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Hilde Mattheis
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Frage von Karin S. •

Frage an Hilde Mattheis von Karin S. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Mattheis,

ich habe gerade erfahren, dass morgen im Eilverfahren /Eilschritt eine Grundgesetzänderung beschlossen werden soll, damit eine Privatisierung ermöglicht wird. (So habe ich verstanden).
Wie stehen Sie dazu? Welche Argumente gibt es dafür? Welche dagegen? Wer möchte diese POrivatisierung?
Ich meine, dass das Verkehrswesen, übrigens genauso wie Gesundheitswesen, Sozialer Bereich und Grund- und Ausbildung, wirklich im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger ist und deshalb unbedingt von unseren Steuergeldern finanziert werden sollte.
Ich habe auch den Eindruck, dass immer dann eine GG-Änderung angestrebt wird, wenn besonders wirtschaftliche Interessen wichtiger sind als menschlich, soziale.
Ich würde mich über entsprechende Aufklärung freuen, falls ich mich da täuschen sollte.
Jetzt möchte ich Sie bitten,diese GG-Änderung abzulehnen.

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen
Karin Struppe

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Struppe,

vielen Dank für Ihre Frage und Interesse am Thema der Verkehrsinfrastrukturgesellschaft.

Deren Gründung wurde am Donnerstag, 01. Juni 2017 vom Bundestag mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen. Ich habe dieser Gründung nicht zugestimmt, da ich die Gefahren einer Privatisierung unseres Verkehrsnetzes und der möglichen Ausweitung öffentlich-privater-Partnerschaften zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten sehr kritisch sehe.

Die Idee zur Gründung einer solchen Gesellschaft kam im Zuge der Verhandlungen des Bund-Länder-Finanzausgleichs zwischen der Bundeskanzlerin bzw. dem Finanzminister und den MinisterpräsidentInnen der Länder zustande und wurde als ein Teil dieses Finanzpaketes behandelt. Diese Verquickung von Themen, die im Grunde nichts miteinander zu tun haben, habe ich ebenfalls immer kritisiert, da die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen sehr wichtig für den Bund, aber auch vor allem für die Länder und Kommunen war und ist. Das hat aber nichts mit dem angestrebten Umbau Planung, Bau und Unterhalt von Autobahnen zu tun, die nun auch mit beschlossen wurde. Diese Vermengung führte dazu, dass der Bundestag meiner Meinung nicht ausreichend Zeit hatte, alle Aspekte dieser grundlegenden Reform zu erörtern. Zwar haben die Abgeordneten, insbesondere die zuständigen BerichterstatterInnen von der SPD-Fraktion ganz eindeutige Verbesserungen im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf erreicht, aber eine abschließende Klärung, welche Auswirkungen die Gründung der Gesellschaft hat, wie genau die Überführung der Länderbehörden und deren MitarbeiterInnen an den Bund und welchen Einfluss Private weiterhin haben konnte nicht erfolgen.

Vor allem der Aspekt der öffentlich-privaten-Partnerschaften beunruhigt mich weiterhin. Die Idee einer solchen privaten Infrastrukturgesellschaft wurde vor wenigen Jahren von der sog. Fratzscherkommission gemacht, einem Gremium von Wissenschaftlern, Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern u.a., das erarbeiten sollte, wie Investitionen in Deutschland angekurbelt werden können. Schon damals kam die Idee auf, private Versicherungskonzerne viel stärker in die Finanzierung von Verkehrsprojekten einzubeziehen, da diese stabile, langfristige Rendite versprechen, was angesichts der Zinsschwäche an den Finanzmärkten für die Versicherungswirtschaft wichtig ist. In der jetzigen Diskussion hat die Versicherungswirtschaft gar nicht mehr geäußert, erreicht nun aber, dass sie ihr Geld möglicherweise verstärkt bei Investitionsprojekten anlegen darf - nicht im Verkehrs-, auch z.B. im Bildungsbereich. So ist zwar die Finanzierung des gesamten Streckennetzes und wesentlicher Teilstücke durch ÖPP ausgeschlossen, aber ÖPP werden nicht generell verboten, obwohl der Bundesrechnungshof mehrmals veröffentlichte, dass diese Staat und BürgerInnen teurer als konventionelle Projektfinanzierungen sind.

In der Abwägung zwischen den erreichten Verbesserungen durch meine Fraktion und den Gefahren einer weitergehenden Privatisierung habe ich mich schließlich entschieden, dem Gesetz nicht zuzustimmen.

Mit freundlichen Grüßen
Hilde Mattheis, MdB