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Martin Siebert-Schütz
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Frage von Isabel A. •

Frage an Martin Siebert-Schütz von Isabel A. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Siebert-Schütz,

gerne würden wir Ihre Position zu untenstehenden Themenkomplexen erfahren. Vielen Dank vorab für Ihre Bemühungen!

A) Mindestlohn
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Seit dem 1.1.2015 gilt Deutschlandweit der Mindestlohn von 8,50 Euro/h.
Jedoch ist der Mindestlohn nicht Flächendeckend gültig, so gilt dieser bspw. nicht für Minderjährige.
Ebenso ist erst nach 2016 eine Anhebung des Mindestlohnes im Rahmen eines Inflationsausgleiches vorgesehen.

1) Wie stehen Sie zu der Einführung eines Gesetzlichen Mindestlohnes?
2) Wie soll Ihrer Meinung nach in Zukunft mit den jeweiligen Ausnahmen verfahren werden?
3) Halten Sie den Mindestlohn von 8,50 € für ausreichend, um den Lebensunterhalt zu bestreiten?
4) Wie soll sich der Mindestlohn perspektivisch entwickeln und wie werden Sie darauf hinwirken?

B) Mindestausbildungsvergütung
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Überwiegend arbeiten Jugendliche und junge Erwachsene in Ihrer Ausbildung weit unterhalb einer Armutsgrenze.
Sie können ihr Leben nicht aus der eigenen Arbeit finanzieren. Dies beeinflusst die Wahl des Ausbildungsbetriebes, der dann nach der Nähe zum Wohnort der Eltern ausgewählt wird, da man sich nur schwer eine eigene Wohnung leisten kann, und schränkt die Möglichkeiten ein, selbstbestimmt das eigene Leben zu gestalten.

1) Setzen sie sich dafür ein, dass Auszubildende und dual Studierende eine existenzsichernde Mindestausbildungsvergütung erhalten? Wenn ja, welche Höhe streben Sie hierbei an. Wenn nein, warum nicht?
2) Welche Konzepte entwickeln Sie darüber hinaus, um Auszubildende finanziell zu Unterstützen, bzw. zu entlasten?
3) Soll auf lange Frist gesehen darüber nachgedacht werden, den Mindestlohn auch in der Ausbildung geltend zu machen? Warum/ Warum nicht?

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Antwort von
PIRATEN

A) Mindestlohn

1) Wie stehen Sie zu der Einführung eines Gesetzlichen Mindestlohnes?

Die Einführung eines gesetzl. Mindestlohnes in Deutschland ist lange überfällig. Es kann nicht sein, dass Lohndumping dazu führt, dass Arbeitnehmer trotz Ganztagsbeschäftigung von ihrer Hände Arbeit nicht leben bzw.. ihre Familie nicht ernähren können. Das zu beobachtende Lohndumping führte zu 'aufstockender Grundsicherung' - mit anderen Worten: Der Steuerzahler hat das Lohndumping finanziert. Das finde ich ebenfalls nicht gerecht.

2) Wie soll Ihrer Meinung nach in Zukunft mit den jeweiligen Ausnahmen verfahren werden?

Ohne hier in die Details gehen zu können: die Ausnahmen sind mit Recht umstritten. Deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sollten sorgfältig beobachtet und gegebenenfalls in der politischen Auseinandersetzung erneut bewertet werden.

3) Halten Sie den Mindestlohn von 8,50 € für ausreichend, um den Lebensunterhalt zu bestreiten?

Bei einer Vollzeit-Stelle hieße das: 8,50 € mal 8 Stunden pro Arbeitstag mal 5 Arbeitstage pro Woche mal 4,2 Wochen pro Monat = 1.428 € Bruttolohn pro Monat. Davon gehen ab ca. 250 € pro Monat für Lohnsteuer und Sozialversicherung. Von dem Rest in Höhe von ca. 1.180 € muss dieser Arbeitnehmer den HVV für den Arbeitsweg bezahlen und die Wohnungsmiete (ein möbliertes Untermieter-Zimmer bekommen Sie in HH nicht für 400 € incl. Heizung.) Sagen wir, es bleiben auf diese Weise rd. 600 € für Bekleidung, Verpflegung, Unterhaltskosten für Kleidung und (Arbeits-)Gerät, GEZ, Kultur, Zuzahlung zu Medikamenten und und und. ich kann es mir nicht vorstellen, dass das berechtigt als "ausreichend" bezeichnet werden kann. Man könnte entgegnen, aber HH sei ja auch ein teures Pflaster. In der Uckermark oder in der Altmark sei das Leben viel billiger. Hm, das könnte sein. Aber gibt es da Arbeitsplätze?

4) Wie soll sich der Mindestlohn perspektivisch entwickeln und wie werden Sie darauf hinwirken?

Abgesehen davon, dass die Arbeitsmarktgesetzgebung in die Zuständigkeit des Bundes fällt und auf diese Weise Gegenstand der gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit ihren Kräfteverhältnissen ist, so kann jede Landesregierung über den Bundesrat die Initiative für Veränderungen ergreifen. Das halte ich aber nicht für realistisch. In meinen Augen muss das Thema Mindestlohn immer wieder in der Öffentlichkeit diskutiert werden, um auch den Gegnern des Mindestlohnes deutlich und dauerhaft Paroli zu bieten. Die PIRATEN werden jedenfalls - ausgehend von der These, das Arbeit keine Ware ist - darauf drängen, dass der Sozialstaat aufgerufen bleibt, sich für die Schwachen der Gesellschaft einzusetzen. Das gelingt nur durch die politische Auseinandersetzung.

