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Martin Dörmann
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Frage von Guido F. •

Frage an Martin Dörmann von Guido F.

Sehr geehrter Herr Dörmann,

ich möchte Sie darum bitten, zu erläutern, warum Sie für das Tarifeinheitsgesetz gestimmt haben.

Falls Sie selbst noch glauben sollten, dass die SPD die Partei der Arbeitnehmer ist, was genau veranlasst sie zu diesem Glauben?

Wie bewerten Sie allgemein, dass die Regierungskoalition nun ein Gesetz verabschiedet hat, das praktisch ausschließlich dazu dient, einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern innerhalb eines Unternehmens, welches sich vollständig in staatlichem Eigentum befindet, die Wahrnehmung ihrer Rechte zu untersagen?

Wenn die Regierungskoalition die Bahn als so bedeutende Infrastruktur betrachtet, dass Arbeitskämpfe unbedingt verhindert und Arbeitnehmerrechte eingeschränkt werden müssen, warum reorganisiert sie die Bahn nicht endlich wieder und kehrt zum Beamtenstatus für deren Beschäftigte zurück?

Mit freundlichen Grüßen
Guido Friedewald

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Friedewald,

vielen Dank für Ihre Frage.

Mir ist sehr bewusst, dass es sich hier um ein sensibles Thema handelt. Sorgen werden bei kleineren Gewerkschaften ausgelöst, die keine Mehrheit der organisierten Belegschaft bilden. Zugleich will ich aber auch darauf hinweisen, dass mit dem Gesetz letztlich ein Zustand wiederhergestellt werden soll, wie er vor dem einschlägigen Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Jahre 2010 bestand. Nach der Entscheidung die Tarifeinheit aufzuheben, hatten Arbeitgeber und der Deutsche Gewerkschaftsbund die Bundesregierung aufgefordert, die Tarifeinheit per Gesetz wiederherzustellen. Beide Seiten wollen die Tarifeinheit, denn sie wissen um den Wert des sozialen Friedens in den Betrieben. Von der Tarifeinheit hat das Land 60 Jahre profitiert. Die Tarifeinheit hat dazu geführt, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber ihre jeweiligen Interessen durchsetzen und dabei immer den Ausgleich im Blick haben. Dieser Ausgleich ist ein echter Standortvorteil für Deutschland.
In der Geschichte der Bundesrepublik haben Gewerkschaften nicht nur für ihre Mitglieder gestreikt, sondern auch für gesellschaftlichen Fortschritt. Ihnen verdanken wir die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitszeitverkürzungen, Gesundheitsschutz, Weiterbildung und moderne Ansätze zur Bewältigung der demografischen Herausforderung. Das Streikrecht wird nicht angetastet. Dass die Tarifeinheit kleinen Gewerkschaften nicht schadet, zeigte sich an der Tatsache, dass die Gewerkschaft der Lokführer seit 1876 als eine der ältesten Gewerkschaften in Deutschland 60 Jahre Tarifeinheit überstanden hat.

Das Tarifeinheitsgesetz stellt sicher, dass zwei Personen für die gleiche Arbeit in einem Betrieb nicht unterschiedlich entlohnt werden, nur weil sie unterschiedlichen Gewerkschaften angehören. Das Gesetz ist eine Aufforderung zur Kooperation.
Der Grundsatz der Tarifeinheit greift nur dann, wenn es nicht gelingt, die Kollision von Tarifverträgen für die gleichen Beschäftigtengruppen zu vermeiden. In diesem Fall gilt der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft, die im Betrieb über die meisten Mitglieder verfügt. Kollisionen lassen sich dadurch vermeiden, dass die Gewerkschaften ihre Zuständigkeiten untereinander abstimmen und dafür sorgen, dass ihre Tarifverträge für verschiedene Beschäftigtengruppen gelten. Oder aber sie kommen überein, dass ein ergänzender Tarifvertrag zusätzliche Regelungen für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe vorsieht. Die Gewerkschaften können auch ihre Forderungen abstimmen und gemeinsam in einer Tarifgemeinschaft ihre Tarifverträge verhandeln oder inhaltsgleiche Tarifverträge abschließen. Innerhalb eines Dachverbandes können bestehende verbandsinterne Konfliktlösungsverfahren genutzt werden.

Zum Schutz der kleineren Gewerkschaften ist vorgesehen, dass sie gegenüber der Arbeitgeberseite ein vorgelagertes Anhörungsrecht erhalten. Zudem wird ihnen ein Recht eingeräumt, den Mehrheitstarifvertrag im Falle der Kollision nachzuzeichnen.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass die Tarifeinheit eine Verabredung im Koalitionsvertrag umsetzen soll, habe ich dem Gesetzentwurf zugestimmt. Außerdem will ich daran erinnern, dass es ausdrücklicher Wunsch des DGB und einiger Einzelgewerkschaften war, die Tarifeinheit gesetzlich zu regeln.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Dörmann, MdB