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Frage von Uwe Leopold, D. •

Frage an Lutz Knopek von Uwe Leopold, D. bezüglich Soziale Sicherung

Wie haben Sie bei der Abstimmung im Deutschen Bundestag über die von der UNO empfohlene Strafbewehrung der Abgeordnetenbestechung gestimmt? Sollte nicht jegliche Tätigkeit von Lobbyisten verhindert, zumindestens stark eingeschränkt werden, da Lobbyisten keine demokratische Legitimation durch Wahlentscheidung besitzen?
Ist ein gesetzlicher Mindestlohn, der ausreichende Beitragszahlungen in die Sozialkassen ermöglicht, nicht der einzige Weg, das Risiko von Altersarmut zu verhindern, ohne daß Arbeitgeber durch Austritt aus Tarifverbänden oder Abschluß von Werkverträgen die Ausbeutung von Arbeitnehmern durch Niedriglöhne betreiben können?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Dr. Leopold,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich wie folgt beantworten möchte:

Sofern Sie sich auf die Anträge auf den Drucksachen 17/14240 und 17/14241 beziehen, kann ich Ihnen mitteilen, dass ich diese Anträge abgelehnt habe. Die von GRÜNEN, LINKEN und SPD vorgelegten Vorschläge zur Verschärfung der strafrechtlichen Regeln für Mandatsträger konnten mich nicht überzeugen. Lassen Sie mich dazu folgendes erläutern: Die UN-Konvention gegen Korruption von 2003 ist bislang nicht von Deutschland ratifiziert worden. Eine direkte Einflussnahme auf das Stimmverhalten steht in Deutschland aber bereits sehr wohl unter Strafe. 1994 führte die seinerzeitige Bundesregierung diese Regelung unter Beteiligung der FDP ein.

Frei gewählte Abgeordneten können jedoch nicht mit weisungsgebundenen Beamten, an die sich die UN-Konvention primär richtet, gleichgestellt werden. Deswegen wurde der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB) im Strafgesetzbuch auch nicht in den Abschnitt „Straftaten im Amt“ integriert, sondern in den Abschnitt „Straftaten gegen Verfassungsorgane sowie bei Wahlen und Abstimmungen“. Anders für Beamte existiert für Abgeordnete kein klarer Pflichtenkreis. Das Grundgesetz bestimmt für die Abgeordneten des Bundestages, dass sie Vertreter des ganzen Volkes sind. Sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Das Grundgesetz garantiert den Abgeordneten die Freiheit des Mandats, und damit wie und ganz klar auch zu wessen Gunsten sie es ausüben. Der Abgeordnete kann und darf nach der Verfassung - und im Gegensatz zu Beamten - auch ganz einseitig Interessen vertreten. Ein extremes Beispiel für solch eine direkte Interessenvertretung war das ehemalige Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, Hermann Scheer, der zugleich bekanntermaßen Lobbyist der Solarwirtschaft war. Wenn ein Abgeordneter dabei die in ihn gesetzten Erwartungen des Volkes verletzt, werden er direkt oder die Partei, die ihn per Liste aufstellt, vom Volk als „Dienstherrn“ abgewählt. Des Strafrechts bedarf es für die Korrektur einer nicht volksgerechten Interessenvertretung nicht. Daher muss bei der Ratifizierung des UN-Abkommens vorsichtig vorgegangen werden, um nicht am Ende die Freiheit des Mandats zu gefährden und einer Verbeamtung der Abgeordneten den Weg zu bereiten. Ein Tatbestand, wie ihn die linken Oppositionsfraktionen fordern, wäre wegen fehlender Klarheit und unbestimmter Rechtsbegriffe verfassungsrechtlich angreifbar. Die Auslegung der verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe würde zu unklaren Ergebnissen führen. So ist kaum gesetzgeberisch festlegbar, was „ungerechtfertigte Vorteile“ für einen Mandatsträger sein sollen, ohne dass man dieser Festlegung die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des Mandats untergrübe. Denn das Grundgesetz schreibt zu recht in keiner Weise vor, wie ein Volksvertreter zu arbeiten hat.

Zum Thema Lobbyismus:

Lobbyisten sind Interessenvertreter. Dazu zählen nicht nur die häufig in diesem Zusammenhang gemeinten Vertreter von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden, sondern auch von Gewerkschaften, Kirchen, Hilfsorganisationen, Umweltorganisationen und auch Einzelpersonen, die bestimmte eigene oder fremde Interessen vertreten. Dabei kann nicht zwischen „guter“ und „schlechter“ Interessenvertretung unterschieden werden, weil die Gründe für eine Einflussnahme auf die Politik oftmals vielschichtig sind. Die jeweiligen Ziele werden auch von unterschiedlichen Gruppen unterschiedlich bewertet. Es ist gerade Teil der Politik, dass mit Vertretern unterschiedlicher Interessen gesprochen und diskutiert wird. Um Entscheidungen richtig zu treffen ist es aber richtig, dass sich die Abgeordneten nicht nur einseitig informieren. Für die Abgeordneten ist es wichtig auf der Grundlage vieler Aspekte und Argumente unterschiedlicher Interessensrichtungen schließlich die eigene Abwägungsentscheidung zu treffen.

