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Jutta Haug
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Frage von Daniel K. •

Frage an Jutta Haug von Daniel K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Haug,

die Entwürfe des Europäischen Parlaments zur Einführung der Europäischen Privatgesellschaft (EPG) haben mir sehr gut gefallen. Auch Presse und Wirtschaftsverbände haben die Vorlagen ja sehr positiv aufgenommen: unkompliziert, flexibel zu gestalten, einfach einzurichten und auch zu erweitern. Kurzüberblick hier: http://ec.europa.eu/internal_market/company/epc/index_de.htm

Umso enttäuschter war ich, zu lesen, was die EU-Kommission später daraus gemacht hat. Nicht nur, aber vor allem die später eingearbeitete Forderung eines "grenzüberschreitenden Bezugs" sehe ich sehr skeptisch. Damit ist kurzfristig doch noch ein Konkurrenzmodell zur GmbH ausgeschlossen worden.

Ich habe Erfahrungen mit deutschen GmbH-Gründungen gesammelt und habe die damit verbundene Bürokratie, die Starrheit und die Kosten der Gesellschaftsform nie verstanden. Für schnelle, z.B. projektbezogene Gründungen ist diese Gesellschaftsform nicht geeignet. Auch mit der halbherzig nachgelegten "Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)" ist eine wesentliche Vereinfachung nicht gelungen.

Nach einem tollen Start schwinden nun auch bei der EPG die Chancen. Haben sich nachträglich doch noch Lobby- und "Fürsten"-Verbände durchgesetzt, um die Interessen von Anwälten, Notaren und nationalen Institutionen zu schützen? Vgl. dazu die "eimerweise" vorgetragene Kritik des Dt. Bundesrats in http://www.anwalt.de/rechtstipps/rechtsnews/europaeische-privatgesellschaft-bundesrat-skeptisch_002436.html

Die oft zum Ausdruck gebrachte Sorge um national verankerte Arbeitnehmerrechte klingt berechtigt, aber in diesem Zusammenhang m.E. vorgeschoben.

Wie stehen die Chancen, dass z.B. der "grenzüberschreitenden Bezug" als Anforderung wieder entfernt wird?

Vielen Dank!!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kastenholz,

ich bedanke mich für Ihre Fragen vom 10. Dezember, die Sie auf der Website "Abgeordnetenwatch" an mich gerichtet haben.

Zuallererst möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich innerhalb der SPD-Gruppe im Europäischen Parlament vor allem für die Themenbereiche Europäischer Haushalt und Umweltpolitik verantwortlich bin. Mein Kollege Bernhard Rapkay und meine Kollegin Dagmar Roth-Behrendt verfolgen die Themen des Rechtsausschusses für die SPD-Gruppe. Dieser Ausschuss ist federführend für den Vorschlag für eine Verordnung über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft verantwortlich. Für die sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament verfolgte Ieke Van den Burg (Niederlande) in der vergangenen Legislaturperiode als Schattenberichterstatterin das Dossier.

Lassen Sie mich dennoch im Folgenden auf die von Ihnen aufgeworfenen Aspekte eingehen:

1) Grenzüberschreitender Bezug: Ihre erste Frage bezieht sich auf das grenzüberschreitende Gründungsmerkmal. Die sozialdemokratische Fraktion hat sich für ein grenzüberschreitendes Gründungsmerkmal eingesetzt - ab dem ersten Tag der Unternehmensgründung, im Unterschied zum Kommissionsvorschlag. Solche grenzüberschreitenden Bedingungen sind für sich auf Artikel 308 EG-Vertrag stützende gemeinschaftliche Rechtsvorschriften erforderlich. Zielgruppe des Vorschlags für ein EPG-Statut sind in erster Linie grenzüberschreitend tätige KMUs - der Vorschlag zielte nicht auf eine generelle Vereinfachung von verschiedenen Gesellschaftsmodellen ab, für die die Kompetenz vorrangig auf nationaler Ebene liegt. Aus Sicht unserer Fraktion sollte die grenzübergreifende Bedingung bürokratische Hindernisse vermeiden, ohne gleichzeitig Umgehungsmöglichkeiten zu bieten. In der vom EP verabschiedeten Position wird ein grenzüberschreitender Bezug verlangt, der jedoch nicht bei Gründung erforderlich ist, sondern innerhalb von zwei Jahren durch eine nachträgliche Kontrolle überprüft werden kann (Erwägung 2a und Artikel 3).

2) Arbeitnehmerrechte: Innerhalb des EP war es schwierig, einen Kompromiss hinsichtlich der Arbeitnehmermitbestimmungsrechte zu finden. Die sozialdemokratische Fraktion hat sich dafür eingesetzt, möglichst weitgehend die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufrechtzuerhalten, auch und besonders wenn in dem EPG-Registersitzland niedrigere Standards gelten als zuvor für Beschäftigte des Unternehmens in anderen Mitgliedstaaten. Diese Diskussion sehe ich keinesfalls als vorgeschobenen Grund, die EPG-Gründung zu erschweren, sondern als wesentliche Voraussetzung, um zu gewährleisten, dass nationale Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht umgangen werden können.

Details bezüglich der verabschiedeten Position des Europäischen Parlaments in erster Lesung (angenommen am 10. März 2009) können sie unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2009-0094+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE nachlesen.

Im weiteren legislativen Verfahren muss der Rat nun seinen Gemeinsamen Standpunkt zum Verordnungsvorschlag an das Europäische Parlament übermitteln. Mit dem Inkraftreten des Lissabon-Vertrags am 1. Dezember 2009 haben sich die Kompetenzen des Europäischen Parlaments dahingehend verändert, dass es dem Dossier nun zustimmen muss. In der Vergangenheit wurde das Parlament dazu nur konsultiert. Unter diesen Voraussetzungen hat auch die 1. Lesung stattgefunden. So werden wir im Parlament das Dossier unter den neuen Gesetzgebungskompetenzen neu bewerten müssen.

Wir als sozialdemokratische Fraktion werden uns dafür einsetzen, dass die Einsparung von Beratungskosten für KMU und eine schnelle und bürokratische Neugründung einer EPG kombiniert werden mit der EU-weiten Sicherung von Arbeitnehmermitbestimmungsrechten.

Sehr geehrter Herr Kastenholz, ich hoffe Ihnen mit diesen Punkten die Position des EP und meiner Fraktion näher gebracht zu haben.

Es grüßt Sie
Jutta Haug