen dafür zu sorgen, dass die Ausschreibungsmodalitäten (u.a. auch die vereinbarte Kostenrechnung) eingehalten werden. Ein gutes ÖPP-Projekt ist - so wird behauptet - wie eine Ehe: Beide profitieren davon, wenn die Stärken des einen, die Schwächen des anderen ausgleichen. Beispiele positiver Art hat es in der Vergangenheit mehrfach gegeben.

Allerdings, das räume ich gerne ein, gibt es auch viele Beispiele dafür, dass bei solchen Projekten die Kosten enorm aus dem Ruder gelaufen sind. Das hat häufig mit der Tatsache zu tun, dass man den völligen Ausschluss korruptiver Manipulationen nicht garantieren kann.

So sind bis 2014 nach einem Gutachten des Bundesrechnungshofs ( https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesrechnungshof ) 5 der 6 Autobahnprojekte (auch als Privatautobahn https://de.wikipedia.org/wiki/Privatautobahn bezeichnet), die als PPP realisiert wurden, teurer geworden als dies bei konventioneller Umsetzung der Fall gewesen wäre.

Von einem "Eilverfahren", mit dem die Koalitionsfraktionen das Gesetzespaket durch den Bundestag gebracht haben sollen, kann keine Rede sein. Alle mit dieser Gesetzesmaterie zusammenhängenden Probleme sind in den letzten Monaten in zahlreichen Sitzungen und Anhörungen ausgiebig diskutiert worden.

Es geht nicht um das Verlagern in Schattenhaushalte. Eine wesentliche Motivation zur Nutzung von ÖPP ist allerdings die Vorfinanzierung der Baukosten durch Private. Das eröffnet die Möglichkeit, für die öffentliche Hand neuverschuldungsfrei investieren zu können.

Dennoch bin ich der Meinung, dass alle staatlichen Infrastrukturmaßnahmen, die der Daseinsvorsorge dienen, auch ausschließlich von der öffentlichen Hand geplant, gebaut und finanziert werden sollten.
Was die von Ihnen befürchtete Privatisierung des Autobahnnetzes angeht, so kann ich nur sagen: Diese steht überhaupt nicht zur Debatte. Die geplante Autobahngesellschaft soll unter Parlamentsvorbehalt bleiben. Mit der Autobahngesellschaft werden Planung, Finanzierung, Bau, Betrieb, Management und Erhalt der Autobahnen in Deutschland zentral beim Bund gebündelt.

Dadurch wird künftig für ganz Deutschland gleichberechtigt bedarfsgerecht geplant, gebaut und finanziert. Die Gesellschaft soll dafür über ausreichend eigenes Know-how, staatliches Kapital und eigene Kompetenzen verfügen, Der Bund wird Personal von den Landesverwaltungen in die Bundesverwaltung übernehmen - unter Wahrung des bisherigen Status. Bund und Länder werden dabei kooperativ zusammenwirken.

Die Autobahngesellschaft wird in unveräußerlichem Alleineigentum des Bundes stehen. Eine Privatisierung ist ausgeschlossen. Die Gesellschaft soll die Möglichkeit haben, für einzelne Projekte im Rahmen der Wirtschaftlichkeit ÖPP-Verträge zu vergeben und Investoren daran zu beteiligen, so wie es auch heute beim Bau von Fernstraßen möglich ist.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Mit freundlichen Grüßen
Olav Gutting
Mitglied des Deutschen Bundestages

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