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Heike Brehmer
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Frage von Maximilian K. •

Frage an Heike Brehmer von Maximilian K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Brehmer,

Ich habe Klärungsbedarf zum Thema Koalitionsverträge im Allgemeinen. Und hoffe, dass sie als Vorsitzende des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages mir da weiterhelfen können.

Ich habe bei meiner Recherche zu dem Thema keine gesetzliche Grundlage für Koalitionsverträge gefunden. Ich habe weder ein Gesetz dazu gefunden noch den Begriff im Grundgesetz.

Ich frage mich nun, warum Koalitionsverträge zulässig sind, da sie ja den gewählten Abgeordneten im Vorfeld eine Entscheidung vorschreiben. Im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht auf Seite 177

"Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen."

Aber im Grundgesetz Artikel 38 Absatz 1 steht

"Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen."

Widerspricht nun die vertragliche Vereinbarung nicht dem Grundgesetz und ist daher ein Versuch bzw. eine Vereinbarung die Artikel 38 aushebt und damit die Grundordnung beeinträchtigt, von der in Artikel 21 des Grundgesetzes die Rede ist?

Ich bekomme das Thema Koalitionsvertrag, also die Vereinbarung von Ergebnissen und Themen vor der Parlamentsarbeit, nicht mit meinem demokratischen Verständnis und dem was ich gelernt habe in Einklang.

Ich hoffe sie können mir da weiterhelfen.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Koalitionsverträge vom 14. Juli 2018.

Koalitionsverträge werden von den politischen Parteien geschlossen, die gemeinsam die Regierung tragen. Es handelt sich dabei um eine Übereinkunft, in der die zukünftige politische Arbeit der Regierung festgelegt wird. Von den Koalitionspartnern werden darin sachliche, personelle und verfahrenstechnische Bedingungen festgehalten, unter denen sie bereit sind, den Bundeskanzler bzw. die Bundeskanzlerin zu wählen, eine Regierung zu bilden und diese parlamentarisch zu tragen.
Das Grundgesetz (GG) enthält zwar keine Norm, die Koalitionsverträge ausdrücklich vorsieht – allerdings auch keine, die sie ausschließt. Ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit ist allgemein anerkannt. Sie wird aus den Artikeln 63 Abs. 1 und 21 GG hergeleitet. Gemäß Artikel 63 Abs. 1 GG wird der Bundeskanzler auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag ohne Aussprache gewählt. Dieses Ausspracheverbot ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn bereits im Vorfeld der Kanzlerwahl Vereinbarungen zwischen den Parteien getroffen werden dürfen. Für die Zulässigkeit von Koalitionsverträgen spricht weiterhin das Bekenntnis des Grundgesetzes zur Parteiendemokratie. Nach Artikel 21 GG wirken die Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mit.

Außer der Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes wird den Parteien vom Grundgesetz innerhalb der Verfassungsorgane keine bestimmende Rolle zugewiesen. Ihr Einfluss und damit auch die rechtliche Bindungswirkung eines Koalitionsvertrages enden somit an den vom Grundgesetz vorgegebenen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten.

Wie Sie richtig feststellen, sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages nach Artikel 38 Abs. 1 GG an Aufträge und Weisungen nicht gebunden. Ein imperatives Mandat ist ausgeschlossen. An diesen Festlegungen des Grundgesetzes ändert auch ein Koalitionsvertrag nichts. Ebenso wenig ist dieser geeignet, die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers sowie sein Vorschlagsrecht bei der Regierungsbildung (Art. 64, 65 GG) rechtswirksam einzuschränken. Weder durch einen Koalitionsvertrag noch durch einen Koalitionsausschuss kann die Bundesregierung daran gehindert werden, nach Artikel 76 Abs. 1 GG beim Bundestag Gesetzesvorlagen einzubringen. Anderslautende Vereinbarungen wären verfassungswidrig. Es wäre z.B. unzulässig, die Einbringung von Gesetzentwürfen an die Genehmigung durch ein im Koalitionsvertrag vorgesehenes Gremium zu koppeln. Daher erklären die Koalitionspartner im Koalitionsvertrag lediglich ihre Absicht, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung ihren Einfluss geltend zu machen.

Die rechtliche Bindungswirkung von Koalitionsverträgen wird unterschiedlich beurteilt. Einigkeit besteht allerdings darin, dass Koalitionsverträge gerichtlich nicht einklagbar und vollstreckbar sind.

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Mit freundlichen Grüßen

Heike Brehmer, MdB

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