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Frage von Ansbert R. •

Frage an Ingrid Hack von Ansbert R. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Hack,

bei den wirklich wichtigen Bildungsabschlüssen -also den Abschlüssen, die auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind- ist NRW im nationalen Vergleich ebenso unterdurchschnittlich wie die Bundesrepublik im internationalen Vergleich (siehe OECD-Report). Was kann die SPD tun, damit sich unser Bildungssystem wieder mehr an der Realität des Berufslebens orientiert?

Das Leistungsniveau der Schüler ist nach meiner persönlichen Einschätzung deutlich schlechter als das vorangegangener Generationen. Das spüre ich im täglichen Leben, wenn meine beiden Kinder (17 und 19 Jahre) mich bei schulischen Themen um Hilfe bitten und ich immer wieder feststellen muss, dass es an Basiswissen fehlt. Vor einiger Zeit wurde an der Schule meiner Tochter die Parole "nachhaltiges Lernen" ausgegeben ... scheinbar konnte dieser gute Vorsatz aber nicht umgesetzt werden. Das wundert mich nicht. Nach meiner persönlichen Statistik finden an dieser Schule ca. 15 - 20 % der Unterrichtsveranstaltungen nicht statt. Ein Personalverantwortlicher in der freien Wirtschaft bekäme die rote Karte, wenn 15 - 20 % seiner Produktivzeiten ausfallen würden. Wie kann man unsere Lehrerschaft dazu bringen verantwortlicher und effektiver mit Ihrer Produktivzeit umzugehen?

Meine Frau ist Lehrerin. Ihre Unterrichtsstunden fallen so gut wie nie aus und ich weiß genau, dass sie sich sehr intensiv darum bemüht ihren Schülern einen besseren Start ins Berufsleben zu ermöglichen. Sie darf jedoch in unserem Land nicht an öffentlichen Schulen unterrichten, weil sie einen Abschluss einer ausländischen Universität hat und ihr somit das zweite Staatsexamen fehlt. Ich behaupte, die stärkere Anwendung des Leistungsprinzips auf unsere Lehrerschaft könnte nicht nur meiner Frau eine traumhafte Karriere an öffentlichen Schulen bescheren, sondern besonders unsere Schüler auf einen erfolgreicheren Lebensweg vorbereiten.

Wie kann eine SPD-geführte Landesregierung solche Bildungsnotstände beseitigen?

Gruß, Ansbert Rodeck

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SPD

Sehr geehrter Herr Rodeck,

vielen Dank für Ihre Fragen, die sicherlich nicht kurz und mit einem "Patentrezept" beantwortet werden können. Ich will dennoch versuchen, Ihnen einige Vorschläge der SPD und meine Position zu diesen Problemen zu erläutern.

Zunächst müsste Konsens darüber erzielt werden, welche Bildungsabschlüsse die "wirklich wichtigen" sind; häufig machen Schulabgänger und junge Erwachsene auch die Erfahrung, dass sie beim Start einer Ausbildung vorgeblich beste Chancen mit dem angestrebten Beruf haben, nach Abschluss aber dennoch Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Meines Erachtens ist das Schulsystem (das ich hier deutlich vom Bildungssystem unterscheide) unter anderem deshalb dringend reformbedürftig, weil es weder in der Spitze noch in der Breite ausreichend gute Ergebnisse "produziert", die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss ist erschreckend hoch, ebenfalls viel zu groß ist die Anzahl der Abschlüsse ohne aussichtsreiche Perspektive - entweder für weitere Schul-Qualifikation oder für eine berufliche Ausbildung.

Die Berufsorientierung beginnt meines Erachtens in allen derzeitigen Schulformen zu spät. In der Enquetekommission "Chancen für Kinder" http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/GB_I/I.1/EK/14_EK2/Aktuelles.jsp haben wir (übrigens fraktionsübergreifend!) die Empfehlung ausgesprochen, "ein integriertes Gesamtkonzept zum Bereich ´Arbeitswelt´ in allen Schulformen." aufzubauen, einschließlich mehrwöchiger Berufspraktika.

Das Problem des Unterrichtsausfalls, das wir auch immer wieder im Schulausschuss und im Landtagsplenum debattiert haben, hatte die CDU-FDP-Regierung ganz vorrangig bearbeiten wollen; eine maßgebliche Änderung ist unseres Erachtens seit 2005 nicht eingetreten. Mir ist wichtig festzustellen, dass die ganz überwiegende Mehrheit der LehrerInnen hoch engagiert für ihre und mit ihren Schülerinnen und Schüler arbeitet. Aber - ein einfacher Grund, warum hier Verbesserungen auch schwierig sind - vor Krankheitsausfällen ist niemand gefeit. Vor allem aber müssen LehrerInnen bereits durch ihre Ausbildung in die Lage versetzt werden, den veränderten Anforderungen gerecht zu werden; auch hier, meine ich, gibt es Defizite. So fehlen bspw. sonder-, heil- und sozialpädagogische Elemente in der Regel-Lehrer-Ausbildung; diese aber würden einen "anderen Blick" aufs Kind ermöglichen und den Lehrkräften ein erweitertes Instrumentarium in ihrer Arbeit zur Verfügung stellen.

Der Ausbau unserer Schulen zu Ganztagsschulen würde unseres Erachtens anderes Lernen und Lehren ermöglichen, Stoff-Fülle entzerren und zum Beispiel auch die von Ihnen beschriebenen Schwierigkeiten beim (leidigen) Thema Hausaufgaben verringern. Wir wünschen uns den Ausbau in einer geregelten, vom Land sehr viel besser finanziell geförderten Weise; besonders wichtig ist für uns hier auch das Thema geregelte und kostenfreie Verpflegung.

Wie geschrieben, die eine Lösung gibt es m. E. nicht; an vielen Stellen zugleich sind Veränderungen notwendig, um im komplexen System Schule kindgerechter zu werden und damit auch LehrerInnen bessere Arbeit zu ermöglichen.

Mit herzlichen Grüßen
Ingrid Hack