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Hans-Peter Uhl
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Frage von Yves B. •

Frage an Hans-Peter Uhl von Yves B. bezüglich Recht

Sehr geehrter Dr. Uhl,

Art. 3 des GG legt fest (Zitat): „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (...) Niemand darf wegen (...) seiner Heimat und Herkunft (...) benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Folgendem Artikel: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,722220,00.html
ist eine systematische Missachtung dieses Grundsatzes durch die dt. Rechtsprechung zu entnehmen. Insbesondere bei Familien- und Erbrechtsangelegenheiten wird nach Recht des Herkunftslands der Betroffenen (und damit nicht selten nach der Scharia) über diese und ggf. ihre daraus folgenden Sonder-“Rechte“ dem dt. Staat gegenüber geurteilt.

Von Ihnen als Mitglied im Innenausschuss des Bundestags erbitte ich Auskunft darüber, wie es zu dieser gleichheitswidrigen und undemokratischen Ermächtigung anderer Staaten zur Aushebelung dt. Rechtsnormen kommen konnte und wie Sie dagegen vorzugehen gedenken.

Mit freundlichen Güßen

Yves Busch

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Busch,

der von Ihnen zitierte Artikel aus Spiegel-Online ist reißerisch und unsachlich und zeichnet daher ein Zerrbild.

Grundsätzlich gilt vor den deutschen Gerichten natürlich deutsches Recht. Da aber in vielen Fällen des Privatrechts ausländisches Recht näher am Sachverhalt ist, ist auch dessen Anwendung möglich. Die Grundlage hierfür findet sich in Art. 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB), welcher die Anwendung ausländischen Rechts bei Sachverhalten mit einer Verbindung zu einem ausländischen Staat zulässt. Dieses Prinzip nennt sich Internationales Privatrecht (IPR), es gilt jedoch nicht ohne Einschränkungen: Grenze für die Anwendung ausländischen Rechts im Rahmen des IPR ist der in Art. 6 EGBGB normierte ‚ordre public‘:

„Eine Rechtsnorm eines anderen Staates ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist.“

In den meisten Fällen wird jeder einsehen, dass diese Möglichkeit, privatrechtliche Bindungen über Staatsgrenzen hinweg in gewisser Weise zu berücksichtigen, sinnvoll ist. Etwa wenn eine Erbschaft in Deutschland geregelt werden muss, der Erblasser jedoch in Frankreich gelebt hat o.ä.

In anderen Fällen ist diese Praxis natürlich etwas schwerer verdaulich: Ja, es ist wahr, dass im Bereich des IPR auch einige Normen der Scharia an deutschen Gerichten gelegentlich Anwendung finden. Es geht also um den Fall, dass ein Vertrag durch zwei Privatpersonen in einem Land geschlossen wurde, in dem die Scharia Bestandteil des staatlichen Recht ist oder der Sachverhalt einen wesentlichen Bezug zu einem solchen Staat aufweist.

Dies bleibt auf Fälle beschränkt, die mit deutschem Recht nicht schlechthin unvereinbar sind. So ist eine Anerkennung von Bestimmungen, die z.B. Zwangsehen noch Steinigungen legitimieren wollen, natürlich ausgeschlossen.

Die rechtlichen Auswirkungen können an einem Beispiel erläutert werden (Fundstelle NJW-RR 1998,1538ff.; BayObLG, Beschluss vom 7.4.98 - 1Z BR 16-98): Im konkreten Fall ging es um die Scheidung einer Ehe, die vor einem geistlichen Gerichtshof in Syrien vollzogen worden war. In der Hochzeitsurkunde wurde auf die Anwendung der islamrechtlichen und gesetzlichen Grundsätze des Landes Syrien verwiesen. Obwohl das Ehepaar - bei dem die Frau die syrische, der Mann allerdings die deutsche und die syrische Staatbürgershaft hat - in Deutschland lebte, wurde aufgrund des Verweises in der Hochzeitsurkunde bei der Scheidung syrisches Recht (und mithin Bestimmungen der Scharia) angewandt zur Regelung der Unterhaltsverpflichtungen.

Die von Ihnen bemängelte Benachteiligung bzw. Bevorzugung im Sinne des Art.3 Abs.1 GG ergibt sich daraus jedoch nicht. Dies wird an dem Beispiel deutlich, das der von Ihnen zitierte Spiegel-Artikel aufgreift: So muss sich zwar die Ehefrau die Witwenrente mit der Zweitfrau teilen, jedoch steht ihr dadurch kein höherer Rentenanteil zu. Das heißt: Durch die unter der Scharia vollzogene zweite Eheschließung wird ein Unterhaltsanspruch der Zweitfrau nur gegen den Ehemann begründet, nicht jedoch gegen den deutschen Rentenversicherungsträger.

Übrigens: Meiner Einschätzung nach hätte das Gericht auch anders entscheiden können: Mit der Begründung, dass es in Deutschland keine Polygamie gibt, hätte das Gericht die Ansprüche der zweiten Ehefrau abweisen können. Damit wäre jedoch ein schwieriges Werturteil darüber, welche Ehefrau die ‚richtige‘ sei, verbunden gewesen.

Das ganze Thema ist sicherlich heikel. Es ist eben schwierig, bei der Anwendung des IPR zwischen verschiedenen auswärtigen Staaten Unterschiede zu machen: Wenn wir aus guten Gründen z.B. privatrechtliche Bindungen aus der amerikanischen oder italienischen Rechtsordnung akzeptieren (wollen), können wir dies nicht selektiv für andere Staaten (z.B. Syrien oder Marokko) ausschließen. Letzteres ruft natürlich keine Begeisterung hervor - auch bei mir nicht.

Eines ist jedenfalls klar zu sagen: Solange man keinen privaten Vertrag nach gesetzlichen Normen eines auswärtigen Staates geschlossen hat, die ggf. auf die Scharia Bezug nehmen, ist eine Rechtsanwendung dieser Regeln in einem Verfahren vor deutschen Gerichten ganz und gar ausgeschlossen.

Mit freundlichen Grüßen
Uhl