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Karl Bär
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Frage von Markus D. •

Sollte regionale Direktvermarktung (Regiomaten/Milchtankstellen) von Landwirten staatlich stärker gefördert werden?

Sehr geehrter Herr Bär,
Landwirte haben bekanntermaßen oft unter starkem Preisdumping von Supermärkten und Großhändlern zu kämpfen. Seit einiger Zeit hat die direkte Vermarktung von regionalen und ökologischen Produkten durch Regiomaten/Milchtankstellen viele Anhänger unter Verbrauchern und Landwirten gefunden. Die Verbraucher profitieren von hochqualitativen Lebensmitteln, die rund um die Uhr verfügbar sind und die Landwirte werden mit fairen Preisen ohne Zwischenhändler und Preisdumping entlohnt. Doch viele Landwirte schrecken noch vor hohen Anschaffungs- und Installationskosten zurück. Würden Sie sich für eine stärkere Förderung der direkten Vermarktung von regionalen und ökologischen Lebensmitteln einsetzen? Welche andere Mittel sehen Sie, um regionale Lebensmittel stärker zu fördern? Möglicherweise eine striktere Kennzeichnungspflicht auch bei verarbeiteten Lebensmitteln? Denn Produkte wie Äpfel und Honig müssen nicht aus China importiert werden!
Mit freundlichen Grüßen
Markus D.

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Sehr geehrter Markus D.,

ich kenne die Entwicklung, weil ich selbst oft bei Direktvermarktern hier in der Region einkaufe. Diese Automaten sind super, weil ich so als Kunde rund um die Uhr einkaufen kann, ohne dass den Betrieben unverhältnismäßige Personalkosten entstehen.

Selbstverständlich sollte die Vermarktung von regionalen und ökologischen Lebensmitteln stärker gefördert werden. Wir haben dazu einen ganzen Absatz im Wahlprogramm, an dem ich auch mitgearbeitet habe:

"Der Wunsch, wieder mehr regional und handwerklich erzeugte Lebensmittel zu kaufen, in der Bäckerei, der Metzgerei, auf dem Bauernhof, wächst stetig. Gleichzeitig hat uns die Corona-Krise vor Augen geführt, wie wichtig regional funktionierende Lieferketten sind. Wir wollen die regionale Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung stärken und so dem Betriebesterben der letzten Jahre entgegentreten. Dazu gehören auch faire Wettbewerbsbedingungen gegenüber importierten Lebensmitteln. In öffentlichen Einrichtungen wollen wir verstärkt regionale und ökologische Produkte, auch Umstellungsware, einsetzen – so schaffen wir Nachfrage und faire Preise. Wir unterstützen Regionalsiegel und Direktvermarktungen der Betriebe durch lokale Einkaufs-Apps und Regionalwerbung und sorgen mit einer klaren Definition von regionalen Produkten für Schutz vor Betrug. Öffentliche Gelder und gezielte Beratung zum Umgang mit Auflagen und Kennzeichnungsvorschriften sollen vorrangig kleinen und mittleren bäuerlichen Betrieben und Handwerker*innen zugutekommen. Forschung und Beratung zur Regionalvermarktung und für innovative und partizipative Ansätze wie Erzeuger*innengemeinschaften, solidarische Landwirtschaft oder Ernährungsräte unterstützen wir."

Ich glaube aber, dass es mit einer bloßen Förderung des Guten nicht getan ist. Wir müssen auch unfaire Strukturen auf dem Markt fair machen und die Förderung der rein auf den billigsten Preis orientierten Lebensmittelproduktion durch den Staat beenden. Ein paar konkrete Beispiele:

  • Wir sollten keine weiteren Handelsabkommen abschließen, die den Markt für billiges Fleisch oder mit in Europa längst verbotenen Pestiziden produziertes Getreide öffnen. Ich würde mir ganz andere Handelsabkommen wünschen, weiß aber, dass ich im Bundestag erstmal dagegen kämpfen muss, dass es noch schlimmer wird, z.B. durch das Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten in Südamerika.
  • Wir sollten eine verpflichtende Kennzeichnung von Haltungsformen und Herkunft von Tieren auch bei verarbeiteten Produkten einführen. Ebenso brauchen wir eine verpflichtende Kennzeichnung von mit genmanipulierten Futtermitteln produzierten tierischen Produkten (all diese Futtermitttel werden importiert). Dann kann man außerdem noch an einzelnen Punkten weiterschrauben, z.B. bei der Herkunftskennzeichnung von Honig ("Mischung aus Honigen aus EU- und Nicht-EU-Ländern").
  • Schritte in Richtung Kostenwahrheit beim Preis von Lebensmitteln, z.B. durch den CO2-Preis oder eine Pestizidabgabe, verbessern die Wettbewerbsfähigkeit von Produkten, die ökologisch produziert und nicht über den halben Erdball transportiert werden.
  • Die deutsche Bundesregierung hat mit 18% der Stimmen und einem noch größeren Anteil des Geldes in der EU die mächtigste Position, um die Agrarpolitik der EU zu verändern, die momentan den Strukturwandel hin zu immer größeren Betrieben fördert und die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt als Ziel hat. Dagegen zu bestehen ist für regional und/oder ökologisch orientierte Betriebe, die etwas höhere Preise brauchen, schwierig.

Ich bin bei meinen Besuchen von landwirtschaftlichen Betrieben und Verbraucherprojekten im Wahlkampf immer wieder auf das Genossenschaftsrecht gestoßen. Wir sollten das Genossenschaftsrecht modernisieren. Genossenschaften wären oft eine gute Organisationsform für Zusammenschlüsse von Landwirt*innen, Verbraucher*innen oder beiden zusammen. Wir können es einfacher machen, Genossenschaften zu gründen, wenn die Verwaltung von und Mitarbeit in Genossenschaften auch digitaler und flexibler möglich wäre.

Schöne Grüße,
Karl Bär

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