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Lucy Redler
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Frage von paul m. •

Frage an Lucy Redler von paul m. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Redler,
zunächst einmal vielen Dank für all die Mühe, die Sie sich hier im Internet machen. Ihre Überlegungen finde ich äusserst interessant, nur werfen sie bei mir immer wieder Gegenfragen auf. So zum Beispiel bei Ihrer Antwort an Frau Speck:
Sie beschreiben ganz richtig, daß die "Lohnnebenkosten" die Kosten für die Gesundheit, die Rente und so weiter (Solidaritätszuschlag wäre noch zu erwähnen) beinhalten und behaupten, Kürzungen bei den "Lohnnebenkosten" würden deshalb Kürzungen bei Gesundheit und Rente bedeuten. Sie erwähnen nicht, daß effizientere Renten- und Gesundheitssysteme das selbe Versorgungsniveau leisten könnten, aber zu geringeren Kosten - womit die arbeitende Bevölkerung mehr in der Tasche hätte. Warum nicht?
Kann es sein, daß es noch wesentlich mehr Arbeitslosigkeit gäbe ohne die von Ihnen gegeisselten Reformen der Unternehmenssteuer etc?
Zum Schluss setzen Sie sich dafür ein, daß Betriebe in öffentliches Eigentum überführt werden, stärker besteuert werden, Mindestlöhne, Lohnerhöhungen etc.pp. Glauben Sie, daß Sie mit diesen Forderungen und Ansichten besonders viele innovative und arbeitsplatzschaffende Unternehmen in Ihren Wahlkreis holen oder daß Sie sie eher vergraulen? Gesetzt dem Fall daß arbeitsplatzschaffende Unternehmen Ihren Wahlkreis lieber meiden, wie sieht Ihre Strategie zur Schaffung von Arbeitsplätzen aus, die ausnahmsweise einmal nicht von der dauerleeren Kasse des Landes Berlin abhängig sind?

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Sehr geehrter Herr Maier,

vielen Dank für Ihre Mail. Sie stellen mir Fragen zur Sozialversicherung, zur Unternehmenssteuerreform und der Arbeitsmarktpolitik. Mit Blick auf Ihre Frage zum Renten- und Gesundheitssystem kann ich Sie beruhigen, ich habe nichts gegen ein effizientes Versorgungsniveau. So ist beispielsweise die Pharmaindustrie im Gesundheitsbereich ein wesentlicher Kostentreiber und dies nicht selten mit zweifelhaften Methoden. Hier ließe sich einiges einsparen, wenn die Politiker der etablierten Parteien sich nur trauen würden, der Pharmalobby etwas fester auf die „Finger zu klopfen“. Trotz dieser Potentiale, auf der Ausgabenseite zu sparen, bleibe ich jedoch dabei, dass die Krise der Sozialversicherungssysteme im Wesentlichen hausgemacht ist und auf der Einnahmenseite besteht. Während die Ausgaben am Bruttoinlandprodukt nur moderat gestiegen sind, wurden vor allem die Einnahmen beschnitten (insbesondere natürlich durch die zunehmende Arbeitslosigkeit aber auch durch die Senkung der Arbeitgeberbeiträge).

Ihre Fragen zur Unternehmenssteuerreform und zu meiner Strategie, Arbeitsplätze zu schaffen, kann ich vielleicht im Zusammenhang beantworten. Etwas vereinfacht dargestellt, scheinen Sie die Theorie zu vertreten, dass es den Unternehmen und Reichen im Land „gut“ gehen muss, damit Arbeitsplätze entstehen und der Wohlstand für alle steigt. Diese These wird in der Tat von vielen vertreten und gehört zum Kern des neoliberalen Credos: Sinken die Unternehmenssteuern wird investiert und alle profitieren, werden die Unternehmen stark vom Staat reguliert (z.B. durch Mindestlöhne oder Umweltauflagen), reduziert dies die unternehmerische Initiative und Arbeitsplätze werden verlagert oder abgebaut. Das Problem ist hier nur, dass die meisten Volkswirtschaften seit mehr als zehn Jahren genau diesem Credo folgen und wir an Stelle von Lebensstandardsteigerung für alle so etwas wie „jobless growth“ beobachten. Die Gewinne der Unternehmen steigen in gleichem Maße wie die Massenarbeitslosigkeit. Die versprochenen Investitionen bleiben aus. Das neoliberale Dogma wird inzwischen von vielen Seiten für gescheitert erklärt. Obwohl die Reichen immer reicher werden, wird nicht zugleich mehr investiert und Arbeitsplätze geschaffen. Meine Vorschläge zielen darauf ab, diesen Reichtum wieder einer sinnvollen Verwendung zuzuführen: Mindestlöhne erhöhen den Lebensstandard (und zugleich die kaufkräftige Nachfrage), die Einnahmen aus höheren Unternehmenssteuern können in sinnvolle öffentliche Investitionen umgesetzt werden. Die WASG fordert in diesem Zusammenhang für Berlin die Schaffung von 10.000 Arbeitsplätzen im Öffentlichen Dienst in den Bereichen Bildung, Integration und Sprachförderung. Zudem trete ich für eine Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle durch Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich ein. Dies sind nur einige Eckpunkte, von denen ich allerdings glaube, dass mit ihnen Arbeitsplätze geschaffen werden können. Natürlich geht das zu Lasten der Profite der Unternehmen. Ein Festhalten am neoliberalen Credo führt meines Erachtens dagegen mit großer Sicherheit zu weiterer Arbeitsplatzvernichtung und sinkendem Lebensstandard. In der Hoffnung, Ihre sehr umfassenden Fragen zumindest ein wenig beantwortet zu haben verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen,

Lucy Redler