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Martina Bunge
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Frage von Sharon Sarah S. •

Frage an Martina Bunge von Sharon Sarah S. bezüglich Gesundheit

Guten Tag, Frau Dr. Bunge,

da ich annehme, dass Sie als Vorsitzende des Gesundheitsausschusses auch mit Suchtfragen betraut sind, wende ich mich anlässlich eines konkreten Falls von Spielsucht in meinem Bekanntenkreis an Sie.

Staatlich konzessionierte Spielcasinos und Spielbanken sind dazu verpflichtet, jedermann auf Wunsch zu sperren. Bei privat betriebenen Spielhallen und Gaststätten mit Geldspielautomaten besteht zwar auch die Möglichkeit, einen Selbstsperrvertrag einzugehen, allerdings sind die Betreiber hier nicht dazu verpflichtet. Konkret wurde bei einem Betreiber - Spielothek - angefragt, es bestand jedoch keine Bereitschaft des Betreibers, einen Sperrvertrag einzugehen. Stattdessen wurde auf ausgelegte Broschüren der Suchtberatungsstelle verwiesen.

Angesichts der Eilfertigkeit, mit der im neuen Glücksspielstaatsvertrag die Teilnahme an Lotto und Wetten über Internet illegalisiert wurde - vorgeblich der Suchtgefahr wegen - drängt sich mir die Frage auf, wieso private Spielhallenbetreiber und Gaststätten, die Glücksspiel an Geldspielautomaten anbieten, nicht ebenfalls gesetzlich verpflichtet werden, in Sperrverträge einzuwilligen. Die konkrete Suchtgefahr ist jedenfalls ungleich höher als bei Lotto und rechtfertigt nach meiner Auffassung in jedem Fall diesen minimalen Eingriff in die Gewerbefreiheit. Andere Berufsgruppen müssen ja schließlich auch mit den unterschiedlichsten Auflagen leben.

Wie stehen Sie zu der Problematik? Bestehen Aussichten auf eine gesetzliche Verpflichtung?

Mit freundlichen Grüßen
Sharon Schmitz

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Schmitz (Ich habe mich erkundigt. Sharon kann sowohl Frauen- wie auch Männername sein - ich hoffe daher, ich liege mit Frau Schmitz richtig),

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich bin dafür, dass insbesondere zum Glücksspiel an Spielautomaten gesetzliche Regelungen eingeführt werden. Wir erleben es leider immer wieder, dass die Politik, insbesondere diese Regierung, keine gesetzlichen Vorgaben macht, sondern auf die Selbstverpflichtung der Unternehmerinnen und Unternehmer setzt. Selbstverpflichtungen dienen in der Regel aber nur dazu, gesetzlichen Vorgaben zuvor zu kommen und den Handlungsspielraum möglichst groß zu halten und Mindereinnahmen zu verhindern. Sie widersprechen daher oft den vernünftigen Interessen nach klaren und manchmal viel engeren Regelungen. Ihr Beispiel zeigt das sehr plastisch. Die Spielautomatenaufsteller legen Infobroschüren aus und meinen damit sei genug getan. Sie zeigen Engagement, um gesetzlichen Regelungen nach Veränderung des Zugriffs auf Spielautomaten, nach der Möglichkeit sich sperren zu lassen etc. zuvorzukommen. Sie wollen Mindereinnahmen vermeiden. Es gibt aber viele Bereiche, wo es gesellschaftlich sinnvoll ist, dass es zu Mindereinnahmen kommt. Beispiele dafür sind die Tabakeinnahmen, Spirituoseneinnahmen und eben auch das Glücksspiel. Aber an diesen Stellen zeigt sich besonders ein widersprüchliches Verhalten der Regierungen. Denn an Tabak, Alkohol und Glücksspiel verdient der Staat ordentlich mit. Das heißt er folgt nicht nur Lobbyinteressen, sondern hat selbst ein Interesse, dass die Einnahmen möglichst hoch sind. Diese Logik darf die Gesetzgebung nicht beeinflussen.

Es ist erwiesen: Zwischen der leichten Verfügbarkeit und Griffnähe eines Spielangebots und einem verstärkten Nachfrageverhalten besteht ein eindeutiger Zusammenhang. Da unterscheidet sich Glücksspiel übrigens nicht von Tabak oder Alkohol. Und die Struktur der Zugänglichkeit, die Dauer der Spieleinheiten oder die in Aussicht gestellten Gewinnversprechen sind ein wichtiger Teil dieser Problematik. Es muss also auch beim Zugang angesetzt werden.

Nicht dabei vergessen sollte man, dass Spielsuchtkarrieren oft bereits bei Kindern und Jugendlichen beginnen. Da darf es nicht sein, dass über 60 Prozent der Jugendlichen unter 18 Jahren Zugang zu Glücksspielen hatten, die ihnen eigentlich erst volljährig zugänglich sein sollten. Hier müssen Regelungen gefunden werden, dass der Jugendschutz gewährleistet ist. Dies ist aber nur eine Seite der Medaille.

Die andere Seite ist, dass leider hier genauso wie bei vielen anderen Erkrankungen und schlechten Gesundheitsrisiken die sozial benachteiligten, bildungsschwachen Bevölkerungsgruppen besonders stark betroffen sind. Es ergibt wenig Sinn, ein Symptom nach dem anderen zu behandeln, anstatt tiefer zu den Ursachen vorzudringen. Sonst verschieben wir die Problematik immer nur von einem zum anderen Symptom. Wir brauchen Perspektiven für die Menschen und nicht, dass sie ihr Leben selbst als schlechtes Glücksspiel betrachten. Gerade bei der Glücksspielsucht zeigt sich doch, worum es geht. Man möchte auch einmal zu den Gewinnerinnen oder Gewinnern gehören. Daher gilt hier, was auch bei der Prävention und Gesundheitsförderung grundsätzlich gilt. Wir brauchen endlich eine Politik, die die Menschen wieder mitnimmt, eine Politik, die sozial gerecht ist, eine, die den Menschen faire Chancen bietet, die höher sind als die auf einen Lottogewinn.

Nichtsdestotrotz ist es wichtig hier gesetzliche Regelungen durchzusetzen und letztlich damit auch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zur kohärenten und systematischen Bekämpfung der Glücksspielsucht nachzukommen. Ein Antrag dazu liegt vor (16/10878) und es wird am 1.7.2009 eine öffentliche Anhörung dazu geben.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Bunge