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Frage von Eike Bengt N. •

Frage an Lothar Binding von Eike Bengt N. bezüglich Finanzen

Leider frustriert es mich wirklich, wenn ich höre, dass unser sozialdemokratischer Finanzminister nicht aktiv eine umfangreiche Finanztraksaktionssteuer (insbesondere auf riskante Derivate!) angeht.

Auch die bremsende Position der Bundesregierung in der Frage nach einer länderbezogenen Steuerberichterstattung in Europa macht mich sprachlos.

Könntest Du mir vielleicht ein Stimmungsbild der SPD-Bundestagsfraktion zu diesem Thema geben?

Oder vielleicht Gründe nennen, warum Olaf Scholz nicht (mehr?) dafür brennt?

Gerade in Hinblick auf die anstehenden Europawahlen ist es für mich unverständlich, warum von der SPD geforderte Reformen (also der Wunsch nach einer Finanztransaktionssteuer z.B.) nicht mutig angegangen werden. Warum wird letztlich doch eingeknickt?

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Antwort von
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Liebe Frau N. ,

zunächst eine Antwort zur Finanztransaktionssteuer (FTS):

Bei der Finanztransaktionssteuer – leider noch immer nicht eingeführt – handelt es sich um eine Steuer, die auf Handel mit Wertpapieren oder Derivaten erhoben wird. Damit ist sie ein Instrument zur Eindämmung von komplexen Finanzinnovationen und spekulativen Finanzgeschäften wie etwa Hochfrequenzhandel, Arbitrage und exzessiven Hebel- und Spekulationsgeschäften, weil wir hoffen, dass sich dann bestimmte Geschäfte nicht mehr lohnen. Ein Allheilmittel ist die FTT nicht, aber eine Steuer ist ja im wesentliche auch dafür gedacht, die notwendigen Einnahmen des Staates oder vielleicht Europas zu sichern. Deshalb wird die Einführung einer Finanztransaktionssteuer durch eine Gruppe von EU-Mitgliedstaaten diskutiert. In Italien und Frankreich werden bereits Finanztransaktionssteuern auf bestimmte Produktgruppen erhoben. Leider in Italien und Frankreich auf unterschiedliche Produkte. Das macht eine gemeinsame Lösung nicht einfach.

Es existiert allerdings bereits ein – ich finde sehr guter – Richtlinienvorschlag der europäischen Kommission zur Finanztransaktionssteuer aus dem Jahr 2013. Der Richtlinienvorschlag sieht vor, dass die laufenden Finanztätigkeiten von Bürgern und Unternehmen von vornherein nicht der Finanztransaktionssteuer unterliegen. Dies gilt bspw. für den Abschluss von Versicherungsverträgen, Hypothekendarlehen oder Verbraucherkrediten. Diese Finanztätigkeiten finden auf sogenannten Primärmärkten statt, die nicht von der Steuer betroffen sind. Das gilt ebenfalls für Transaktionen, die auf Giro-und Banksparkonten stattfinden.

Hauptadressat für die Steuer sind gemäß des Richtlinienvorschlags die Finanzinstitute, also u.a. Banken, Investmentfonds und Versicherungen. Auf sie wird und soll die Hauptlast der Steuer entfallen. Nach Angaben der europäischen Kommission werden über 90 Prozent der für die Steuer wichtigen Transaktionen ausschließlich zwischen Finanzinstituten, ohne Kundenbeteiligung abgewickelt. Natürlich ist nicht zu vergessen, dass schließlich am Ende stets die Kunden die Steuer bezahlen, wie die Gehälter der Manager, die Boni, die Gewinne, die Gehälter für das sonstige Personal…

Aktuell berät sich Bundesfinanzminister Scholz mit Kollegen aus 10 weiteren EU-Mitgliedsstaaten in Bezug auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in den beteiligten Ländern. „Aktuell“… allerdings hat auch schon Bundesfinanzminister Schäuble seit vielen Jahren an solchen Sitzungen teilgenommen. Nun hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass es nicht genügt zu sagen: einigt Euch, dann machen wir mit. Nein, wenn ein Mitgliedsland der EU keine Aktienderivate, das andere Mitgliedsland keine Zinsderivate und das dritte Land keine Altersvorsorgeprodukte in die Besteuerung einbeziehen will… gibt es keine Einigung ohne ganz neuen Vorschlag. Um diese Verknotung aufzulösen, hat sich Olav Scholz für einen ersten Schritt ausgesprochen: mit den Franzosen gemeinsam das französische Modell in der Verstärkten Zusammenarbeit voranzubringen. Eine Erläuterung zur französischen Situation finden Sie unter https://de.wikipedia.org/wiki/Finanztransaktionssteuer

