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Hartmut Koschyk
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Frage von Tobias D. •

Frage an Hartmut Koschyk von Tobias D. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Koschyk,

ich interessiere mich für Ihre parlamentarische Arbeit und Ihre persönliche Einschätzung im Hinblick auf die DVR Korea (ab hier Nordkorea), da Sie wohl der arrivierteste Kenner der Koreanischen Halbinsel im Deutschen Bundestag sind.

Ich würde mich freuen, wenn Sie kurz erläutern könnten, wie und ob Sie im Rahmen Ihrer Arbeit in der zuende gehenden Legislaturperiode zur Verbesserung der deutsch-nordkoreanischen Beziehungen beitragen konnten und wo Sie für die kommende Legislaturperiode Handlungsbedarf oder –Möglichkeiten für neue Initiativen seitens des Bundestags, der Regierung oder einzelner Parlamentarier sehen.
Ist aus Ihrer Sicht als Parlamentarier die Außenpolitik der Bundesregierung in den letzten vier Jahren gut und richtig gewesen, oder würden Sie sich in der Zukunft zumindest in einigen Feldern eine andere Politik wünschen? Wenn ja, in welchen?

Ich habe ähnliche Anfragen auch an Ihre Kollegen der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe sowie die Außenpolitischen Sprecher der Fraktionen geschickt, um mir ein besseres Bild von der Haltung der verschiedenen Parteien zur Nordkoreapolitik Deutschlands machen zu können.

Vielen Dank und beste Grüße,

Tobias Dondelinger

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Dondelinger,

als Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages von 1998 bis 2009 sowie als deutscher Ko-Vorsitzender des bilateralen Deutsch-Koreanischen Forums gebe ich Ihnen gerne Auskunft.

Deutschland und die EU verfolgen bei ihrer Politik zur Stabilisierung der koreanischen Halbinsel eine doppelte Strategie, an der festgehalten werden sollte: zum einen eine Vertiefung ihrer bilateralen Beziehungen mit Südkorea unter der Führung der neu gewählten Staatspräsidentin Pak Guen Hye und zum anderen eine entschlossene Haltung gegenüber dem nordkoreanischen Regime unter dem neuen Machthaben Kin Jong Un. Bereits am 15. Juni 2011 hat die EU eine gemeinsame Position gegenüber Nordkorea verabschiedet. Darin wird klar gestellt, dass die EU einen unterstützenden Beitrag zur Sicherheit auf der koreanischen Halbinsel leisten wird, ohne sich dabei in den Vordergrund drängen zu wollen. Die EU unterstützt eine Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche, aber auch Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegenüber Nordkorea zur Sicherheit des Weltfriedens. Ebenso fordert die EU die Wahrung der Menschenrechte in Nordkorea ein. Weitere Kooperation ist gekoppelt an eine Abkehr der bisherigen nordkoreanischen Politik der Konfrontation. Dies gilt sowohl für eine Vertiefung der wirtschaftlichen oder politischen Beziehungen, als auch für humanitäre Hilfeleistungen.

Der Bundesrepublik geht es darum, durch konkrete humanitäre Projekte der Bevölkerung Nordkoreas das Leben ein wenig zu erleichtern und den Austausch mit dem Ausland zu fördern. Deutschland ist seit 1. März 2001 als eines der wenigen EU-Länder mit einer eigenen Botschaft vor Ort vertreten. Sie unterstützt diese Projekte, so etwa die Arbeit des Vorsitzenden des Vereins „ZUSAMMEN - Bildungszentrum für gehörlose, blinde und nichtbehinderte Kinder Hamhung e.V.“, Herrn Robert R. Grund, der von Geburt an gehörlos ist und sich seit 2003 für behinderte Kindern und Jugendlichen in Nordkorea einsetzt. Der Verein hatte großen Anteil daran, dass die nordkoreanische Regierung der Ratifizierung eines „Memorandum of Understanding“ des Weltverbandes der Gehörlosen (WFD) und der Koreanischen Vereinigung für den Schutz der Behinderten (KFPD) zugestimmt hat. Die Ratifizierung fand 2012 in Helsinki statt. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und das Auswärtige Amt haben die Helsinki-Reise der KFPD-Mitglieder finanziell unterstützt.

