Matthias Gauger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Lukas B. •

Frage an Matthias Gauger von Lukas B. bezüglich Energie

Sehr geehrter Herr Gauger,

wie stehen sie zur verlängerten Laufzeit von Atomkraftwerken?

Wie könnte man ihrer Meinung nach den Ausfall an Strom (durch den Ausstieg aus der Atomkraft) beseitigen?

Wie sollte man den Umstieg auf alternative Energien finanzieren?

Mit freundlichen Grüßen

Lukas Bach

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bach,

entschuldigen Sie die leichte Verzögerung meiner Antwort. Ihre Frage bedarf einer ausführlichen Antwort. Die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken lehne ich ab. Der Betrieb von Atomkraftwerken birgt genauso Risiken wie der Abbau von Brennstoffen und die Entsorgung selbiger. Noch immer gibt es in Deutschland keine Möglichkeit zur Endlagerung von Atommüll.

Bereits beim Uranabbau werden gesundheitsgefährdende radioaktive Stoffe freigesetzt. So birgt der Betrieb von Atomkraftwerken nicht nur das Risiko von Unfällen mit unüberschaubaren Folgen, die ganze Regionen für ewige Zeit unbewohnbar werden lassen würden. Auch im Betrieb ist eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen. Eine Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz aus dem Jahr 2007 zeigte eine signifikant erhöhte Leukämie-Rate bei Kindern im Radius von 5 Kilometern um Kernkraftwerke.(Die Studie finden sie hier: http://www.bfs.de/de/bfs/druck/Ufoplan/4334_KIKK.html) Darüber hinaus sind unsere Atomkraftwerke nicht ausreichend gegen terroristische Angriffe, beispielsweise durch Flugzeuge, geschützt. Die zivile Nutzung von Kernkraft schließt leider auch die militärische Nutzung der Kernkraft nicht aus. Außerdem steigt mit dem Alter der Kraftwerke die Anzahl der Zwischenfälle deutlich an. Letztlich bleibt die Endlagerung eine Frage, die bis zum heutigen Tage nicht zu beantworten ist. Die langen Halbwertszeiten von Uran und Plutonium machen eine sichere Endlagerung für diese Zeitrahmen schlicht unmöglich. Daher denke ich, wir haben über den Atomkonsens mit den Energiekonzernen eine Möglichkeit geschaffen, die den Betreibern der Kraftwerke genug Zeit bietet um sich auf eine Zukunft ohne Atomkraft vorzubereiten. Der Beschluss aus der Atomkraft auszusteigen, forcierte den Ausbau der Erneuerbaren Energien so sehr, dass wir bis heute schon über 220 000 neue Jobs in diesem Bereich geschaffen haben und der Anteil in der Stromerzeugung auf über 14% gestiegen ist. Eine Abkehr vom Ausstieg würde diese Entwicklung weit zurück werfen. Dabei spart der Verbraucher durch Atomstrom faktisch nur 50 Cent pro Monat (vgl. http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,564348,00.html). Dies allerdings auch nur, weil die vom Steuerzahler getragenen Kosten für Forschung und mögliche Folgeschäden nicht hinein gerechnet werden.

Die Entwicklung der Erneuerbaren Energien und die Diskussion über Energieeinsparung und –effizienz überzeugt mich davon, dass es auch nach dem endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft in Deutschland keine „Stromlücke“ geben wird. Wir haben bei der Nutzung regenerativer Energien noch ungemeine Potentiale. Die technische Entwicklung geht immer weiter voran. So werden die Geräte immer besser und durch die Massenproduktion auch günstiger. Auch die Steigerung der Effizienz unserer elektronischer Geräte durch beispielsweise die Abschaffung des Standby-Modus oder schlichter Effizienzsteigerungen wie wir sie bei Waschmaschinen, Kühlschränken, etc. immer wieder erleben. Und auch der Verzicht auf den Wäschetrockner und die Umstellung auf Energiesparlampen würde schon vieles bewirken. Darüber hinaus setze ich auf das sogenannte „smart metering“ (intelligentes Messen, http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/technik/Mit-intelligenten-Stromzaehlern-laesst-sich-sparen/story/18142263), das dem Verbraucher ein ganz neues Maß an Transparenz über seinen Stromverbrauch bietet. In Verbindung mit intelligenten Geräten, die zum Beispiel dann spülen oder waschen, wenn der Strom am günstigsten ist. Heißt genau zu dem Zeitpunkt, wenn die Nachfrage nach Strom am Niedrigsten oder das Angebot am Höchsten ist. Was im Kleinen nicht weiter auffällt, wird in der Summe massives Potential zur Einsparung bieten. Kurzum: Wenn wir heute die Weichen richtig stellen, werden wir in absehbarer Zeit ohne jegliche Komforteinschränkung wesentlich verbrauchsärmer, klima- und umweltfreundlicher leben und dabei sogar noch unseren Geldbeutel schonen. Die kurzfristigen Investitionen werden sich langfristig für jeden Einzelnen auszahlen.

Für die Finanzierung des Umstiegs auf Erneuerbare Energien haben wir mit dem Umlageverfahren des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes ein sehr gutes Mittel gefunden. Heißt wer Erneuerbare Energien in das Stromnetz einspeist, erhält anfangs eine festgelegte Vergütung. Damit konnte nicht nur jeder Bürger selbst zum Energieproduzenten werden sondern auch der Bundeshaushalt geschont werden. Der Erfolg liest sich unter anderem in den 220 000 neu geschaffenen Jobs in der Erneuerbaren-Energien-Branche ab.
Langfristig, da bin ich überzeugt, wird der regenerativ gewonnene Strom auch ohne staatliche Eingriffe auf dem Markt bestehen können. Schon heute ist es für manchen Windkraftproduzenten günstiger den Strom selbst zu verwenden als Strom zuzukaufen. Sobald diese Entwicklung flächendeckend eingesetzt hat, zeigt sich der volle Erfolg des deutschen Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft. Dann hat sich auch die leidige Diskussion über Laufzeitverlängerungen endlich erledigt.

Mit besten Grüßen
Matthias Gauger