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Frage von Blaise E. •

Frage an Lothar Binding von Blaise E. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Binding,

ich habe drei letzte Frage zu der Beschränkung der Verlustabzugsberechtigung bei Termingeschäften bei Privatanlegern.

Beispiel - Privatanleger 1:

Gewinne aus Termingeschäften 2021: 100.000 €
Verluste aus Termingeschäften 2021: 90.000 €
Wirtschaftlicher Gewinn: 10.000 €
Verrechenbare Verluste: laut dem neuen Gesetz nur 10.000 €
Zu versteuernder Gewinn: 90.000 €
Steuerlast (Abgeltungssteuer und Soli): 23.737,50 €

In diesem Beispiel führt die neue gesetzliche Regelung also bei Privatanleger 1 dazu, dass er mehr Steuern zahlt, als er Gewinn erwirtschaftet hat. Inwieweit halten Sie das Ergebnis für verfassungsrechtliche gerechtfertigt und jenseits der rechtlichen Beurteilung für gerecht und fair?

Beispiel - Privatanleger 2:

Gewinne aus Termingeschäften 2021: 30.000 €
Verluste aus Termingeschäften 2021: 20.000 €
Wirtschaftlicher Gewinn: 10.000 €
Verrechenbare Verluste: laut dem neuen Gesetz nur 10.000 €
Zu versteuernder Gewinn: 20.000 €
Steuerlast (Abgeltungssteuer und Soli): 5.275 €

In diesem Beispiel hat der Privatanleger 2 faktisch und wirtschaftlich genau so viel Gewinn im Steuerjahr erwirtschaftet, wie Privatanleger 1 (jeweils 10.000 €). Privatanleger 2) zahlt jedoch nur 5.275 € Steuern während Privatanleger 1) 23.737,50 € steuern zahlt.
Inwieweit begründen Sie, dass diese steuerliche Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich zulässig ist und zudem auch jenseits der rechtlichen Beurteilung gerecht und fair ist?

Beispiel - Privatanleger 3:

Privatanleger 3 investiert ausschließlich langfristig und breit gestreut in Aktien, da er auf seinem Sparbuch keine Zinsen mehr bekommt. Da Privatanleger 3 risikoscheu ist, nutzt er Short-Optionsscheine auf den DAX, um sein Depot vor Marktrisiken wie einem Börsencrash zusätzlich vor fallenden Kursen abzusichern (sog. Marktneutrale-Anlagestrategie für Risikoscheue).

Gewinn aus Aktiendepot 2021: 30.000 €
Verlust aus Optionscheinen (Absicherung des Marktrisikos): 25.000 €
Wirtschaftlicher Gewinn: 5.000 €
Verrechenbare Verluste: laut dem neuen Gesetz 0 €
Steuerbarer Gewinn: 30.000 €
Steuerlast (Abgeltungssteuer und Soli): 7.912,50 €

Da Verluste aus Termingeschäften nicht mit Gewinnen aus einem Aktiendepot verrechnet werden dürfen, muss der Risikoscheue Privatanleger 3 nach der neuen Regelung mehr Steuern zahlen, als er wirtschaftlich Gewinn gemacht hat.
Inwieweit halten Sie dieses Ergebnis für verfassungsrechtliche Zulässig und für Sinnvoll und fair?

Ich kann Sie und die SPD nur dringend bitten, die neue Regelung erheblich zu überarbeiten. Eine Klagewelle ist ansonsten garantiert und die Empörung der Privatanleger groß.

Portrait von Lothar Binding
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Herr El Mourabit,
vielen Dank auch für Ihre zweite Frage zum § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG. Wie Sie meiner vorangegangenen Antwort entnehmen, sind alle relevanten Fragestellungen im Kontext der Regelung aufgrund der hier gestellten, nahezu inhaltsgleichen Fragen bereits diskutiert worden.
Auch die von Ihnen geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken wurden bereits aufgegriffen: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/lothar-binding/fragen-antworten/327679 . Daran sei hier noch einmal erinnert: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat 2016 die Verfassungskonformität der Verlustabzugsbeschränkungen bei betrieblichen Termingeschäften in § 15 Abs. 4 EStG geprüft. Die Begründung für das Urteil vom 28. April 2016 (IV R 20/13) lässt sich auf die Verlustabzugsbeschränkungen bei privaten Termingeschäften übertragen. Es heißt: Die Regelung ist verfassungskonform, weil den Steuerpflichtigen eine entsprechende Verlustnutzung in zukünftigen Jahren grundsätzlich möglich ist. Verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, dass sich ein Verlust steuerlich schon im Veranlagungsjahr seiner Entstehung auswirken muss. Auch bei privaten Termingeschäften ist ein unterjährig begrenzter Verlustabzug innerhalb der gleichen Einkunftsart möglich und auch hier gilt, dass ein Verlust sich steuerlich nicht schon im Veranlagungsjahr seiner Entstehung auswirken muss. Allerdings ist es so: ob eine Norm verfassungskonform ist oder nicht, stellt das Verfassungsgericht fest, auch wenn ich noch so fest das eine oder andere behaupte… und das geht Ihnen ähnlich.
Zum Abschluss unseres Dialogs möchte ich Ihnen hier noch ein aktuelles Beispiel zitieren, das den spekulativen und riskanten Charakter von Termingeschäften illustriert, sofern sie nicht zur Absicherung eingesetzt werden. Und Privatleute setzen Termingeschäfte, häufig aus Mangel an Rechnerkapazitäten und Know-How, nicht zur Absicherung, sondern zum Zocken ein. In dem Artikel wird ein Trader vorgestellt, der mit Terminkontrakten für Öl durch Spekulation einen hohen Gewinn erzielen will. Da sich die Preise für die Kontrakte sogar in den Minusbereich entwickeln, entstehen ihm über Nacht ca. 9 Mio US-$ Schulden. Mit welcher Begründung sollten diese Verluste unbegrenzt steuerlich berücksichtigt bzw. geltend gemacht werden können? Der Trader hatte noch einmal Glück, denn aufgrund eines technischen Fehlers auf Seiten des Anbieters muss er die Verluste nicht begleichen.
https://www.focus.de/finanzen/boerse/verrueckte-geschichte-spekulant-kauft-oel-fuer-einen-cent-und-wacht-mit-9-millionen-dollar-schulden-auf_id_11981404.html?rnd=ed3
Ob die Zahlungen des Anbieters und auch der anderen Beteiligten an diesem „Geschäft“ steuerwirksam wurden, ist mir nicht bekannt.
Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding