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Herbert Schulz
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Frage von André G. •

Frage an Herbert Schulz von André G. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Moin Moin Herr Schulz,

in Hamburg stehen massiv viele Wohnungen leer und die Mieten sind Wucher.

Da wir selbst mit diesem Problem bei der Wohnungssuche konfrontiert sind, interessiert mich dieser Punkt sehr.

Wie kann es sein, das u.a. in Niendorf/Schnelsen sehr viele leere Wohnung ersichtlich sind, jedoch keine dieser Wohnungen irgendwo angezeigt werden? Ich lese ständig nur davon, das man x000 neue Wohnungen jedes Jahr brauchen würde. Das halte ich für den absolut falschen Weg! Zum einen würde das dem Stadtbild schaden, das ja heuer noch sehr grünlandschaftlich geprägt ist und somit hohe Lebens/Wohnqualität aufweist, zum anderen würde es die Problematik nur verlagern.

Ergo müssen meiner Meinung nach(!) leerstehende Wohnung vermietet und Mietwucher per Gesetzt unterbunden werden.

Ich freue mich auf Ihre Antwort und Lösungsansätze

Gruß

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Großer,

zum Problem, das Sie ansprechen, gehört nicht nur der Leerstand, sondern auch die Zweckentfremdung von Wohnraum für Büronutzung. Das Hauptproblem in Hamburg ist jedoch der gravierende Mangel an Wohnraum, der auch für Normal- oder Geringverdiener bezahlbar ist. Der Wohnungsbau ist in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen, der soziale Wohnungsbau im letzten Jahr praktisch auf Null. Dass ihrer Meinung nach energische Investitionen in den Wohnungsneubau nicht der richtige Weg seien, kann ich vor diesem Hintergrund überhaupt nicht nachvollziehen. Zumal es der Wohnraummangel, ich würde formulieren die Wohnungsnot ist, die den Nährboden für den grassierenden Preisauftrieb bei den Mieten (Mietwucher) darstellt. Das hat inzwischen dazu geführt, dass die deutschen Haushalte im Durchschnitt 731 Euro, d.h. genau ein Drittel aller Ausgaben, für das Wohnen ausgeben müssen. Und die städtische Wohnungsbaugesellschaft SAGA wirkt daran kräftig mit. Als Folge dieser Tendenzen ist z.B. die Umzugsquote drastisch zurückgegangen. Der »Wohnungsmarkt erstarrt« las man angesichts dieser Entwicklung in der Zeitung. Hierin spiegelt sich lediglich wider, dass der Wohnungsmarkt infolge mangelnden Neubaus wie leergefegt ist und die Mietpreise entsprechend steigen. Eine auf sozialen Ausgleich bedachte Wohnungspolitik hätte diese Trends rechtzeitig erkennen und gegensteuern können. Doch im Interesse der SpekulantInnen und Miethaie hat der grün- schwarze Senat alle Mahnungen und Warnungen lange Zeit in den Wind geschlagen.

Um auf ihre Frage nach dem Leerstand zurückzukommen:
Angesichts einer mittlerweile dramatischen Wohnungsnot sind der Leerstand und die Zweckentfremdung von Wohnraum erst recht skandalös, gewissermaßen ein Skandal im Skandal. Eckard Pahlke, der Vorsitzende des Mietervereins zu Hamburg, geht von gegenwärtig etwa 40.000 für Büronutzungen zweckentfremdeten Wohnungen aus. Die Zahl der über einen längeren Zeitraum leer stehenden Wohnungen ist dagegen nur schwer zu schätzen und liegt nach Auffassung von ExpertInnen bei vielleicht 2.000. Grund ist in der Regel ein spekulatives Interesse, z.B. die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen mit dem Ziel, Wohnraum möglichst hochpreisig zu verkaufen. Und wenn das nicht sofort gelingt, bleiben die Wohnungen erst einmal leer stehen. Aber von Seiten des schwarz-grünen Senats wurde das nicht als Problem gesehen. Lapidar hieß es in einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN, dass Erkenntnisse darüber nicht vorlägen. Kaum hatte dagegen der Verein Mieter helfen Mietern im Juli 2010 ein wenig recherchiert, stieß er alleine im Schanzenviertel auf 30 teilweise seit geraumer Zeit leer stehende Wohnungen. »Behördlicher Wohnraumschutz funktioniert nicht«, war denn auch die Konsequenz des alternativen Mietervereins.
Kein Wunder, denn die Wohnungssicherungsämter sind unterbesetzt, die Zahl der Wohnungspflege- MitarbeiterInnen beläuft sich in allen sieben Bezirken gerade mal auf 8,5 Stellen, und doch sollte dieses überschaubare Stellenpotenzial im Zuge der Streichungsarien des grün-schwarzen Senats noch weiter zusammengestrichen werden. Angesichts der Ankündigung von Olaf Scholz, den Öffentlichen Dienst weiter auszudünnen, ist hier auch bei einem sozialdemokratisch geführten Senat Schlimmes zu befürchten. Dabei rennen Betroffene diesen Ämtern die Bude ein, und unsere Bezirksabgeordneten berichten von dramatischen Szenen, die sich dort abspielen.

Sehr geehrter Herr Großer, gegen Wohnungsmangel und Mietwucher hilft vor allem der Neubau von Wohnungen, und besonders der soziale Wohnungsbau muss energisch angekurbelt werden, nicht irgendwann in der Zukunft, sondern jetzt, in der vor uns liegenden Legislaturperiode. Mit der SAGA hat die Stadt ein Instrument, um das auch zu realisieren, wenn der politische Wille da wäre. Wir schlagen u.a. vor, die 100 Mio., die die SAGA jährlich an den allgemeinen Haushalt abführt, direkt in den sozialen Wohnungbau zu investieren. Wir gehen von ca. 40.000 fehlenden Wohnungen aus und halten das Ziel, 8.000 Wohnungen im Jahr neu zu bauen, nicht für unrealistisch. Darüber hinaus muss die Stadt gegen Zweckentremdung und Leerstand vorgehen, und dafür gibt es auch rechtliche Instrumente. In unserem Wahlprogramm haben wir dazu Vorschläge gemacht ( http://fuer-ein-soziales-hamburg.de/ ), und zur Gesamtproblematik hat unsere Bürgerschaftsfraktion in einer Broschüre eine gründliche Analyse der prekären Lage auf dem Hamburger Wohnungsmarkt vorgelegt ( http://www.linksfraktion-hamburg.de/ ). Eine Lektüre, die sich wirklich lohnt.

Ich hoffe, dass ich mit meiner Antwort ihrem Anliegen gerecht geworden
bin und verbleibe

Mit freundlichem Gruß

Herbert Schulz