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Lucy Redler
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Frage von paul m. •

Frage an Lucy Redler von paul m. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Redler,

danke für Ihre ausführliche Antwort. Allerdings habe ich da noch ein paar weitere Fragen, die sich unmittelbar anschliessen:

Sie behaupten, daß die Verwendung des Mehrproduktes nicht von der gesamten Gesellschaft bewusst und demokratisch vorgenommen würde. Jetzt ist es doch so, daß dieses "Mehrprodukt" ja auch nicht von "der Gesellschaft" verantwortet wurde, sondern von einer Gruppe von Privatpersonen. Aus welchem Grund sollten diese Kapitalisten ihr Kapital riskieren und Arbeitsplätze bzw. Einkommen schaffen, wenn sie nachher das "Mehrprodukt" verteilen sollen?

Sie behaupten weiter, in der Geschichte des Kapitalismus habe es nie ein "gerechte" Aufteilung von Gewinnen und Löhnen gegeben oder ein stabiles Gleichgewicht. Demnach die Frage: Wer soll denn bestimmen, was "gerecht" ist? Haben Sie dafür objektive, wissenschaftlich fundierte Masstäbe oder soll ein machthabendes Gremium über den Grad von Gerechtigkeit entscheiden? Und wie kommen Sie darauf, daß dadurch irgendetwas gerechter werden könnte?

Abschliessend sind Sie der Meinung, dass hohe Unternehmensgewinne nicht Ausdruck einer gesunden, funktionierenden Gesellschaft sind. Dem möchte ich Sir Winston Spencer Churchhill entgegenhalten, der sagte: "Der Sozialismus behauptet, Profite seien ein Übel; ich bin dagegen der Ansicht, Defizite seien ein Übel." Vor dem Hintergrund der wachsenden Staatsverschuldung, die eine schreiende Ungerechtigkeit gegenüber unseren Kindern darstellt würde mich schon intressieren, wie Sie eine Defizitwirtschaft als "gerecht" ansehen können.

Mit freundlichen Grüssen,

Paul Maier

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Sehr geehrter Herr Maier,

die Kapitalisten schaffen keineswegs die Produkte. Nur durch menschliche Arbeitskraft werden Werte geschaffen. Dass einer Minderheit der Menschen die Produktionsmittel gehören, ändert nichts daran, dass die Mehrheit aus Produzierenden, Lohnabhängigen besteht. Ohne diese wäre keine Produktion vorstellbar. Ohne Kapitalbesitzer sehr wohl. Kapitalbesitzer schaffen auch kein Einkommen. Sie bezahlen dem Arbeiter einen Teil des durch seine Arbeitskraft geschaffenen Wertes aus und eignen sich den Mehrwert (den sie dann reinvestieren bzw. privat nutzen).

In einer kapitalistischen Gesellschaft findet beständig ein Kampf um die Verteilung des Mehrprodukts statt (über Tarifauseinandersetzungen, Steuerpolitik usw.). Insofern eignen sich die Kapitalbesitzer nie das gesamte Mehrprodukt privat an. Allerdings sind sie mit der neoliberalen Politik dazu übergegangen, ihren Anteil durch Lohndumping und einen Rückzug aus der Finanzierung des Staates zu erhöhen.

Insofern kann es auch keine "gerechte" Aufteilung von Gewinnen und Löhnen im Kapitalismus geben, sondern nur eine für die arbeitenden Menschen mehr oder weniger günstige. Das System der privaten Aneignung ist vom Prinzip her ungerecht, zudem historisch überkommen und ein Hemmnis für den gesellschaftlichen Fortschritt.

Da sie die Staatsverschuldung ansprechen: die Rekordprofite der letzten Jahre sind genau die Ursache, warum die Verschuldung der öffentlichen Haushalte, der Sozialversicherungen und auch der privaten Haushalte zunimmt. In den letzen Jahren haben wir eine gewaltige Umverteilung zu Gunsten der Kapitalbesitzer gesehen. Die Steuer- und Abgabenbelastung für die Lohnabhängigen ist gestiegen, Reallöhne gesunken. Unternehmensprofite und Defizite der öffentlichen Hand sind zwei Seiten einer Medaille. Die Risikoabschirmung zu Gunsten der Aktionäre der Berliner Bankgesellschaft z.B. reißt riesige Löcher in die Kassen des Landes.

Hohe Profite bei gleichzeitiger öffentlicher Pleite und sinkenden Löhnen sind Ausdruck der Krisenhaftigkeit und Rückschrittlichkeit des Kapitalismus. Dieses System ist nicht in der Lage, ein wirtschaftliches Gleichgewicht herzustellen und Perspektiven zu bieten.

Es ist eine Legende, dass "den Kindern" Schulden hinterlassen werden. Tatsächlich, viele Menschen hinterlassen ihren Kindern Schuldern, Politikern hinterlassen den Bürgern Schulden. Aber gleichzeitig hinterlassen die reicher gewordenen Reichen und Aktionäre ihren Kindern gewaltige private Reichtümer. Defizite sind kein Generationen-Problem, sondern ein Klassenproblem. Privater Reichtum bedingt öffentliche Armut, das ist heute so und wird auch in zukünftigen Generationen so sein, wenn keine grundlegende Veränderung stattfindet.

Mit freundlichen Grüssen,
Lucy Redler