Die bilaterale Zusammenarbeit konzentriert sich auf die Bereiche Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Kultur. Träger sind die Deutsche Welthungerhilfe, die Caritas und das Deutsche Rote Kreuz sowie die politischen Stiftungen. Ziel ist es, Hilfestellung zu leisten, die der Bevölkerung möglichst unmittelbar zugute kommt und bei der das Risiko der Zweckentfremdung deutlich vom humanitären Nutzen überwogen wird. Inzwischen haben auch fast alle politischen Stiftungen sehr interessante Beratungs- und Austauschprojekte in Nordkorea auf den Weg gebracht. Die Hanns-Seidl-Stiftung arbeitet mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) an der Teilnahme Nordkoreas in Pilotprojekten des Umweltschutzes, so etwa im „Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung“, der eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zum Ziel hat. Im Rahmen dieses Projektes haben sich 2012 Forstfachleute aus Nord- und Südkorea in Deutschland zu einer Fachkonferenz getroffen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung ermöglichte es im Rahmen ihres Stipendienprogramms zwei nordkoreanischen Juristen, von 2008 bis 2010 ein Masterprogramm in internationalem Recht zu absolvieren. Die Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützt unter anderem einen Expertenaustausch zu Fragen einer nachhaltigen Energiepolitik. Auch die Friedrich-Naumann-Stiftung führt ähnliche Projekte in Nordkorea durch.

Insgesamt ist für die koreanische Halbinsel und Nordostasien ein vertrauenspolitischer Prozess notwendig. Der Deutsche Bundestag hat sich in seinem Entschließungsantrag am 25. Juni 2013 für eine Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche zwischen den beiden koreanischen Staaten, der Volksrepublik China, den Vereinigten Staaten von Amerika, der Russischen Föderation und Japan ausgesprochen. Die Rolle der Europäischen Union und damit Deutschlands sollte es auch weiterhin sein, „gute Dienste“ dahingehend anzubieten, dass man auf den Prozess von Sicherheit und Entspannung sowie Abrüstung in Europa verweist (KSZE/KVAE). Nicht wenige Fachleute in Nordostasien können sich vorstellen, dass sich nach einer Lösung der Nuklearfrage ein regionaler KSZE/KVAE-Prozess wie einst in Europa entwickelt. Eine solche Phase von Entspannung, Annäherung und Abrüstung in Nordostasien könnten die Europäische Union und Deutschland aktiv begleiten. Ein derartiger Prozess kann auch dazu führen, dass eines nicht fernen Tages das koreanische Volk mit Zustimmung seiner Nachbarn und der internationalen Gemeinschaft seine Einheit in freier Selbstbestimmung wiedererlangt.

Der Deutsche Bundestag hat sich bereits 2002 in einem interfraktionellen Antrag für solch eine Art nordostasiatischen KSZE-Prozess ausgesprochen. Dieser solle „nicht nur auf die unmittelbare Lösung des Nuklearproblems abzielen“. Ebenso wesentlich seien „Vertrauensbildung und Rüstungskontrolle, Wirtschafts- und Energiethemen, innergesellschaftlicher Wandel, Menschenrechte und ein breiter Dialog sowie ein Interessenausgleich.“ „Deutschland und die Europäische Union“, so heißt es in dem bis heute gültigen Antrag weiter, „können das regionale Bemühen um Sicherheit in Nordostasien dahingehend unterstützen, dass Nordkorea seine Nuklearambitionen aufgibt und wieder internationale Kontrollen zulässt.“ In diesem Fall würde es mittel- bis langfristig international eingebunden, erhielte Sicherheitsgarantien und würde mit „effektiven Hilfsmaßnahmen ausgestattet, die die Energieversorgung, die humanitäre Lage und die wirtschaftliche Entwicklung“ verbesserten. All dies könnte „langfristig auch in eine politische Öffnung des Landes münden“.

Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Koschyk MdB