Sehr geehrte Frau Reichinnek, Sie schreiben „wer arbeiten will, soll auch arbeiten dürfen“. Wie möchten Sie mit der Gruppe derjenigen umgehen, die nicht arbeiten wollen trotz fairer Angeboten?
Sehr geehrter Herr K.
diese Frage begegnet mir oft und ich räume gern mit einem weit verbreiteten Mythos auf: Die Gruppe der Menschen, die „einfach nicht arbeiten wollen“, ist extrem klein. Die allermeisten, die nicht im Erwerbsleben stehen, kämpfen mit gesundheitlichen Problemen, fehlender Qualifikation, Sorgearbeit, Diskriminierung oder unzuverlässigen Arbeitgebern, aber nicht mit mangelnder Motivation.
Für mich heißt „wer arbeiten will, soll arbeiten dürfen“ vor allem: faire Löhne, gute Arbeitsbedingungen, verlässliche Betreuung und echte Chancen, statt Menschen in schlecht bezahlte oder sinnlose Jobs zu drängen. Und wer nicht arbeiten kann oder vorübergehend nicht arbeiten will, verdient grundlegende soziale Sicherheit. Armut als Druckmittel hilft niemandem, weder den Menschen noch dem Arbeitsmarkt.
Kurz: Nicht die „Arbeitsunwilligen“ sind das Problem, sondern ein System, das Millionen trotz Arbeit arm hält und Unterstützung oft mit Misstrauen begegnet.