Das Gute daran: Es soll (endlich) ein erster Schritt in Richtung FTT gegangen werden, wir wollen einen Einstieg finden. Das Schlechte daran ist, dass es nach unserem Verständnis keine „echte Finanztransaktionssteuer“ ist. Natürlich wäre auch eine nationale FTT denkbar – aber solange Hoffnung auf eine Europäische Lösung besteht, sind nationale Alleingänge absolut kontraproduktiv.

Nun meine Antwort zum Public Country-by-Country-Reporting (pCbCR) bzw. zur
Öffentlichen und länderübergreifenden Berichtspflicht über Gewinne und Steuern

In einem zweiten Punkt geht es Ihnen um die „öffentliche und länderübergreifende Berichtspflicht über Gewinne und darauf gezahlte Steuern“. In der Fachsprache sprechen wir dabei vom öffentlichen oder public Country-by-Country-Reporting (pCbCR) internationaler Konzerne.

Unter einem Country-by-Country-Reporting wird eine länder-bezogene Berichterstattung internationale Konzerne über ihre Gewinne, Umsätze und Steuerzahlungen verstanden. Es geht dabei um 19 Parameter, Kennzahlen aus der Bilanz.

Das Country-by-Country-Reporting (CbCR) ist schon länger Bestandteil der OECD-Empfehlungen gegen Gewinnverlagerungen und Gewinnkürzungen internationaler Konzerne. Vielleicht haben Sie schon von Anti BEPS gehört. Dort wird eine Berichterstattung der Konzerne gegenüber den Steuerverwaltungen verlangt. Die G20-Staaten haben sich zur Umsetzung dieser Empfehlung verpflichtet. In der Europäischen Union wurde diese Verpflichtung durch eine Änderung der EU-Amtshilferichtlinie umgesetzt und Deutschland hat die Umsetzung in nationales Recht durch eine Ergänzung der Abgabenordnung ebenfalls bereits vollzogen.

Du schreibst: „Auch die bremsende Position der Bundesregierung in der Frage nach einer länderbezogenen Steuerberichterstattung in Europa macht mich sprachlos.“ Die Pflicht zum Country-by-Country-Reporting gilt allerdings schon seit 2017. Und natürlich war das ein Anliegen der SPD Bundestagsfraktion.

Die Europäischen Kommission und das Europäischen Parlament haben sich darüber hinaus für ein Country-by-Country-Reporting gegenüber der Öffentlichkeit ausgesprochen. Der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas, hat diese Forderung unterstützt. Wir nennen das pCbCR - also public Country-by-Country-Reporting.

Im Rahmen einer Richtlinie zur Änderung der europäischen Rechnungslegungsrichtlinie hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für ein öffentliches Country-by-Country vorgelegt. Über diesen Richtlinienvorschlag konnte noch keine Einigung erzielt werden. Die Federführung für die Rechnungslegung liegt bei den Rechtspolitikern.

Es gibt europaweit Bedenkenträger und Befürworter. Die Bedenken kommen oft „aus der Ecke“, in der vermutet wird, die Unternehmen sollen öffentlich an den Pranger gestellt werden. Allerdings liegt die Ursache für die Steuer-Gestaltungen ja viel mehr in den unterschiedlichen Regelungen der Länder als bei den Unternehmen, die (leider) legal Steuern umgehen. Deshalb stimmt der Vorwurf Pranger objektiv nicht, aber subjektiv wird er so empfunden und die öffentliche Debatte unterscheidet ja auch nicht zwischen guten und bösen Unternehmen.

Nun laufen zurzeit verschiedene Kampagnen gegen die SPD, die auf die Einführung dieses Public-Country-by-Country-Reporting drängen. Mich stört daran, dass so getan wird, als ob das „p“ vor dem CbCR alle Probleme lösen würde. Wie gesagt: zwischen den Verwaltungen gibt es alles schon – und die dortigen Vollzugsdefizite wären natürlich beim pCbCR genauso groß.

Ich bin gleichwohl mittelfristig für das pCbCR, verspreche mir aber weniger davon als viele Aktivisten für das pCbCR. Mittelfristig, weil ich noch ein wenig mehr wissen muss, wie der Austausch heute im Vollzug funktioniert.

