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Herbert Mertin
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Frage von Karl T. •

Frage an Herbert Mertin von Karl T. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Mertin,

im Duell der Argumente zwischen den Spitzenkandidaten Eveline Lemke (Grüne) und Ihnen in der Rhein-Zeitung, Nr. 47 vom 25.02.2011, erklären Sie: "Für künftige Großprojekte will die FDP, dass Bürger zu Beginn entscheiden können, ob sie ein Großprojekt wollen oder nicht. Politik darf nicht gegen den Willen der Menschen gemacht werden." - Ist Ihnen dieser Gedanke jetzt kurz vor der Landtagswahl gekommen? - Am 28.10 2010 peitschte SCHWARZ-GELB im Bundestag den Ausstieg aus dem Ausstieg durch, beschloss die Verlängerung der Laufzeit für die Atomkraftwerke in der BRD - gegen den Willen und gegen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung.
Glaubwürdigkeit à la zu Guttenberg?
Ich darf Ihnen übrigens versichern: Wenn die Regierungen ihre Bürger von Anfang an beteiligen, kann ein Projekt von der Planung bis zur Umsetzung erheblich schneller abgewickelt werden. Die Widerstände fallen weg.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Takes,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich will Ihnen gern erläutern, wie es zu der Idee zu mehr Bürgerbeteiligung gekommen ist. Ein beruflicher Termin führte mich im vergangenen Jahr nach Stuttgart, wo die Diskussionen um den dortigen Bahnhof bekanntlich hohe Wellen schlugen. Im Gespräch mit den Menschen vor Ort wurde die allgemeine Unzufriedenheit deutlich, die augenscheinlich aus dem bisherigen Modell der Planung und Umsetzung bedeutender Projekte resultiert.

Das Planfeststellungsverfahren soll eigentlich dazu dienen, Vorhaben rechtssicher und bürgerfreundlich zu planen und umzusetzen. In der Realität führt es dazu, dass durch die Einsprüche einzelner Bürgerinnen und Bürger, Anhörungen von Interessengruppen, Klageverfahren, etc. zwischen grundsätzlicher Entscheidung und Baubeginn enorme Zeiträume liegen. Je größer das Projekt, je mehr Betroffene, umso länger und teurer das Verfahren.

Im Falle von Stuttgart 21 hat dies dazu geführt, dass heute junge Menschen gegen einen Bahnhof demonstrieren, die zum Zeitpunkt der ursprünglichen Entscheidung noch gar nicht geboren waren, und daher zu Recht die Frage nach der aktuellen demokratischen Legitimation des Projekts aufwerfen. Ganz unabhängig davon, wie man zum Bahnhof letztlich steht, war mir klar, dass hier neue Wege gefunden werden müssen, wenn nicht künftig wichtige Infrastrukturprojekte durch solche Widerstände immer wieder verzögert und in der Schwebe gehalten werden.

Von dieser langwierigen Verfahrensweise hat letzten Endes niemand etwas. Weder die Wirtschaft, die vielleicht auf die Umsetzung sehnlich wartet, oder die Bürger vor Ort, deren Interessen in andere Richtungen gehen mögen. Zuletzt auch nicht der Steuerzahler, der auch für die hierbei resultierenden Verfahrenskosten aufkommt.

Es ist meine feste Überzeugung, dass Wirtschafts- und Strukturpolitik nur gemeinsam mit den Menschen gemacht werden kann. Eine Leistungsfähige Infrastruktur bindet den ländlichen Raum an den Rest des Landes an und ermöglicht dadurch Lebensqualität und wirtschaftliche Entwicklung auch in bislang strukturschwachen Regionen unseres Landes.

Bei der Betrachtung von Kritik, der sich jede Politik stellen muss, ist aber auch von Bedeutung, dass nicht durch die Vehemenz von Protesten schon der Eindruck erweckt wird, man verträte die angebliche Mehrheit. Hier kann ein maßgeblicher Bürgerentscheid in einer frühen Phase eines Projekts helfen, Kritik und einzelne Interessen richtig einzuordnen.

Ich halte Ihren Hinweis auf die angeblich "überwältigende Mehrheit" gegen die Verlängerung der Laufzeiten beispielsweise nicht für zutreffend. Sowohl die FDP, als auch die CDU und die CSU haben den Willen zu einer Verlängerung der Laufzeiten vor der Bundestagswahl 2009 offen erklärt, und es wurde seitens SPD und Grünen massiv mit diesem Thema Wahlkampf gemacht. Dennoch ergab die Wahl eine deutliche und stabile bürgerliche Mehrheit für FDP und CDU/CSU.

Durch die immer weiter voranschreitende Verteuerung elektrischer Energie durch das im Kern rot-grüne EEG, welches seinem Wesen nach Geld von den kleinen Stromkunden zu den Produzenten erneuerbarer Energien umverteilt, ist die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung zu einer moderaten Laufzeitverlängerung im Laufe der Zeit deutlich gewachsen. Eine Deutschlandtrend-Umfrage verzeichnete bundesweit sogar eine Zustimmung von 59% für Laufzeitverlängerungen zwischen 10 und 15 Jahren. Unter Einbeziehung der Gewinnabschöpfung zugunsten einer Förderung erneuerbarer Energien betrug die Zustimmung sogar 73%.

Dennoch ist der Weg in die Zukunft auch aus Sicht der FDP nur im Hinblick auf die erneuerbaren Energien zu beschreiten, die im Energiemix der Zukunft einen größeren Anteil übernehmen werden.

Ich bin sicher, dass ein Verfahren für mehr Bürgerbeteiligung, wie es von der FDP vorgeschlagen wird, geeignet sein wird, künftig Großvorhaben - gedacht war hier vor allem an infrastrukturell bedeutsame Projekte - gemeinsam mit den Menschen in Rheinland-Pfalz besser, schneller und kostengünstiger umzusetzen, sofern die Bevölkerung sie mehrheitlich befürwortet.

Mit freundlichen Grüßen,

Herbert Mertin MdL

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