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Michael Hennrich
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Frage von Fritz H. •

Frage an Michael Hennrich von Fritz H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Hennrich,

Ich habe in den letzten Tagen den Vertrag zur Einrichtung des europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gelesen.
Ich bin erschüttert und konnte nicht glauben, was ich da las.
Dieser Vertrag soll im November durch den Bundestag, also auch durch Sie , genehmigt werden.
Der Inhalt sieht so aus.

1. Grundkapital 700 Milliarden Euro. Zahlbar innerhalb von 7 Tagen nach Anforderung der Gouverneurs

2. Das Kapital kann vom Gouverneur ohne Rücksprache unendlich erhöht werden

3. Der Gouverneur kann ohne Rücksprache unendlich Schulden aufnehmen.

4. Der Gouverneur bestimmt die Prüfer, die ihn prüfen dürfen.

5. Der Gouverneur und ALLE Mitarbeiter haben Immunität und Vorrechte, die von NIEMAND aufgehober werden dürfen

6. Die Büros und Gebaüde des ESM dürfen nicht betreten werden oder durchsucht werden.

7. Unter § 30 wird nochmals darauf hingewiesen, daß alle Gouverneursratsmitglieder,Direktoren, Stellvertreter und das Personal Immunität genießen

hinsichtlich Ihrer Handlungen und die Unverletzlichkeit ihrer amtlichen Schriftstücke.

Der Gouverneur und die Einrichtung sind durch niemand gewählt worden. Das bedeutet, dass das Parlament seine höchsten Rechte, das Finanz-und Haushaltsrecht an unlegitimierte Beamte abgibt.

Deshalb meine Frage.
Habe ich das richtig gelesen?
Wenn ja, wie wollen Sie abstimmen?

Ich hoffe, Sie können mir meine Sorgen nehmen.

Freundliche Grüße

Fritz Henne

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Henne,

für Ihre Geduld danke ich Ihnen und möchte gerne auf die von Ihnen gestellten Fragen konkret eingehen - wobei ich Ihre Fragen unter drei Stichworten subsumiert habe.
1. Entscheidungsgewalt im Europäischen Stabilitätsmodus (ESM)
Diesbezüglich kann ich Sie beruhigen. Denn die Befürchtung, dass die finanz- und haushaltsrechtliche Souveränität aufgegeben wird oder das Parlament durch die Zustimmung zum ESM-Vertrag seine Rechte verliert, ist unbegründet. Alles wesentlichen Entscheidungen, etwa über Veränderungen am Stammkapital, Anpassungen des maximalen Darlehensvolumens oder die Gewährung von Finanzhilfen (einschließlich der damit verbundenen Auflagen, Finanzierungsbedingungen und eingesetzten Instrumente), werden vom Gouverneursrat - nicht vom einzelnen Gouverneur - einstimmig beschlossen. Im Gouverneursrat sind die demokratisch legitimierten Regierungen der Mitgliedstaaten durch ihre Finanzminister vertreten. Deutschland verfügt damit jederzeit über ein Vetorecht. Änderungen am Stammkapital treten zudem erst in Kraft, wenn die jeweiligen nationalen Verfahren abgeschlossen sind. Für Deutschland bedeutet das, dass der Deutsche Bundestag einer Erhöhung des Kapitals zustimmen muss.

2. Immunität
Was Ihre Fragen zu den Immunitätsregeln betrifft, so ist es richtig, dass die Geschäftsräume der ESM unverletzlich sind. Die Amtsträger und Bediensteten des ESM genießen Vorrechte, so etwa die Immunität hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen. Unverletzlich sind auch die amtlichen Schriftstücke und Unterlagen. Die Immunität dieses Personenkreises kann jedoch vom Gouverneursrat bzw. durch den geschäftsführenden Direkter aufgehoben werden.
Ich kann Ihnen aber versichern, dass derartige Immunitätsregelungen für internationale Finanzinstitutionen üblich sind. So verfügen der IWF, die Weltbank sowie regionale Entwicklungsbanken, z.B. die Afrikanische Entwicklungsbank und die Asiatische Entwicklungsbank, über vergleichbare Regelungen.

3. Finanzkontrolle der ESM
Der ESM wird über einen internen Prüfungsausschuss verfügen wird, der die Konten des ESM prüft und sich von der Ordnungsgemäßheit seiner Gewinn- und Verlustrechnung bzw. der Bilanzen überzeugt. Die Ernennung der internen Prüfer erfolgt durch den Gouverneursrat, also wiederum durch die Finanzminister der Eurozone. Daneben wird es eine externe Finanzkontrolle geben. Für deren Bestellung sowie die Festlegung der Einzelheiten ist ebenfalls der Gouverneursrat verantwortlich.

