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Markus Kurth
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Frage von Markus E. •

Frage an Markus Kurth von Markus E. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Kurth,

wissen Sie eventuell weshalb man im SBG die Sanktionen auf 3 Monate festgelegt hat
und weshalb man die " einjahres Regel " bei den Sanktionen verankert hat ?
Hat man sich da etwa am Strafgesetzbuch in Richtung Vorstrafen orientiert ?
Auf welcher Grundlage wurden die Sanktionsprozentzahlen ausgerechnet ?

Es ist nachvollziehbar das Hartz 4 Empfänger sanktioniert werden sollen wenn sie bestimmte Regeln nicht einhalten. Aber das nur wenn die Sanktionen nicht völlig übertrieben sind. Das man z.B. um 10 Prozent für 3 Monate gekürzt wird,, wenn man einen persönlichen Termin aus welchem Grund auch immer nicht wahrnimmt,, ist meiner Meinung viel zu hoch angesetzt. Woher kann der Gesetzgeber z.B. wissen, daß der Arbeitgeber jemanden aus einem nicht selbstverschuldeten Grund nach 4 Wochen wieder entlassen könnte ? Auch an diesem Beispiel sind die 3 Monate viel zu überzogen.

Ich habe es erst wieder vor wenigen Tagen erlebt wie man seitens des Jobcenters zu Stellen regelrecht gezwungen wird, obwohl man diese auf freiwilliger Basis nicht antreten würde. Die Jobcenter Mitarbeiter lassen es einem deutlich spüren wer hier das sagen hat. Ich habe mal etwas von " Vermittlung auf Augenhöhe gelesen " . Noch ist das ein Wunschtraum. Hartz 4 soll fordern und fördern. Von fördern ist meiner Erfahrung nach nicht zu reden.

Ich hoffe sehr das Sie und Ihre Partei 2013 endlich etwas im Hartz 4 System verändern können. Selbst wenn nur das Sanktionssystem erheblich zugunsten der Betroffenen verbessert wird, wäre schon einiges erreicht. Dann würde sich auch automatisch in der Zeitarbeitsbranche etwas positiv verändern, weil die dann einfach weniger freiwilliges Person zu Verfügung haben.

Mit freundlichen Grüßen

M. Einzinger

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Einzinger,

vielen Dank für Ihre Frage. Auch Bündnis 90/Die Grünen sind mit den aktuellen Sanktionsregelungen bzw. der aktuellen Sanktionspraxis unzufrieden. Wie wir schon in einigen unserer Initiativen klar gestellt haben, treten wir für ein Aussetzen jeglicher Sanktionen ein, bis die Rechte der Arbeitssuchenden gestärkt wurden.

Die Sanktionsregeln, die mit Einführung des SGB II (‚Hartz 4‘) im Jahr 2005 im Gesetz verankert wurden, haben sich an der damaligen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Sanktionen in der damaligen Sozialhilfe orientiert. Eine Sanktion in Höhe von 30% über drei Monate wurde von der damaligen Rechtsprechung zur früheren Sozialhilfe als vereinbar mit dem Sozialstaatsprinzip erachtet und als rechtens anerkannt. In dieser Form wurden sie im Jahr 2005 dementsprechend Teil des SGB II. Die Sanktionsregeln wurden im Jahr 2006 von der damaligen großen Koalition verschärft. Ab 2007 wurde es möglich, Sanktionen von bis 100% auszusprechen, wenn innerhalb eines Jahres wiederholt Regelverstöße erfolgten.

Eine Orientierung am Strafgesetzbuch gab es hierbei nicht. Entscheidend war vielmehr die Rechtsprechung der Gerichte, die festlegte, in welchem Umfang Sanktionen mit dem Sozialstaatsgebot vereinbar sind. Auch hier war - zumindest bis zur Neuregelung im Jahr 2006 - die Rechtsprechung der ausschlagegebende Maßstab. Die ab 2007 geltende Möglichkeit einer Sanktion in Höhe von 100% der Regelleistung, inklusive der Leistungen für Unterkunft, sollten dagegen mutmaßlich vor allem abschreckenden Charakter haben.

Ich persönlich halte eine Kürzung unter 70% des Regelbedarfes für nicht verfassungskonform. Ab einer Kürzung von 10% sollte meines Erachtens die Möglichkeit der antragslosen Sachleistung eingeräumt werden. Diese Position vertritt im Übrigen auch der Deutsche Landkreistag. In unserem Antrag, Rechte der Arbeitsuchenden stärken (17/3207) fordern wir

a) Das geltende schärfere Sanktionsinstrumentarium gegen Menschen unter 25 Jahren zurückzunehmen.

b) Sanktionsregeln dürfen keinem Automatismus unterliegen. Eine Rücknahme der Sanktion bei Verhaltensänderung und die zeitliche Flexibilisierung der Sanktionsverhängung muss jederzeit möglich sein.

c) Werden Fähigkeiten, Wünsche und Vorschläge der Einzelnen nicht Rechnung getragen oder besteht keine Wahl zwischen angemessenen Förderangeboten, dürfen keine Sanktionen verhängt werden.

d) Wird die Aufnahme von Arbeit verweigert, die unterhalb des maßgeblichen tariflichen oder - wenn keine tarifliche Regelung vorhanden ist - des ortsüblichen Entgelts entlohnt wird, dürfen ebenfalls keine Sanktionen ausgesprochen werden.

e) Legen Hilfebedürftige Widerspruch gegen die Verhängung einer Sanktion ein, so muss dieser Widerspruch aufschiebende Wirkung haben und der Fall der Ombudsstelle vorgelegt werden;

Ich bin der Meinung, dass - die genannten Bedingungen vorausgesetzt - eine zeitlich befristete Sanktion in der von mir genannten Höhe gesellschaftlich und verfassungsrechtlich akzeptabel ist.

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