Kontakte zu Interessenvertretern können Aspekte in die Diskussion einbringen, die zuvor nicht gesehen wurden. Teilweise werden auch Folgen gesetzlicher Regelungen dargestellt, die zuvor nicht gesehen worden waren und nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen. Dies sehen manchmal erst die durch die geplante Regelung oder die unbeabsichtigte Folgewirkung Betroffenen selbst. Solche Hinweise können dazu beitragen Gesetzentwürfe im parlamentarischen Verfahren zu verbessern. Die Anlage 2 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages trifft bereits eine Reihe von Regelungen für die Tätigkeit von Lobbyisten, unter anderem wird bereits ein Lobbyistenregister geführt. Eine Verschärfung dieser Regelungen erscheint mir vor diesem Hintergrund derzeit nicht notwendig.

Zum Thema Mindestlohn:

Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren trotz der Wirtschafts- und Finanzkrise als äußerst robust erwiesen und historisch hohe Beschäftigungsstände erreicht. Dies zeigt, dass wir einen gut funktionierenden Arbeitsmarkt haben, was nicht zuletzt an seiner Flexibilität liegt. So schlägt sich der Aufbau einfacher Arbeitsplätze im „Niedriglohnsektor“ in zusätzlicher Beschäftigung und besseren Beschäftigungschancen vor allem für viele Menschen ohne jede berufliche Qualifikation nieder. Dabei ist der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten seit 2007 sogar leicht gesunken. Der Anteil der atypischen Beschäftigten liegt seit 2005 konstant bei etwa 25%. Ein befristetes Arbeitsverhältnis ist weiterhin die Ausnahme: 9 von 10 Arbeitnehmern haben in Deutschland einen unbefristeten Arbeitsvertrag.

Unser Arbeitsmarktmodell ist erfolgreich, weil es auf Tarifautonomie und flexiblen Tarifpartnerschaften von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften basiert. Wir bekennen uns zur Tarifautonomie. Pauschale Lohnfestsetzung durch die Politik wird auch der differenzierten Arbeitsmarktlage und den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in Deutschland nicht gerecht. Deshalb lehnen wir einen allgemeinen, flächendeckenden Mindestlohn strikt ab. Er politisiert die Lohnfindung und verhindert, dass Menschen, insbesondere jüngere und diejenigen mit geringer Qualifizierung, in den Arbeitsmarkt einsteigen können. Außerdem fördert er Umgehungen wie die Schwarzarbeit. Der Mindestlohn wird damit zu einem sozialpolitischen Bumerang: Die Gruppe der Arbeitnehmer, die durch einen einheitlichen Mindestlohn geschützt werden soll, steht am Ende ohne Arbeitsplatz und mit schlechteren Einstiegschancen da.

Wer sich anstrengt, soll entsprechend seiner Leistung fair entlohnt werden, gerade auch am unteren Ende der Lohnskala. Bereits heute gibt es in Deutschland nach Tarifvertragsgesetz, Arbeitnehmerentsendegesetz und Mindestarbeitsbedingungengesetz die Möglichkeit, in einzelnen Branchen Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären oder eine Lohnuntergrenze festzulegen. Deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode für weit über zwei Millionen Beschäftigte die von Tarifparteien ausgehandelten Tarifverträge neu für allgemeinverbindlich erklärt und damit eine Lohnuntergrenze in der jeweiligen Branche gesetzt.

Diesen Weg wollen wir im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft weitergehen und die Möglichkeit für weitere Lohnuntergrenzen schaffen - im Einklang mit der Tarifautonomie. Wir werden hierfür die bestehenden Regelungen für Mindestlöhne überarbeiten und besser aufeinander abstimmen. Ansatzpunkt sind die Löhne, die von Gewerkschaften und Arbeitgebern in Tarifverträgen ausgehandelt werden. Das ist der Kern der erfolgreichen deutschen Tarifautonomie. Auch zukünftig soll die Höhe der Lohnuntergrenzen Branche für Branche festgelegt werden - dezentral und differenziert. Damit wollen wir auch die Rolle von Gewerkschaften und Arbeitgebern weiter stärken.
Wir wollen deshalb insbesondere im Arbeitnehmerentsendegesetz für alle Branchen die Möglichkeit schaffen, auf gemeinsamen Antrag der Tarifpartner und bei Zustimmung des Tarifausschusses die Lohnuntergrenze eines repräsentativen Tarifvertrags allgemeinverbindlich erklären zu lassen. Zudem wollen wir für Branchen, in denen ein repräsentativer Tarifvertrag nicht existiert, das subsidiäre Verfahren nach dem Mindestarbeitsbedingungengesetz praktikabler gestalten.

Ich hoffe, mit diesen Antworten sind Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Dr. Lutz Knopek