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Harald Dösel
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Frage von Herbert R. •

Frage an Harald Dösel von Herbert R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Dösel,
6000 Demo-Teilnehmer in Chemnitz. Ganz sicher nicht nur Rechtsradikale?! Glaubt man den Ausführungen von Soziologen, so hat die Wut eine tiefere Ursache: massive Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen! Folge: große Massen zeigen sich auch für rassistische Mobilisierungen empfänglich.
Lieber Herr Dösel: Soziologen verknüpfen dies mit Ihrer Partei. Beispiel Christoph Butterwegge: "Die Agenda 2010 war ein Nährboden für den Rechtspopulismus".
Dass Ihre Agenda 2010 (Hartz IV als Repressionsapparat – Zerstörung der gesetzlichen Rente, ganz im Interesse von Lobbyisten und vieles mehr) den Nährboden mit geschaffen hatte, auf dem der Rechtsruck nun prima gedeihen kann ist für mich plausibel.
Jakob Augstein bringt es auf den Punkt:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-die-rechtspopulisten-und-dernationalenationale-sozialismus-kolumne-a-1191417.html
Augstein hat Recht: Sollte die AfD ihr neoliberales Wirtschaftserbe (zunächst) über Bord werfen – sollte sich also der national-soziale Höcke-Flügel durchsetzen – wird die AfD glorreichen Zeiten entgegengehen!
Wenn Augstein schon von Verwüstungen spricht, die im gesellschaftlichen Gefüge des Landes angerichtet wurden, so sollte der Verursacher dieser Verwüstungen auch ganz klar benannt werden: es ist die SPD! Ihre SPD!
https://www.sueddeutsche.de/politik/zehn-jahre-agenda-auf-dem-weg-nach-unten-1.1638856-2
Herr Dösel: warum verweigert sich Ihre Partei - Steigbügelhalter des längst gescheiterten Neoliberalismus – weiterhin einer sozialdemokratischen Politik? Sind Ihnen die Folgen der Verwüstungen (Nährboden für sog. „Wutbürger“ und ihrem parlamentarischen Arm) etwa egal? Sind Ihnen die Folgen für Ihre Partei (konsequenter Absturz ins Bodenlose – in Bayern gem. Umfragen hinter der AfD) egal? Können Sie mir verraten, warum Sie Ihre Partei – eine ehemalige Volkspartei mit Todessehnsucht – noch immer für wählbar halten?
Vielen Dank für Ihre Rückantwort.
Gruß
H. R.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Richter,

Teile Ihrer Analyse kann ich durchaus nachvollziehen, auch ich gehöre seit ich in der SPD bin, zu den Kritikern eines neoliberalen Politikansatzes, der alles einer Marktlogik unterwirft und damit Menschen zum bloßen Spielball von Kapital- und Konzerninteressen macht. Auch ist es richtig, dass diese Politik verunsichert und am Ende möglicherweise anfälliger für die Hassbotschaften von der ganz rechten Seite anfällig gemacht hat. Nun aber die Ausschreitungen und die rassistische Hetze (Sie sprechen ja Chemnitz an) allein aus dieser Wurzel erklären zu wollen, griffe meiner Meinung nach zu kurz. Zudem finde ich Ihre Vorwürfe an die Sozialdemokratie, so wie Sie sie erheben, zu pauschal. Die SPD und insbesondere die bayerische SPD - gerade in der jetzigen Phase - lässt sich gewiss nicht auf die "Schröder-Zeit" und ihre Fehler ("Agenda-Politik") reduzieren. Unsere Spitzenkandidatin Natascha Kohnen betont gerade immer wieder, dass Marktradikalität und Neoliberalismus gescheitert sind und die Rückkehr zu einer konsequenten ("traditionellen") Sozialdemokratie mit einem starken Sozialstaat und mehr wirksamen Umverteilungsmechanismen nötig ist, um hier gegenzusteuern. In Bayern bedeutet dies beispielsweise konkret, deutlich mehr Mittel in den sozialen Wohungsbau zu stecken oder Familien durch eine kostenlose Kinderbetreuung zu entlasten. Mit Blick auf die Bundesebene stehe ich im Rahmen unseres Erneuerungsprozesses beispielsweise für eine Reform des Rentensystems, das endlich wieder die gesetzliche Rentenversicherung in den Mittelpunkt rückt, in die alle Erwerbstätigen, also auch Selbstständige und Beamte, einzahlen müssen. Darüber hinaus müssen mehr Haushaltsmittel in die Rente fließen, vor allem die versicherungsfremden Leistungen müssen in diesem Zusammenhang generell aus Steuermitteln finanziert werden. Auch trete ich für mehr Steuergerechtigkeit ein, das heißt Spitzenverdienste und hohe Vermögen müssen deutlich stärker zur Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben herangezogen werden. Hier und auch in anderen Bereichen, zum Beispiel im Gesundheitswesen, gilt es gegenzusteuern. 

Wenn Sie genau hinsehen, werden Sie eine Sozialdemokratie erleben, die gegewärtig im Aufbruch ist und sich sehr ernsthaft mit ihrer zukünftigen Ausrichtung befasst. Dass sie dabei gleichzeitig als Regierungspartei in der Großen Koalition eingebunden ist und dies den Erneuerungsprozess erschwert, ist dabei eine bittere Erfahrung, die ich uns (und wohl sicher auch Ihnen) persönlich gerne erspart hätte. Dennoch: Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg, vielleicht sind Sie ja im Sinne einer "kritischen Solidarität" dabei?

 
Mit den besten Grüßen

Harald Dösel