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Michael Groß
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Frage von Martin K. •

Frage an Michael Groß von Martin K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

die Bundesregierung will kurzfristig im November einen Gesetzentwurf einbringen, der die Beschneidung von nichteinwilligungsfähigen Jungen ohne medizinische Indikation legalisiert. Hintergrund ist ein Urteil des LG Köln von Mai und eine Bundestagsresolution vom 19. Juli 2012. Über 60 Ihrer Kolleginnen und Kollegen haben jetzt einen Alternativentwurf vorgelegt, der die Legalisierung dieses mit Risiken behafteten, schmerzhaften und irreversiblen Eingriffs von der Einwilligung ab dem Alter von 14 Jahren und nur durch zugelassene Fachärzte nach ausführlicher Aufklärung vorsieht.
Können Sie diesem Alternativentwurf zustimmen?
Sind Sie mit mir der Meinung, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung nicht vereinbar ist mit dem Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2,2 GG), dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3, Satz 1 und 2 und dem Artikel 24,3 der UN-Kinderechtskonvention, der die Vertragsstaaten verpflichtet „alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen zu treffen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen"?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kohn,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Bitte entschuldigen Sie die zeitliche Verzögerung meiner Antwort. Ich habe zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschneidung eine persönliche Erklärung abgegeben, die meine Haltung dazu deutlich macht und die ich Ihnen gerne im Folgenden darlege:

Persönliche Erklärung nach § 31 GO des Bundestagsabgeordneten Michael Groß zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männliches Kindes“ Drucksache 17/ 11295 und zum Gruppen-Gesetzentwurf der Abgeordneten Rupprecht, Dörner, Golze, Marks, Schwanitz und weiterer Abgeordneter „Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge und die Rechte des männlichen Kindes bei einer Beschneidung“, Drucksache 17/ 11430 sowie zu weiteren Änderungsanträgen, (TOP 1) am 12. Dezember 2012:

Durch das Urteil des Kölner Landgerichts vom 07.Mai 2012 ist die religiöse Beschneidung als rechtswidrige Körperverletzung gewertet worden. Für den Bundestag bedeutet das Urteil mit einem entsprechenden Gesetz die notwendige Grundlage zur Rechtssicherheit zu schaffen.
1990 wurde erstmalig der Vorrang des Kindeswohls in einer UN-Menschenrechtskonvention verankert. Die UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, überlieferte Traditionen abzuschaffen, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind. Dies war auch die Grundlage des Gesetzes zur gewaltfreien Kindererziehung im Jahre 2000 durch die damalige rot-grüne Bundesregierung.

Unsere demokratische Gesellschaft beruht auf unserer Verfassung und der darin für jede Bürgerin und jeden Bürger verankerten Grundrechte. Mit der heutigen Entscheidung müssen verschiedene grundrechtlich verbürgte Positionen gegeneinander abgewogen werden: das Recht auf die freie Persönlichkeitsentfaltung, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Religionsfreiheit und das Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder.

Ich habe mir in meinem Wahlkreis in persönlichen Gesprächen sowohl mit Vertretern der jüdischen Gemeinschaft als auch mit Vertretern muslimischer Religionsgemeinschaften zum Thema „Beschneidung des männlichen Kindes“ ein Bild über die grundlegenden Positionen machen können. Insbesondere die religiöse Bedeutung der Beschneidung, der Zeitpunkt der Beschneidung und die Frage, wer Beschneidungen durchführen sollte, waren wichtige Gesprächspunkte. Die Beschneidung männlicher Kinder hat in der jüdischen und muslimischen Religion eine lange Tradition, ist aber unterschiedlich ritualisiert. Eine Beschneidung muss aber aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung und Konstituierung für den Glauben erlaubt sein.

Dabei steht für mich das Wohl des Kindes im Mittelpunkt, ohne die Religionsfreiheit und die zentrale Bedeutung für viele Menschen infrage stellen oder abwerten zu wollen. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Kinder bis zur eigenen freien Mitentscheidung, ist aus meiner Sicht als höchstes Gut vorrangig zu betrachten. Eine Einsichtsfähigkeit des Kindes sollte gewährleistet sein und seine Wünsche sollten Berücksichtigung finden. Selbstverständlich ist die Beschneidung unter fachmedizinischer Kontrolle durchzuführen.

Da die vorliegenden Gesetzentwürfe weder dem Kindswohl im vollem Umfang, noch der Frage der Religionsfreiheit zufriedenstellend gerecht werden und aus meiner Sicht in zu kurzer und nicht umfassender Beratung erstellt wurden und keiner meine voll umfängliche Zustimmung findet, werde ich mich bei den Abstimmungen enthalten. Die vorliegende Gesetzesentwürfe werden aus meiner Sicht die aufgeworfenen Fragen nicht lösen. Das in unserem Land gelebte verfassungsgemäße Verständnis von Demokratie sieht die Kinder zuerst als schutzbedürftige Individuen. Dieses Grundrecht wird mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung geschwächt. Aus meiner Sicht ist ein Moratorium und ein runder Tisch mit Sachverständigen, Vertretern aller Religionsgemeinschaften und Fachleuten einzusetzen, um wissenschaftlich, juristisch und religiös fundiert zur Erarbeitung einer Regelung mit breiter Akzeptanz zu diskutieren.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Groß, MdB