B) Mindestausbildungsvergütung

Ich stimme Ihnen zu, dass volljährigen Jugendlichen die Möglichkeit gegeben werden muss, sich auf eigenen Wunsch aus der ökonomischen Abhängig von ihren Eltern lösen zu können. Dies umso mehr, wenn sie sich in der Ausbildung befinden und damit zeigen, dass sie Verantwortung für sich übernehmen wollen. (Ich lasse jetzt einmal den nicht seltenen Fall außer Betracht, dass in der Realität so manche/r Jugendliche/ keinen Ausbildungsplatz findet.) Sie wissen aber, dass die Eltern verpflichtet sind, ihren Kinder eine Berufsausbildung zu finanzieren; d.h. die Gesellschaft billigt den Jugendlichen nicht ohne weiteres eine ökon. Selbständigkeit zu. Das schlägt sich nieder in der Höhe der Ausbildungsvergütungen, die zudem von Branche zu Branche differieren. (Die Situation im Bereich des dualen Studiums kann ich derzeit nicht einschätzen.)

Dies vorausgeschickt beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

1) Setzen sie sich dafür ein, dass Auszubildende und dual Studierende eine existenzsichernde Mindestausbildungsvergütung erhalten? Wenn ja, welche Höhe streben Sie hierbei an. Wenn nein, warum nicht?

Die Höhe der Arbeitsentgelte und der Ausbildungsvergütungen sind Gegenstand der Verhandlungen der Tarifvertragsparteien. Geschwächte Gewerkschaften haben nur geringe Kraft, sich hier gegenüber den Arbeitgeberverbänden entsprechend durchzusetzen. Arbeitgeber, die keine Auszubildenden finden, reagieren aber nicht automatisch mit einer Erhöhung der Ausbildungsvergütung, obwohl sie niemand daran hinderte, 'über Tarif' zu zahlen (Tarifverträge definieren nicht einen Höchstlohn, sondern einen tarifgebundenen Mindestlohn). Sollte also der Staat auch hier eine gesetzliche Untergrenze definieren? Eigentlich hätte der Staat daran ein ökonomisches Interesse - höhere Rentenversicherungsbeiträge, höhere Lohnsteuereinnahmen, in nicht geringerem Umfang eben auch geringere aufstockende Grundsicherung. Warum tut er es nicht? Weil er die Ausbildungsverweigerung der Arbeitgeber fürchtet - wie in der Phase der Jugendarbeitslosigkeit in den 1970er/1980er Jahre. Dieses staatliche Dilemma - ich komme jetzt zur Beantwortung Ihrer Frage - ist nur politisch zu lösen, so wie er es mit er Einführung des Mindestlohnes gemacht hat. Als Messlatte könnte die aktuelle Höhe der Grundsicherung gelten (wobei ich damit nicht diese Höhe als akzeptabel deklariere, sie ist halt aktuell gesellschaftlich akzeptiert) plus angemessene Wohnkosten (eine politische Untiefe, die ich aber mal bei Seite lassen will).

2) Welche Konzepte entwickeln Sie darüber hinaus, um Auszubildende finanziell zu Unterstützen, bzw. zu entlasten?

Von Mitgliedern anderer Parteien lesen Sie sicherlich an dieser Stelle, dass das dem (Ausbildungs-) Markt überlassen bleiben sollte. Dem würde ich aber widersprechen, da ich nicht finde, dass der 'Markt' hier das angemessene Instrument sein könnte. Denn der müsste eigentlich bereits erfolgreich dafür gesorgt haben, dass es aktuell keinerlei offene Ausbildungsplätze gibt. Ich kann die bestehenden Verhältnisse aber nicht grundsätzlich ändern. Aber ich könnte mich dafür einsetzen, dass es jugendspezifischen, bezahlbaren Wohnraum gibt für Auszubildende und berufstätige Jungerwachsene, deren Einkommen zu gering ist, um auf dem Wohnungsmarkt mithalten zu können.

3) Soll auf lange Frist gesehen darüber nachgedacht werden, den Mindestlohn auch in der Ausbildung geltend zu machen? Warum/ Warum nicht?

Dass Ausbildung einen allgemeinen gesellschaftlichen Wert hat mit überragender ökonomischer Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung, das wird auch der hartherzigste Arbeitgeber nicht bestreiten. Nur, er will für DIESEN Wert nicht zahlen. Der Auszubildende / die Auszubildende produziert in den Augen des Arbeitgebers keinen Wert, deswegen bekommt er/sie keinen Lohn. Richtig ist aber, der Auszubildende / die Auszubildende 'produziert' einen gesellschaftlichen Wert, nämlich seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten als Investition. DAS allerdings ist in der Gesellschaft noch nicht angekommen, die eine individualistische Brille auf der Nase hat. Wenn wir langfristig die ökonomische Entwicklung im Auge haben, so müssen wir langfristig der Berufsausbildung einen gesellschaftlichen Wert beimessen. Wer ihn zu zahlen hat (jedenfalls nicht der/die Auszubildende, auch nicht über Ausbildungskredite) muss in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung bestimmt werden. Meinen Teil trüge ich jedenfalls dazu bei.