Viele versprechen sich „öffentlichen Druck“ auf die Konzerne. Ich denke aber, es wäre viel klüger in Europe ein level playing field (der Staaten) zu definieren, denn darin liegt die Haupt-ursache für Gestaltungen.

Übrigens gibt es auch die gegenteilige Befürchtung: mit pCbCR könnten auch die anderen Länder (zu) schnell merken ob/dass in Deutschland mehr Steuern bleiben als der hiesigen Wertschöpfung entspricht. (Entwicklungszusammenarbeit= EZ) Unter EZ Gesichtspunkten wäre das natürlich gut…aber es geht dabei nicht nur um EZ) Wir sprächen dann vom Abfluss von Steuersubstrat.

In der jetzigen Lage würde ich nach zwei, drei Jahren das CbCR (also etwa 2019/2020) evaluieren und dann auf pCbCR umstellen. Solche Vorhaben sind aber in unserer Koalition ohne Chance. Es wäre toll, wenn wir in der nächsten Legislatur dafür eine Mehrheit im Bundestag hätten.

Und weil die Koalition aus CDU/CSU und SPD pCbCR keinesfalls mitmacht... kann Olaf Scholz das auch nicht in Europa vertreten, denn er vertritt in Europa die Regierung, nicht die SPD-Bundestagsfraktion du auch nicht die Partei, selbst wenn sie die richtige Meinung vertritt.

Insofern muss Bundesfinanzminister Olaf Scholz einen Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zur länder-spezifischen Berichterstattung über die Steuerzahlungen großer Konzerne ablehnen. Bei einer genaueren Betrachtung der umstrittenen Berichtspflicht lässt sich aber zeigen, dass der Bundesfinanzminister weder die Konzerne schonen möchte, noch eine länderspezifische Berichterstattung ablehnt.

Eine Einigung innerhalb der Bundesregierung konnte in der 18. Wahlperiode nicht erreicht werden, so dass eine Abstimmung im Rat zur Richtlinie bisher offen blieb. Grund ist, dass CDU und CSU die in der EU-Richtlinie enthaltenen Regelungen zu weit gehen und die Union transparentere Regelungen nicht will. Dies ist auch weiterhin der Fall. Deshalb besteht innerhalb der Bundesregierung weiterhin Uneinigkeit.

Wer also, zurecht mehr Transparenz und Steuergerechtigkeit fordert, der sollte sich an CDU/CSU wenden, die weitergehende, notwendige Regelungen blockiert.

Unabhängig davon bekämpft die Bundesregierung mit Nachdruck Gewinnverlagerungen und Gewinnkürzungen internationaler Konzerne. Deutschland hat deshalb bereits zentrale OECD-Empfehlungen ins nationale Recht umgesetzt. Es wurden bereits weitreichende Maßnahmen zur Herstellung größerer Transparenz über die grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit von Unternehmen, zur Schließung von Lücken zwischen den nationalen Steuersystemen und zur besseren Verfolgung aggressiver Steuerplanungen ergriffen. Dazu wurde neben dem Country-by-Country-Reporting, ein automatischer Austausch von Tax-Rulings (steuerliche Abreden zwischen einer Steuerbehörde und einem einzelnen Unternehmen) innerhalb der Europäischen Union und eine Verschärfung der Dokumentationspflichten über konzerninterne Verrechnungspreise eingeführt.
Es wurde ein Lizenzschranke beschlossen, die einer Gewinnverlagerung durch grenzüberschreitende Lizenzzahlungen entgegen wirkt. Als nächste Schritte sind unter anderem die Schließung weiterer internationaler Besteuerungslücken (Verhinderung sogenannte hybrider Gestaltungen) und die Erleichterung einer inländischen Nachbesteuerung niedrig besteuerter Auslandsgewinne (Verschärfung der Hinzurechnungsbesteuerung) beabsichtigt.

Sie sehen, dass die SPD-Bundestagsfraktion der Schaffung von Transparenz zur der Bekämpfung aggressiver Steuergestaltungen von Unternehmen und der Eindämmung von unfairem Steuerwettbewerb weiterhin hohe Priorität einräumt.

Hoffentlich helfen Ihnen meine Antworten auf Ihre beiden Fragen zur FTT und zum pCbCR weiter.

Viele Grüße, Ihr Lothar Binding