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Kerstin Andreae
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Frage von Ottmar S. •

Frage an Kerstin Andreae von Ottmar S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Weshalb solidarisiert sich die GRÜNE nicht mit den berechtigten Forderungen der großen betroffenen Bevölkerung für einen nachhaltigen lärmreduzierten Bau des 3. und 4. Gleises der Rheintalbahn und weshalb werden die Wähler so wenig über die Inhalte und die Bedeutung der neuen Lissaboner Verträge unterrichtet. Im Falle der Rheintalbahn höre ich ganz selten Unterstützungen der sog. Vertreter des Volkes. Das Volk, von dem doch eigentlich die Macht ausgehen sollte, wird von den Abgeordneten so ziemlich allein gelassen. Und bei den Lissaboner Verträgen wird der Wahler bewusst im Ungewissen gehalten. PS Ich bin ein großer Umweltfreak (Ihr Test mit 69 %bestanden !) aber in o.g. Fällen von GRÜNE enttäuscht. Können Sie mich umstimmen ?

Mit freundlichen Grüßen
Ottmar Schumacher

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schumacher,

Ich setze mich schon seit langem für einen umwelt- und menschenverträglichen Ausbau der Rheintalbahn ein, wie Sie auch auf meiner Internetseite nachlesen können. Wir Grüne wollen mehr Verkehr auf die Schienen verlagern, weil das deutlich umweltfreundlicher ist als Menschen und Güter auf Autobahnen oder in der Luft zu transportieren. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir jedes Bauvorhaben der Bahn vorbehaltlos unterstützen. Das umstrittene Projekt Stuttgart 21 (der unterirdische Ausbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs) zum Beispiel steht jetzt Dank des großen Erfolgs der Grünen bei den Kommunalwahlen wieder auf dem Prüfstand.
Die Verlagerung von Verkehr auf die Schienen ist für die Anwohnerinnen und Anwohner von Bahnstrecken nur mit konsequentem Lärmschutz zumutbar. Bei der Rheintalbahn zeigt sich das besonders deutlich: Auf dieser hochfrequentierten Strecke ist die Lärmbelastung schon jetzt unerträglich. Das können und wollen wir nicht länger hinnehmen. Wir wollen die gesetzlichen Lärmschutzvorgaben für stark befahrene Strecken verbessern. Lärmschutz kostet natürlich auch etwas und die Planung aufwendiger Maßnahmen braucht Zeit. Es gibt zwar ein Lärmsanierungsprogramm der Bundesregierung, doch die Liste der wartenden Kommunen ist lang. Wir setzen uns dafür ein, mehr Geld für solche Maßnahmen zur Verfügung zu stellen und die Planungsverfahren zu beschleunigen.
Bei der Rheintalbahn stockt die Ausbauplanung. Seit Dezember 2007 warten wir auf den angekündigte Bahngipfel zwischen Bundesregierung, Landesregierung und Deutscher Bahn AG zum weiteren Vorgehen beim Ausbau der Rheintalbahn, doch es passiert nichts. Wir Grünen werden nicht müde, diesen Gipfel einzufordern, damit wir endlich erfahren, wie es nun praktisch weitergehen soll.
Zu den Lissabonverträgen: Sie sprechen ein gravierendes Problem an. Viele nationale Regierungen klären ihre Bürgerinnen und Bürger viel zu wenig über das auf, was auf EU-Ebene entscheiden wird. Oft sprechen sie nur dann von Brüsseler Politik, wenn sie jemand anderem die Schuld für Schwierigkeiten in die Schuhe schieben wollen. Oft gewinnt man den Eindruck, dass auch viele Parteien in Deutschland die europäische Politik nicht wirklich ernst nehmen. Im Vorfeld der Europawahl wurde das mal wieder deutlich, denn im Wahlkampf dominierten nationale Themen und Köpfe. Wir Grünen haben mit unserem Wahlprogramm als einzige ein umfangreiches Konzept zur Gestaltung europäischer Politik vorgelegt. Wir versuchen schon lange, die Diskussion europäischer Themen voranzubringen. Denn nur, wenn wir offen darüber reden, was für ein Europa wir wollen, können wir das Projekt Europas mit Leben füllen und erhalten.

Deswegen unterstützen wir bei aller Kritik auch den Vertrag von Lissabon. Er ist nach einer achtjährigen Reformphase wichtig und richtig für die künftige Arbeit der EU. Er macht mehr europäische Politik möglich: bspw. in der Außenpolitik, in der Energiepolitik, aber auch in der Innen- und Justizpolitik. Er wertet die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger bei der Wahl zum Europäischen Parlament auf, denn dieses kann künftig in viel mehr Bereichen mitentscheiden. Er gibt den nationalen Parlamenten mehr Rechte, sodass sogar ein einziges Parlament Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einlegen kann, wenn das Prinzip der Subsidiarität verletzt wurde. Der Vertrag von Lissabon macht die EU demokratischer, effizienter und transparenter. Ich hoffe, dass der Vertrag von Lissabon – wenn er endgültig vollständig in Kraft tritt- einen Beitrag zur Stärkung der europäischen Öffentlichkeit leisten wird. Damit, ganz, wie Sie es auch wollen, die Bürgerinnen und Bürger Europas genauer erfahren, was in der EU geschieht und wie sie Einfluss nehmen können.

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Andreae