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Lukas Schauder
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Frage von Jochen T. •

Frage an Lukas Schauder von Jochen T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schauder ,
da sie Mitglied des Rechtspolitischen Ausschusses sind ,
möchte ich anfragen
Warum ist die Religiöse Parallellgesellschaft der Zeugen Jehovas în Deutschland überhaupt Wahlberechtigt?
Da sie die Beteiligung an Demokratischen Wahlen konsequent ablehnen und zudem Aktiv auf Mitgliederanwerbung (expandieren) aus sind, denn würden tatsächlich mehr Leute beitreten würde das ja System komplett destabillisiert, auch die Wahlkampffinanzierung würde immer der grösten Partei zufliesen. Ich hab die Zeugen gefragt warum sie nicht einfach die Nichtwählerpartei wählen, doch ihre Ältestenräte in New York verbieten das mit Begründung zur Bibel, daher leiden unter deren Tun der Rest der Wählenden Deutschen Gesellschaft

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Totzer,

vielen Dank für Ihre Frage vom 29. November 2019. Gerne möchte ich hierzu Stellung nehmen.

Das bundesdeutsche Wahlsystem ist eine der bedeutendsten Errungenschaften unseres demokratischen Rechtsstaats. Die Allgemeinheit der Wahl ist nach Art. 38 GG rechtlich garantiert, wodurch die gleichwertige Mitbestimmung und politische Teilhabe alle Bürger*innen gewährleistet wird. Davon kann niemand in diskriminierender Weise ausgeschlossen werden. Es ist also völlig unabhängig von Kategorien wie der sozialen Schicht, der Konfession, dem Geschlecht oder der Sexualität. Als Wahlrechtsgrundsatz ist diese Regelung ein unverzichtbarer Grundpfeiler der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und des sozialen Friedens in der Bundesrepublik Deutschland.

Anders als in manch anderen demokratischen Staaten, wie zum Beispiel in Australien, Belgien oder auch in Griechenland, besteht in Deutschland keine gesetzliche Wahlpflicht. Demnach obliegt es jeder einzelnen Privatperson oder auch Gruppierung selbst, sich an politischen Wahlen zu beteiligen oder auch einen leeren sowie ungültigen Wahlzettel abzugeben.

Theoretisch könnte zwar auch hierzulande nach § 13 Nr. 1 BWahlG das Wahlrecht infolge eines Richterspruchs aberkannt werden. Dies ist allerdings nur in Ausnahmefällen möglich, welche im StGB sowie im BVerfGG ausdrücklich genannt werden und gilt für zwei bis maximal fünf Jahre. Die temporäre Aberkennung des Wahlrechts kann weiterhin nur erfolgen, wenn es zur Verurteilung einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bzw. von mindestens einem Jahr gekommen ist und beispielsweise einer der folgenden Straftatbestände vorliegt:

- Vorbereitung eines Angriffskrieges sowie Hochverrat gegen den Bund
- Landesverrat und Offenlegung von Staatsgeheimnissen
- Angriff gegen Organe und Vertreter ausländischer Staaten
- Wahlbehinderung oder Fälschung von Wahlunterlagen
- Abgeordnetenbestechung
- Sabotagehandlungen an Verteidigungsmitteln.

Die strafrechtliche Sanktion der richterlichen Wahlrechtsaberkennung richtet sich dabei stets gegen Einzelne und niemals präventiv gegen ganze Personengruppen oder gar Glaubensgemeinschaften. Der Ausschluss einer Gruppierung von Wahlen, aufgrund einer bestimmten Religionszugehörigkeit, steht daher im kompletten Widerspruch zu unserer freiheitlich-demokratischer Grundordnung sowie unserer Verfassung, insbesondere Art.3 GG (Gleichheitsgrundsatz) und Art. 4 GG (Religionsfreiheit).

Ich bedanke mich nochmals für Ihr Schreiben. Für weitere Fragen oder
Anmerkungen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Lukas Schauder