Sind sie gegen die Chatkontrolle? und wenn ja Was tun Sie gegen die Chatkontrolle?
Sehr geehrter Herr P.,
vielen Dank für Ihre Frage zu einem Thema, das viele zurecht beschäftigt.
Ich halte die sogenannte Chatkontrolle in der aktuell diskutierten Form für den falschen Weg. Eine anlasslose Durchleuchtung privater Nachrichten, etwa durch automatisiertes Scannen auf Plattformen, stellt einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre dar und untergräbt das Vertrauen in digitale Kommunikation. Grundrechte wie das Brief- und Telekommunikationsgeheimnis gelten auch im digitalen Raum. Die dürfen auf keinen Fall leichtfertig aufgeweicht werden.
Der Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt ist zweifellos ein wichtiges und notwendiges Ziel. Genau deshalb wird dieses Thema auch zurecht intensiv kontrovers diskutiert. Aber dieses Ziel rechtfertigt aus meiner Sicht keine pauschale Überwachung der gesamten Bevölkerung. Stattdessen brauchen wir gezielte, rechtlich begründete Ermittlungen, eine moderne Ausstattung für die Strafverfolgungsbehörden und wirksame Prävention, gerade im digitalen Raum.
Was kann das Land Niedersachsen tun?
Die rechtlichen Grundlagen für Maßnahmen wie die Chatkontrolle werden auf europäischer und bundespolitischer Ebene geschaffen. Die Bundesländer wie Niedersachsen haben keine eigene Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Telekommunikation, können aber über den Bundesrat und andere Gremien auf die Entscheidungsfindung Einfluss nehmen.
Wenn auf Bundesebene konkrete Vorschläge zur Chatkontrolle diskutiert werden, ist es unsere Aufgabe, diese genau zu prüfen und aus Sicht der Länder zu bewerten. Ich setze mich dafür ein, dass Niedersachsen in solchen Fällen klar Stellung bezieht: gegen flächendeckende Überwachung und für rechtsstaatlich kontrollierte, zielgerichtete Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Das ist aktuell auch Thema in unserer Fraktion.
Niedersachsen engagiert sich zudem bereits auf anderen Wegen für mehr Kinderschutz, etwa durch Präventionsprogramme, Beratungsangebote oder durch die Arbeit parlamentarischer Enquetekommissionen. Diese Arbeit werden wir konsequent weiterführen und weiterentwickeln.
Aktueller Stand auf Bundes- und EU-Ebene
Derzeit wird auf europäischer Ebene über eine neue Verordnung zur Bekämpfung von Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder (CSA-Verordnung) verhandelt. Der ursprüngliche Vorschlag enthielt weitreichende Maßnahmen zur automatisierten Durchleuchtung privater Nachrichten. Diese ist in der geplanten Form auf breite Kritik gestoßen.
Inzwischen hat sich innerhalb der Bundesregierung eine gemeinsame Haltung herausgebildet: Eine anlasslose Kontrolle privater Kommunikation wird klar abgelehnt. Bundesjustizministerin Stefanie Hubig von der SPD hat deutlich gemacht: „Anlasslose Chatkontrolle muss in einem Rechtsstaat tabu sein.“ Auch Vertreter anderer demokratischer Fraktionen teilen diese Position inzwischen. Ein wichtiges Signal in der europäischen Debatte.
Durch die klare Haltung Deutschlands konnte ein aktueller Vorschlag unter der dänischen Ratspräsidentschaft im EU-Ministerrat vorerst nicht zur Abstimmung gebracht werden, da die notwendige Mehrheit gefehlt hat. Bis spätestens Dezember müssen sich Bundesjustizministerium und Bundesinnenministerium nun auf eine gemeinsame Linie verständigen, welche Alternativen zur Chatkontrolle in Brüssel eingebracht werden sollen.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass sich die SPD auf Bundesebene hier eindeutig positioniert und Grundrechte verteidigt. Als Mitglied des Landtages halte ich engen Kontakt zur Bundesebene vor allem über unseren hiesigen Bundestagsabgeordneten Hubertus Heil, um die Entwicklungen eng zu begleiten und in Niedersachsen entsprechend einordnen zu können. Ich werde Ihre Frage zur weiteren Sensibilisierung auch an ihn weitergeben.
Es bleibt wichtig, dass wir Kinder effektiv schützen. Aber eben mit Mitteln, die mit unserem Rechtsstaat vereinbar sind. Für diesen Weg setze ich mich ein.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsikka Lansmann

