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Michael Müller
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Frage von Christopher R. •

Frage an Michael Müller von Christopher R. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Guten Tag Herr Müller,

welche Motive verfolgen Sie mit Ihrem Vorhaben das Tempelhofer Feld zu bebauen.
Ist ein Bürgervotum für Sie von Bedeutung bei Ihrer Meinungsbildung.
Ist es für Sie nachvollziehbar, dass ich Ihren erneuten Vorstoß, das Gesetz zum Schutz des Tempelhofer Feldes zu ändern, angesichts der Instrumentalisierung des Flüchtlingsdramas für geschmacklos halte.

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Robinson-Mallett,

vielen Dank für Ihre Frage in Bezug auf die Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Flughafen Tempelhof.

in diesen Tagen und Wochen haben mir viele Menschen in Bezug auf die Situation auf dem Tempelhofer Feld geschrieben. Ich möchte Ihnen gerne darstellen, warum es notwendig ist, die Hangars, das Vorfeld und Randbereiche des Vorfeldes auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof für die Unterbringung von Flüchtlingen und damit einhergehender Infrastruktur temporär zu nutzen.

Im vergangenen Jahr sind knapp 80.000 Menschen, die vor Krieg und Terror geflohen sind, nach Berlin gekommen. Davon sind ca. 42.000 Menschen in den Unterkünften des Landes Berlin untergebracht worden. Aktuell kommen jeden Tag etwa 150 weitere geflüchtete Menschen hinzu. Dies stellt die Stadt Berlin und unserer Land als Ganzes vor logistische, soziale und gesellschaftliche Herausforderungen, die bisher beispiellos sind.

Ich will nicht verhehlen, dass wir mit Sicherheit in den letzten Monaten nicht immer alles richtig gemacht haben. Manches ist zu langsam passiert und einiges kann und muss auch noch verbessert werden. In einem Stadtstaat wie Berlin bündeln sich die Problemlagen und sind sehr klar wahrnehmbar, weil es eben nicht - wie in einem Flächenland - möglich ist, die geflüchteten Menschen in den verschiedenen Regionen zu verteilen.

Dennoch ist uns Dank des engagierten und unermüdlichen Einsatzes vieler freiwilliger Helferinnen und Helfer aber auch der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen vieles gelungen. Wir konnten diesen Menschen helfen und haben die festen Unterbringungsmöglichkeiten im Jahr 2015 erhöhen können sowie 9.000 städtische Wohnungen zur Unterbringung nutzbar gemacht. Wir konnten den Menschen in über 150 Unterkünften nicht nur ein Dach über dem Kopf ermöglichen, sondern es wurden auch Sprach-, Gesundheits- und Qualifizierungsangebote geschaffen.

Mir ist bewusst, dass die Unterbringung in einer Großeinrichtung wie in der Notunterkunft des ehemaligen Flughafens Tempelhof nicht problemlos ist. Dennoch konnten und werden wir die Situation für die dort untergebrachten Menschen Schritt für Schritt verbessern. So wurde ein Medipoint zur medizinischen Versorgung in einem Hangar eingerichtet, der durch das St. Joseph Krankenhaus und Vivantes betrieben wird. Darüber hinaus wurde ein Kinderbetreuungsbereich eingerichtet. Ein weiterer Kinderbetreuungsbereich, der von der Organisation „Save the children“ betreut wird, ist in einem zweiten Hangar eingerichtet worden. Bereits jetzt wurden beheizte Container mit Duschen und Toiletten vor den Hangars 5/6 aufgestellt. Weitere Dusch/WC-Kabinen werden sukzessive angeschlossen.

Ich möchte betonen, dass der Standort Flughafen Tempelhof nicht als dauerhafte Einrichtung gedacht ist, sondern als Notunterkunft Menschen dient, die temporär befristet ist und mit dazu beiträgt, dass die Menschen, die in unsere Stadt flüchten, vor Obdachlosigkeit bewahrt werden.

Darüber hinaus ist es uns möglich, keine weiteren Turnhallen zu belegen. Ab dem Frühsommer ist vorgesehen - natürlich abhängig davon, ob der Flüchtlingszustrom wieder zunimmt -, die jetzt belegten Turnhallen schrittweise freizuziehen. Dies ist auch möglich aufgrund der nun vereinbarten etwa 60 Standorte zur Errichtung von Flüchtlingsunterkünften in modularer Bauweise oder mit Containern.

Tempelhof soll sich zu einem Willkommenszentrum entwickeln, in dem es Bildungs- und Betreuungsangebote gibt und wo sich Flüchtlinge und Berlinerinnen und Berliner begegnen können. Darüber hinaus ist das Land Berlin mit Eigentümern von leerstehenden Gewerbe- und Büroflächen und auch Hotels in Gesprächen, die im Fall der Fälle auch beschlagnahmt werden, um sie als Flüchtlingsunterkünfte nutzen zu können. Die etwa 60 Objekte auf der Liste der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), wurden auf ihre Eignung zur Unterbringung von Flüchtlingen geprüft. Eine Vielzahl dieser Liegenschaften, wovon etwa 30 Grundstücke noch unbebaut sind, muss jedoch erst mit großem baulichem Aufwand ertüchtigt werden, bevor hier Unterkünfte entstehen können.

Die geplante Änderung des Tempelhof-Gesetzes war notwendig, damit es möglich ist, an den zwei angrenzenden befestigten Randflächen des Vorfeldes eine temporär bis 2019 befristete Infrastruktur mit mobilen Einrichtungen zur Unterbringung von Flüchtlingen schaffen zu können. Eine dauerhafte Wohnbebauung, wie viele behaupten, ist dort nach wie vor nicht möglich, denn durch die Gesetzesänderung wurde das grundsätzliche Bauverbot nicht aufgehoben. Auch die grüne Freifläche bleibt vollkommen unangetastet.

Mir ist klar, dass diese Gesetzesänderung kritisch gesehen wird. Sie können sicher sein, dass weder ich noch alle anderen politisch Verantwortlichen es auf die leichte Schultern genommen haben, dieses durch einen Volksentscheid zustande gekommene Gesetz zu modifizieren.

Ich möchte an dieser Stelle auch auf das oft genannte Argument eingehen, dass es doch ausreichend Leerstand zur Unterbringung in der Stadt gebe. Spekulativer Leerstand oder die Zweckentfremdung von Wohnraum ist nicht hinnehmbar und dagegen geht der Senat mit entsprechenden Maßnahmen vor. Zum Leerstand zählen aber auch die Wohnungen, die saniert werden, die durch Lage und Preis schwer zu vermieten sind oder wo gerade jemand auszieht. Es sind also in den meisten Fällen Wohnungen, die zum gewöhnlichen Wohnungsmarkt gehören. Die Beschlagnahmung sämtlichen Wohnraums ist verfassungsrechtlich gar nicht möglich. Durch die bereits erwähnten Modularbauten wird das Land Berlin massiv neuen Wohnraum zur Unterbringung geflüchteter Menschen schaffen, der später auch von Studenten oder einkommensschwächeren Berlinerinnen und Berlinern genutzt werden kann. Aber hierzu bedarf es Zeit, zu deren Überbrückung wir auch die genannten Areale des ehemaligen Flughafens Tempelhof benötigen.

Ich finde, Glaubwürdigkeit lebt von Haltung. Meine Haltung ist, dass ich alles tun werde, was nötig ist, damit wir als Stadt und Gesellschaft diese Herausforderung, den Menschen zu helfen, die in Not sind, gemeinsam meistern. Genauso werde ich die Themen nicht aus dem Blick verlieren, die für Sie als Berlinerinnen und Berliner wichtig sind, seien es bezahlbare Wohnungen, soziale und innere Sicherheit, gute Arbeit, von der man leben kann, und eine dienstleistungsfähige Verwaltung.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Müller

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