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Ingrid Hönlinger
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Frage von Herbert h. •

Frage an Ingrid Hönlinger von Herbert h. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Hönlinger,

ich habe als Zeitarbeiter bei einem Berliner Pharmaunternehmen gearbeitet und knapp 8 Euro pro Stunde bekommen. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass mein Verleiher einen Tarif der CGZP (Christliche Gewerkschaft für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen) angewendet hat, der vom Bundesarbeitsgericht für nichtig erklärt wurde. Daraufhin habe ich Anspruch auf das gleiche Geld wie die Stammbelegschaft und würde nun gerne den mir rückwirkend zustehenden Lohn einklagen. Nun bin ich auf der Suche nach dem für die Stammbelegschaft gültigen Tarifvertrag.

Mein Problem ist nun, dass mir niemand den Tarifvertrag der IGBCE geben möchte. DIe Gewerkschaft beruft sich auf das Urheberrecht und möchte mir den Tarifvertrag nur geben, wenn ich Mitglied werde und das Tarifarchiv des BMAS darf mir den Tarifvertrag ebenfalls nicht geben, da die Tarifparteien auf dem Urheberrechtsschutz bestehen. Und das obwohl Tarifverträge quasi als rechtliche Normen zu betrachten sind.

Wie sollen Beschäftigte beurteilen, ob sie von ihrem Arbeitgeber richtig bezahlt werden oder ob sie richtig eingruppiert werden? Wie können Beschäftigte herausfinden, ob sie sittenwidrig bezahlt werden, wenn sie nicht einmal die Möglichkeit haben, in geltende Tarifverträge einzusehen?

Sind Sie wie ich der Meinung, dass das Tarifarchiv im BMAS digitalisiert und die Tarifverträge allen Bürgern öffentlich zugänglich gemacht werden müssen? Wenn nein, was spricht dagegen? Enn ja, werden Sie einen Antrag dazu im Bundestag einbringen?

Mit freundlichen Grüßen,
Herbert Heuberg

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Heuberg,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich stimme Ihnen zu, dass Leiharbeitskräfte, die nach CGZP-Tarif bezahlt wurden, in der Regel nur schwer selbst den Equal-Pay-Lohn ermitteln können. Der uneingeschränkte Zugriff auf das Tarifarchiv würde die Ermittlung der Ansprüche erleichtern. Gleiches gilt für Beschäftigte, die herausfinden möchten, ob sie sittenwidrig niedrig bezahlt werden.
Allerdings gibt es zahlreiche Tarifverträge, die nur in Zusammenhang mit Änderungstarifverträgen zu verstehen sind. Auch gibt es Tarifverträge, die vertraulich behandelt werden müssen, da sie schützenswerte Sozialdaten enthalten. Grundvoraussetzung für eine Offenlegung von Tarifverträgen wäre also ein abgestuftes System - die Tarifpartner müssten konsolidierte Fassungen der Tarifverträge vorlegen. Hierbei sind auch die Interessen der Tarifparteien zu berücksichtigen. Sie sind es, die Tarifverträge aushandeln. Oft sind es Gewerkschaftsmitglieder, die Tarifverträge erstreiken. Für diese Arbeit sind die Gewerkschaften auf Mitglieder angewiesen, denn diese Arbeit kostet Geld und auch viel Engagement. Und natürlich werben die Gewerkschaften mit ihren Tarifverträgen um neue Mitglieder, denn das sind ihre "Produkte". Es ist nachvollziehbar, dass seitens der Gewerkschaften die Sorge besteht, eine Offenlegung von Tarifverträgen könne die gewerkschaftliche Arbeit schwächen und zu einer weiteren Erosion ihrer Mitgliederbasis führen. Einen ähnlichen Effekt hätte die Offenlegung der Tarifverträge für Arbeitgeberverbände. Diese befürchten ihrerseits die Schwächung der Verbandsarbeit etwa dadurch, dass nicht organisierte Arbeitgeber von den offengelegten Tarifverträgen profitieren.

Dem gegenüber stehen die berechtigten Interessen von Arbeitnehmern wie Ihnen, die ihre Rechte durchsetzen möchten und dazu die Angemessenheit der individuellen Arbeits- und Entlohnungsbedingungen überprüfen müssen. Beide Interessen sind uns wichtig und deshalb kann Ihre Frage nicht einfach mit ja oder nein beantwortet werden. Wir Grünen sind an diesem Thema dran. Wir suchen nach einer Lösung, die beiden Interessen gerecht wird. Denn gerade das CGZP-Urteil zeigt, dass es Situationen gibt, in der eine Offenlegung von Tarifverträgen dringend geboten wäre.

Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Hönlinger