Abschließend möchte ich auf Ihre letzte Frage in Bezug auf mein Abstimmungsverhalten eingehen.

Zweifelsohne ist die Frage nach der Stabilisierung der Eurozone derzeit eine der wichtigsten und wegweisendsten, die wir hier im Deutschen Bundestag zu beantworten haben.

Grundsätzlich befürchte ich einen gesamteuropäischen Zusammenbruch der Wirtschaft, wenn keine weiteren finanziellen Hilfsmechanismen geschaffen werden - das ist der Hauptgrund dafür, warum ich mich für deutsche Hilfen in der Eurozone ausspreche.
Die Auswirkungen eines Kollapses auf Deutschland, als Exportmeister mit einer Großzahl von Abnehmern im europäischen Raum, wären verheerend. Andererseits sehe ich natürlich auch die Gefahr, dass Deutschland in eine vergleichbar heftige Krise schlittert, wenn Ausfallbürgschaften etc. in Anspruch genommen werden.
Mit dem Entwurf zum "Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus" befinden wir uns aber meines Erachtens auf dem richtigen Weg zu einer konstruktiven und vor allem sicheren Lösung. Hierdurch wird auch - und das machen ja auch die Antworten auf die von Ihnen gestellten Fragen deutlich - nicht die allseits befürchtete Transferunion ausgelöst. Vielmehr werden mit dem Gesetz weitere Instrumente geschaffen, um Ansteckungseffekte möglichst frühzeitig zu unterbinden. Neben Kredite treten vorsorgliche Kreditlinien oder das Aufkaufen von Anleihen von Eurostaaten am Primärmarkt. Und unverändert bleibt: Hilfe gibt es nur bei einer Gefährdung der Finanzstabilität der Eurozone insgesamt und nur im Gegenzug für ein striktes finanz- und wirtschaftspolitisches Reformprogramm.

Hier ist es für mich maßgeblich, dass auf Unionsebene endlich ein funktionierender Mechanismus geschaffen wird, der darauf abzielt, dass die Finanzkritik aus Brüssel in den Mitgliedsländern unmittelbar umgesetzt und nicht als bloße "Empfehlung" aufgefasst wird. Gleiches gilt für die Eckpunkte des Stabilitäts- und Wirtschaftspaktes, deren (Nicht-) Einhaltung streng überwacht und ggfs. sanktioniert werden muss.

Angesichts dieser Fortschritte auf dem Weg zu einer wirtschafts-, finanz- und haushaltpolitischen Integration der Europäischen Union halte ich die zu beschließenden Hilfsmaßnahmen zur Stabilisierung der Euro-Zone für richtig. Hinzu kommt, dass die Erfahrungen der vergangenen Monate zeigen, dass die Schlagkraft der EFSF in bestimmten Punkten gestärkt werden muss, um effizient zum Einsatz zu kommen. Zusammen mit weitergehenden Sicherungsmaßnahmen für "Geberländer" spreche ich mich daher für diese Veränderungen aus. Es besteht aber auch in Zukunft weiterer Bedarf für Nachbesserungen. So hoffe ich, dass wir uns beim Thema Schuldenbremse durchsetzen können. Hier vertrete ich die Überzeugung, dass die Staaten der Euro-Zone eine Schuldenbremse nach dem Vorbild Deutschlands verfassungsrechtlich verankern müssen. Spanien und Frankreich sind uns ja schon gefolgt. Insgesamt hoffe ich, dass wir auf bundes- aber auch auf europäischer Ebene weiter an konstruktiven Lösungen in dieser Sache zusammen arbeiten.

Abschließend möchte ich noch einmal an das Bankenrettungspaket nach der Lehmann-Pleite erinnern. Auch diese Maßnahme war in der Bevölkerung hoch umstritten - deren Richtigkeit aber heute von niemandem mehr in Zweifel gezogen wird. Denn die deutschen Banken wurden mittelfristig stabilisiert und letztlich wurde der im Risiko stehende Betrag nicht im Ansatz realisiert.

Ich weiß, dass das Thema Eurokrise und Griechenland hoch komplex und schwierig ist. Ich hoffe, ich konnte Ihnen trotzdem meine Meinung näher bringen und bitte um Nachsicht, dass ich viele Bereiche - etwa Anleihen der EZB - nicht weiter vertiefen konnte. Sollten Sie daher Interesse an einem persönlichen Gespräch mit mir haben, bitte ich Sie, sich zur Kontaktabsprache mit meinem Büro in Nürtingen in Kontakt zu setzen.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Hennrich