Portrait von Lothar Binding
Lothar Binding
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Lothar Binding zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Stefan R. •

Frage an Lothar Binding von Stefan R. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Binding,

ergaenzend zu meiner Frage nach dem Kindergeld noch eine weitere Frage zum Existenzminimum bei Kindern.

Die Harz IV Leistung fuer Kinder betraegt bis 14 Jahre 208 Euro/Monat, ab 14 von 278 Euro pro Monat (Quelle Wikipedia). Dazu kommen noch die Kosten fuer die Unterkunft (Warmmiete). Da einem Kind nach Harz IV 10 m2 zustehen, und diese hier in Heidelberg mindestens 5 Euro pro m2 + 20 Euro Heizkosten pro Kind und Monat kosten, kommt man auf eine jaerliche Leistung von 3336 Euro fuer Kinder unter 14 und 4176 Euro fuer Kinder ueber 14. Ich unterstelle mal, dass die Harz IV Leistung dem Existenzminimum entspricht.

Die Steuerpauschale fuer Kinder betraegt aber nur 1824 Euro fuer das saechliche Existenzminimum und 1080 fuer Betreuungs, Erziehungs und Ausbildungsbedarf. Insgesamt somit nur 2908 Euro. Wie geht dieser Unterschied mit der Entscheidung des Bundessverfassungsgerichtes zusammen, dass das Existenzminimums eines Menschen steuerfrei sein muss?

Wenn man dieselbe Rechnung fuer einen Erwachsenen macht, kommt man auf folgendes: Harz IV Leistung 4164 Euro + angenommene Warmmiete von 300 Euro: 7764.- Das steuerfreie Existenzminimum betraegt hierbei 7.356.-

Warum wird bei Erwachsenen das tatsaechliche Existenzminimum steuerfrei gestellt, bei Kindern aber nur 70% davon?

Laut Abgeortnetenwatch sind Sie sowohl indem Finanzausschuss als auch in dem fuer Familie und Soziales und koennen mir diese Diskrepanz sicher erklaeren.

Mit freundlichen Gruessen,
Stefan Richter

Portrait von Lothar Binding
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Richter,

vielen Dank für Ihre zweite weiterführende Frage.

Wie in meiner ersten Antwort angesprochen, gibt die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern.
Gegenstand dieses Existenzminimumsberichts ist die Darstellung der maßgebenden Beträge für die Bemessung des streuerfrei zu stellenden Existenzminimums.

Der Sechste Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2008 (Bundestagsdrucksache 16/3265) kommt zu dem Ergebnis, dass der Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag ausreichen, um das sächliche Existenzminimum von Erwachsenen und Kindern steuerfrei zu stellen. Der Freibetrag bei Kindern ist allerdings im Vergleich niedriger – ich stimme Ihnen zu.

Hintergrund: Sie erwähnen richtig, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Steuerpflichtigen nach Erfüllung seiner Einkommensteuerschuld von seinem Erworbenen zumindest soviel verbleiben muss, wie er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen seiner Familie bedarf. Der im Sozialhilferecht anerkannte Mindestbedarf ist die Maßgröße für das einkommenssteuerliche Existenzminimum.

Das gilt sinngemäß auch für die Ermittlung des sächlichen Existenzminimums eines Kindes. Da die steuerliche Leistungsfähigkeit von Eltern über den existenziellen Sachbedarf und den erwerbsbedingten Betreuungsbedarf hinaus generell durch den Betreuungs- und Erziehungsbedarf eines Kindes gemindert wird, ist dieser Bedarf im Steuerrecht – zusätzlich zum sächlichen Existenzminimum – zu verschonen.

„Seit 2007 wird als Datenbasis nicht mehr das frühere Bundesgebiet sondern Gesamtdeutschland zugrunde gelegt. Um zu verhindern, dass die Einbeziehung des niedrigeren Mietenniveaus der neuen Länder zu einem Rückgang des Existenzminimums führt, wurde eine auch sachlich gebotene Modifizierung der Berechnung der zu berücksichtigenden Unterkunftskosten vorgenommen. Die Leistungen im Sozialhilferecht richten sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Bedarfes, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt (vgl. § 9 Abs. 1 SGB XII).

Die Hilfe zum Lebensunterhalt wird vor allem durch die Regelsätze bestimmt und umfasst auch – unter dem Vorbehalt der Angemessenheit – die jeweiligen tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung. Darüber hinaus können Leistungen zur Deckung eines einmaligen oder individuellen sozialhilferechtlich anerkannten Sonderbedarfs erbracht werden:

Hierzu zählen insbesondere Leistungen für
- Erstausstattung der Wohnung,
- Erstausstattung mit Bekleidung,
- Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt,
- mehrtägige Klassenfahrten sowie
- Mehrbedarfszuschläge für bestimmte Gruppen von Hilfesuchenden.

Im Einkommensteuerrecht wird hingegen der existenzsichernde – anders als der erwerbssichernde – Aufwand in typisierender Form berücksichtigt. Daher können die zuvor genannten einzelfall- bzw. gruppenbezogenen Sonderbedarfe auch nicht mitberücksichtigt werden. Auf dem Wohnungsmarkt besteht ein beachtliches Preisgefälle für existenznotwendige Aufwendungen.

Es ist uns nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in diesem Sonderfall möglich, sich bei der Bemessung des steuerfrei zu stellenden Betrages hinsichtlich der Wohnkosten an einem unteren Wert zu orientieren, wenn er zugleich zur ergänzenden Deckung des Bedarfes, nach dem Einzelfall bemessene Sozialleistungen, wie etwa Wohngeld, zur Verfügung stellt (vgl. BVerfGE 87, 153 [172]).

Die steuerliche Freistellung des Kinderexistenzminimums kann durch Gewährung von Freibeträgen und/oder die Zahlung von Kindergeld erfolgen. Entscheidend dabei ist, dass die Steuerpflichtigen im Ergebnis mindestens so gestellt sind, wie sie es wären, wenn die kindbedingte Verminderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit allein durch einen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abzuziehenden Freibetrag Berücksichtigung fände – aus Gründen der horizontalen Steuergerechtigkeit im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 99, 246 [263 ff.]).“

Dieses Zitat finden Sie unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/032/1603265.pdf ). Hier finden Sie auch weiterführende Informationen. Eine sehr schöne Erklärung finden Sie auch bei der Friedrich Ebert Stiftung unter http://library.fes.de/fulltext/frauen/00698002.htm.

Mit diesem Hinweis bitte ich Sie Ihre Rechnungen bzw. Zahlenangaben und Vermutungen noch mal zu überprüfen.

In der Hoffnung, bei der Klärung Ihrer Fragen behilflich gewesen zu sein, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Ihr Lothar Binding