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Frage von Ralf S. •

Frage an Lothar Binding von Ralf S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding,

meine Frage spricht eine Diskrepanz bei Einkommensteuer und Umweltschutz und daraus folgende Nachteile für unsere Umwelt sowie für den Steuerzahler an.

Laut Auskunft des Finanzamtes ist es so, dass ein Selbständiger bei seiner Einkommensteuer lediglich 0,05 Cent pro gefahrenem Kilometer geltend machen kann, falls er mit dem Fahrrad fährt.

Fährt er mit dem Auto, so kann er 30 Cent pro gefahrenem Kilometer geltend machen. Das ist sage und schreibe das 600-fache !

Dies bedeutet, daß ein Selbständiger, der die Umwelt schützen und auch sein Ausgabe-Budget schonen möchte und deshalb zu seinen weiter gelegenen Kunden mit dem Fahrrad fährt, im darauffolgenden Jahr in der Einkommensteuererklärung bestraft wird, weil er vom zu versteuernden Einkommen nur schlappe 0,05 Cent pro Kilometer abziehen darf.

Mein Vorschlag wäre nun, daß man den Radfahrer für sein Umwelt-Engagement belohnt und ihm in den Sommermonaten einen Abzug von 30 Cent pro Kilometer gewährt und dem Autofahrer 25 Cent pro Kilometer (5 Cent weniger, da dieser CO2 ausstößt und damit die Umwelt belastet).

In den Wintermonaten (Oktober bis März), wo erhöhte Verletzungsgefahr für Radfahrer besteht (winterglatte Straßen und Schmuddelwetter) sollte es dann so sein, daß man dem Autofahrer 30 Cent gibt und dem Radfahrer 25 Cent pro gefahrenem Kilometer.

Da Sie Mitglied im Ausschuß für Finanzen sind, geht hier die Bitte an Sie die Steuergesetzgebung im Bundestag dementsprechend zu ändern.

Dies mag an einer Stelle sein, an die man gar nicht so oft hinschaut, weil die Lobby für die Radfahrer in D (leider) nicht so groß ist, ich glaube aber dennoch, daß man hier der Umwelt einen guten Dienst erweisen würde, weil dann mehr Menschen dazu animiert würden auf das Fahrrad umzusteigen.

Werden Sie den Mißstand ändern ?

Für Ihre Antwort jetzt schon vielen Dank

Mit freundlichen Grüßen

R. Schaufler

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schaufler,

für Ihre Anregungen zu den Erstattungsregelungen für Fahrtkosten mit Privatfahrzeugen danke ich Ihnen recht herzlich. Ihre Zielsetzung, Umweltschutz und Einkommensteuerrecht miteinander zu verknüpfen, verstehe ich gut. Auch ich fahre als überzeugter „Fahrradlobbyist“ mit dem Fahrrad zu Terminen in Berlin oder im Wahlkreis, so oft es mein Zeitplan, Entfernung und Wetter zulassen.

Aus fachlichen Gründen kann ich Ihrem Vorschlag allerdings nicht zustimmen, weil er auf eine einkommensteuerrechtliche Privilegierung eines bestimmten Verkehrsmittels – des Fahrrads – abzielt. Zudem würde er jene benachteiligen, die einen weiteren Weg zur Arbeitstätte oder zum Kunden zurücklegen oder notwendige Betriebsmittel transportieren müssen und daher auf ein Auto angewiesen sind.

Richtgröße für die angesprochenen Regelungen im Einkommensteuergesetz ist allerdings nicht die Wahl des Fahrzeugs oder die zurückgelegte Entfernung, sondern das Leistungsfähigkeitsprinzip. Dieser Grundsatz bedeutet, dass jeder gemäß seiner individuellen ökonomischen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen soll. Er erfährt seine Ausgestaltung im sog. objektiven Nettoprinzip, demzufolge nur das Erwerbseinkommen, also Erwerbseinnahmen vermindert um Erwerbsausgaben oder Betriebskosten, besteuert werden.

Die mit der Einkommensteuererklärung realisierte pauschale Berücksichtigung von Kosten für die Nutzung eines Beförderungsmittels mildert also die Belastungen ab, die dem Einzelnen entstehen. Bei einem Selbständigen Unternehmer sind deshalb Betriebskosten abzugsfähig, mindern also den Gewinn und damit die zu bezahlenden Steuern. Zu diesen Belastungen gehören etwa Kraftfahrzeugsteuern, Kosten für Benzin, die Versicherung oder eventuelle Reparaturen, für Abnutzung oder für die Kreditaufwendungen. Die Kostenerstattung schützt somit die persönliche Leistungsfähigkeit, indem sie tatsächlich anfallende Ausgaben pauschal berücksichtigt. Sie ist insofern keine „Prämie“ für die Nutzung eines umweltschädigenden Verkehrsmittels, sondern ein Instrument, um individuelle Belastungen zu mindern. Dabei kommt die "Pauschalierung" nur aus Gründen der Vereinfachung zu Anwendung. Sonst müsste jeder Cent nachgewiesen, belegt und abgerechnet werden. Diese große Verwaltungsvereinfachung rechtfertigt die Unschärfe in der Berechnung.

Dieser Grundsatz hinsichtlich Leistungsfähigkeitsprinzip bzw. Erwerbseinkommen bedeutet für den Radfahrer, dem geringere Belastungen entstehen, dass er auch nur geringere Kosten steuerlich geltend machen kann. Obwohl ich mein Fahrrad selbst so oft wie möglich nutze, fühle ich mich angesichts der geringeren Fahrtkostenerstattung allerdings nicht „bestraft“, wie Sie schreiben. Ich glaube vielmehr an den langfristigen „Mehrwert“ des Fahrradfahrens. Es ist gesünder für mich und die Umwelt, verursacht geringere Kosten, ist auf Kurzstrecken häufig schneller als Auto oder Bahn. Würde man Ihren Vorschlag weiterentwickeln, müsste man sicherlich auch eine Regelung für Menschen finden, die zu Fuß zur Arbeit gehen. Ein Wegegeld für diese Personengruppe, die ja zweifellos die geringsten Umweltbelastungen verursacht, wäre nicht nur mit unkalkulierbaren Risiken für den Bundeshaushalt verbunden und würde unser Ziel der Haushaltskonsolidierung gefährden, wir würden uns auf den Pfad weiterer Sondertatbestände bzw. Ausnahmen im Steuerrecht begeben. Mein Ziel ist es aber gerade, Ausnahmen abzuschaffen und wieder stärker zu einer systematischen Besteuerung zurück zu finden.

Wenn ich an die langwierigen und komplizierten Verhandlungen im Haushaltsausschuss denke, fällt es mir gleichwohl sehr schwer, an eine einfache und schnelle Neuordnung des Steuerrechts zu glauben. Aus meiner Arbeit im Finanz- und im Haushaltsausschuss kenne ich die Komplexität unseres Steuersystems und seine Verteilungs- und Lenkungswirkungen und weiß, dass die scheinbar einfachen und logischen Änderungsvorschläge häufig nicht halten können, was sie versprechen. Das hängt auch damit zusammen, dass wir unser gesetzgeberisches Handeln auf unser Land konzentrieren, Unternehmen aber weltweit denken und grenzüberschreitend agieren.

Ich hoffe, dass Sie meine Überlegungen teilen können, und verbleibe

mit freundlichem Gruß, Ihr Lothar Binding