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Jochen Esser
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Frage von Petra M. •

Frage an Jochen Esser von Petra M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Esser

Die Einnahmen der Übernachtungssteuer fließen anders als vorgesehen nun in den Landeshaushalt und müssen nicht zweckgebunden ausgegeben werden. Berlin wird u.a. damit beworben Europas Partyhauptstadt zu sein. In den betroffenen Stadtvierteln in denen sich die Angebote der Nachtökonomie konzentrieren, zeigen sich zunehmend Akzeptanzprobleme bei der dort lebenden Bevölkerung. Nutzungskonflikte die sich aus der Übernutzung der öffentlichen Räume ergeben, wie Störung der Nachtruhe, steigende Kriminalität, Drogenhandel, Verwahrlosung und Vermüllung.
In dem Kiez der Simon-Dach-Str. organisieren sich desswegen bereits seit Anfang 2000 die Einwohner in Bürgerinitiativen, um den negativen Auswüchsen in ihren Wohngebieten entgegen zu wirken. Das Land Berlin feiert hingegen weiterhin die steigenden Tourismuszahlen, ohne den negativen Begleiterscheinungen ernsthaft Rechnung zu tragen. Die Marketingstrategen von Visit Berlin sind sogar skrupellos genug, um selbst Negativäußerungen wie "Touris raus aus Kreuzberg" Umsatzsteigernd zu vermarkten (siehe „Die elfte Plage“ S. 53 von Peter Laudenbach).

In Folge dessen wächst der Unmut und es haben sich inzwischen 4 Bürgerinitiativen gebildet: "die Anrainer" für den Friedrichshainer Südkiez,"Stralau gegen Lärm", der "Wrangelkiezrat" und das "Kiezbürger" - aus dem Graefekiez, die nun verstärkt politisch aktiv werden, wie z.B. die aktuelle Petition "Konsequente Verfolgung des Drogenhandels" und auf kommunaler Ebene ihre Stimme erheben.

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat deswegen bei der Senatsverwaltung für Finanzen Mittel in Höhe von 500.000 € beantragt. Finanziert werden sollten Maßnahmen und Projekte die dem Interessensausgleich von Anwohnern, Club- u. Gastronomiebetreibern sowie Besuchern dienen.

Warum hat der Hauptausschuss diesen Antrag des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, Wirtschaftsförderung abgelehnt?

Mit freundlichen Grüßen -

Petra Markstein

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Markstein,

Ihr Anliegen verstehe ich sehr gut. Gestatten Sie mit aber zunächst zwei Klarstellungen, ehe ich einen Vorschlag unterbreite.

Erste Klarstellung: Der Hauptausschuss hat keinen Antrag des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg an die Finanzverwaltung abgelehnt. Ein derartiger Antrag ist mir auch nicht bekannt, denn mit solchen Vorgängen innerhalb der Verwaltung ist das Parlament gar nicht befasst. Wir verabschieden den Haushalt für zwei Jahre, und die Verwaltung setzt ihn dann in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen (Fachgebiete, Bezirke) um.

Zweite Klarstellung: Die Übernachtungssteuer kann und darf nicht zweckgebunden erhoben werden. Das trifft für alle Steuern zu. Steuern dienen nach der Verfassung immer der Finanzierung des Gesamthaushalts. In Bezug auf die "City Tax" gibt es da in der Stadt ein weit verbreitetes Missverständnis, weil der damalige Finanzsenator Nußbaum versprochen hatte, dass sich der Senat nach Einführung der Übernachtungssteuer finanziell stärker für Belange der Kultur, des Sports und des Tourismus engagiert.

Mein Vorschlag: Tatsächlich gibt es seit Einführung der "City tax" bei der Senatorin für Wirtschaft einen Titel "Zuschüsse für besondere touristische Projekte" mit 3,5 Millionen Euro pro Jahr, deren genaue Verwendung nicht abschließend festgelegt ist, sondern im Laufe des Jahres durch die Wirtschaftsverwaltung erfolgt. Es wäre also eine Möglichkeit, dass Sie und die Initiativen und/oder der Bezirk sich an die Wirtschaftsverwaltung wenden, damit sie aus diesen Projektmitteln Ihr Anliegen unterstützt. Denn eigentlich sollte der für Tourismusförderung zuständigen Senatsverwaltung viel daran gelegen sein, dass die Akzeptanz des Tourismus bei der Bevölkerung in den hoch frequentierten Gebieten erhalten bleibt und nicht in Feindseligkeit gegen BesucherInnen aus dem In- und Ausland umschlägt.

Der Titel ist zu finden im Einzelplan 13 des Haushaltsdplans, Kapitel 1320, Titel 686 27. Vielleicht haben Sie ja in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Erfolg. Wenn nicht, lassen Sie bitte wieder von sich hören.

Mit freundlichen Grüßen

Jochen Esser