Matthias Gauger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ralf S. •

Frage an Matthias Gauger von Ralf S. bezüglich Bildung und Erziehung

Hallo Matthias,

ich wende mich mit dem Thema "Studiengebühren" an Dich. Natürlich war ich anfangs auch skeptisch, hoffte aber eine deutliche Verbesserung des Lehrangebotes bzw. der Lernbedingungen an den bayerischen Hochschulen.

Aus eigener Erfahrung an der FH Würzburg muss ich sagen, dass dies definitiv nicht eingetreten ist. Die Hörsäle sind in einem katastrophalen Zustand (teilweise gibt es kaum funktionsfähige Stühle), das Lehrangebot (v.a. im Bereich des praktischen Lernens wie z.B. Praxisseminare, Exkursionen etc.) wurde nicht erweitert, die technische Ausstattung ist nach wie vor unzureichend (es wird teilweise noch mit kopierten schwarzweiß-Folien gearbeitet). Hinzu kommt für mich auch die Erfahrung, dass die Studiengebühren tatsächlich die Abhängigkeit von sozialer Herkunft und Bildungszugang manifestieren. Ich kenn einige Leute, die sich ein Studium durch die Studiengebühren nicht leisten können und auch keine entsprechende finanzielle Unterstützung bekommen können.

Ich würde gerne Gebühren bezahlen, wenn diese auch dem Studium zu Gute kommen. Dies kann anscheinend nicht gewährleistet werden! Von daher gibt es für mich nur die Folgerung, dem Beispiel Hessens zu folgen und die Gebühren wieder abzuschaffen!

Viele Grüße, alles Gute für den Wahlkampf,

Ralf

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Ralf,

Deine Einschätzung und Deine Schlussfolgerung teile ich vollkommen. Studienbeiträge sind sinnvoll, wenn daraus ein wirklicher Nutzen für die Studierenden entsteht. Dieser Nutzen wäre auch sicher gegeben, wenn es sich bei den Mitteln um zusätzliches Geld handeln würde und die Hochschulen schon entsprechend ausgestattet wären. Doch leider sind die Beiträge in Bayern nur ein Mittel um kurzfristig die eklatantesten Mängel unserer Unis und Fachhochschulen zu kompensieren. Diese Mängel sind dazu noch durch jahrelanges Sparen und Kürzen im Hochschulbereich hausgemacht: Viele Gebäude sind sanierungsbedürftig. Ausstattung und Betreuungsverhältnis einiger Studiengänge sind verheerend. Studienbeiträge sind dort nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Dazu kommen handwerkliche Fehler im Gesetz, leere Versprechungen bezüglich der Schaffung von Stipendien und sozialverträglichen Krediten, sowie fehlende Befreiungsmöglichkeiten nach sozialen und/oder wirtschaftlichen Kriterien.Die Liste wäre endlos. Daher möchte ich hier nur ein paar Beispiele nennen. Bezüglich der handwerklichen Fehler: Studienbeiträge sollen einzig der Lehre dienen. Stellen an der Universität sind allerdings zumeist Lehr- und Forschungsstellen. In der Umsetzung bedeutet das beispielsweise: Die Universität schafft eine zusätzliche Stelle, die sie zur Hälfte regulär bezahlt (Forschung) und zur anderen Hälfte durch Beiträge (Lehre). Heißt die Uni muss entweder Mittel für die halbe (Forschungs-)Stelle einsparen oder entsprechend die Stelle woanders kürzen.

Dazu wurde ein Sicherungsfonds für die, angeblich, sozialverträglichen Darlehen eingeführt. 10% der Studienbeiträge sollten in diesen Fonds fließen. Faktisch bedeutete dies, wenn jeder(!) Studierende ein Darlehen aufnimmt, zahlt dies nur jeder 10. zurück. Wenn jeder 10. Studierende ein Darlehen aufnimmt, zahlt demnach Keiner zurück. Diese Absurdität wurde mittlerweile durch eine Klage aufgehoben und der Anteil entsprechend nach unten korrigiert.

Zum Thema Darlehen muss man noch einmal an die Debatte vor der Einführung der Beiträge erinnern. Die rot-grüne Bundesregierung nahm in das Hochschulrahmengesetz das Verbot von Studiengebühren in Deutschland auf. Dagegen klagten einige unionsregierte Länder vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Gericht gab den Ländern recht. Stellte allerdings klare Bedingungen für die Gebühren auf. So mussten bundesweit gleiche Lebensverhältnisse erhalten bleiben und die Belastung durfte eine bestimmte Höhe nicht überschreiten. Die Landesregierung zog daraus den Schluss, die Einführung von geförderten Darlehen zur Studienfinanzierung würde die entstehende Ungleichheit verhindern und sozial Schwache nicht vom Studium ausschließen. Die Realität sieht leider anders aus: Zwar gibt es ein flächendeckendes KfW-gefördertes Darlehen-System. Allerdings mit Zinssätzen von über 7%. Sozialverträglich sieht anders aus!
Die außerdem versprochenen Stipendien sind bis heute nicht flächendeckend vorhanden. Befreiungsmöglichkeiten für Kinder aus sozial-schwächeren Familien wird ausdrücklich keine Befreiungsmöglichkeit eingeräumt. Zwar besteht für jede Hochschule die Möglichkeit 10% der Studierenden von den Beiträgen zu befreien. Doch wirtschaftliche und soziale Kriterien sind davon ausdrücklich ausgenommen.

Unser ohnehin sozial selektierendes Bildungssystem baut also noch einmal eine extra Hürde für Jene auf, die es bis zum Abitur geschafft haben.
Daher auch mein Fazit:
Solange die originäre Mittelausstattung unserer Hochschulen nicht ausreichend ist. Durch Beiträge keine merkliche Verbesserung der Bedingungen spürbar ist. Die soziale Selektion weiter forciert wird.

Solange gibt es auch für mich nur die eine Schlussfolgerung: Studienbeiträge müssen in Bayern ganz schnell wieder abgeschafft werden.

Schöne Grüße,
Matthias Gauger