Frage an Hans-Peter Uhl von Martin H. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,
haben Sie herzlichen Dank für die sehr ausführliche Beantwortung meiner Frage zum Thema Grundgesetzänderung und Kriegsführung. Ich bin sehr beruhigt, dass Sie nicht anstreben, in Deutschland Verhältnisse wie in den USA oder Großbritannien zu schaffen, wo die Regierungen wie im 19. Jahrhundert Angriffskriege führen dürfen.
Deshalb mache ich mir Hoffnungen, dass Sie auch meine nächste, mit der ersten eng zusammenhängende Frage beantworten, die ich vor ein paar Monaten bereits der SPD-Verteidigungsexpertin Merten gestellt hatte (vgl. http://www.abgeordnetenwatch.de/ulrike_merten-650-5494--f183171.html#q183171 ), aber auf die ich keine echte Antwort bekommen habe. Sie besteht aus drei Teilen:
(1) Der Angriff auf den Irak im Jahre 2003 war eindeutig völkerrechtswidrig, und der Krieg hat 50,000-100,000 Menschen das Leben gekostet. Wäre es nicht die moralische und völkerrechtliche Pflicht der Bundesrepublik (gewesen), die USA soweit möglich an der Ausführung ihrer Kriegspläne zu hindern?
(2) Wenn das NATO-Truppenstatut die Führung von Angriffskriegen von deutschem Boden aus erlaubt, wäre es dann nicht dringend notwendig, dieses Statut zu ändern, da ja die NATO ein reines Verteidigungsbündnis ist und die Führung von Angriffskriegen durch das Grundgesetz (sowie die UN-Charta) verboten wird (Art. 26, Abs. 1)?
(3) Falls die USA in nächster Zeit wieder einen Angriffskrieg beginnen (z.B. einen "Präventivkrieg" gegen den Iran, wie schon verschiedentlich von hochrangigen US-Politikern wie J. McCain angedroht, oder gegen Russland, vielleicht im Zusammenhang mit Spannungen im Kaukasus oder der Ukraine), würden Sie sich im Bundestag dafür einsetzen, dass die Bundesregierung die Nutzung von deutschen Einrichtungen für solche rechtswidrigen Kriegshandlungen untersagt?
Mit bestem Dank und freundlichen Grüßen,
Ihr
Prof. Dr. Martin Haspelmath
Sehr geehrter Herr Professor Haspelmath,
den Irakkrieg 2003 halte ich für einen schweren politischen und moralischen Fehler, (u.a.) weil er wohl mehr Leid verursacht und Menschenleben gekostet hat als dies in relevanten Alternativszenarien absehbar der Fall gewesen wäre (fortgesetzte Herrschaft von Saddam Hussein etc.).
Dass dieser Krieg "eindeutig völkerrechtswidrig" gewesen wäre, kann ich jedoch nicht bestätigen. Die Bewertung ex post ist Gegenstand eines Meinungsstreits; nach der in diesen Fällen jedoch entscheidenden ex-ante-Bewertung war die Eröffnung der Kriegshandlungen durch die US-Streitkräfte jedoch nicht (zumindest nicht eindeutig) völkerrechtswidrig.
Jedenfalls sollte die Präsenz der US-amerikanischen Streitkräfte auf deutschem Boden durch Nutzungseinschränkungen von deutscher Seite nicht in Frage gestellt werden, weil dies die transatlantische Partnerschaft und die besonderen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA beschädigen würde.
Gleichwohl können politische Mittel des Protests eingelegt werden, die - ungeachtet aller prinzipiellen politischen Nähe und Freundschaft zu den USA - den klaren Auffassungsunterschied in der Frage der Legitimität des Krieges zum Ausdruck bringen. In diesem Sinn hat die damalige rot-grüne Bundesregierung ja auch agiert und hat sich damit im Großen und Ganzen wohl korrekt verhalten.
Für Nachfragen zu diesem Thema bitte ich Sie höflichst, sich an ein Mitglied des Auswärtigen Ausschusses zu wenden.
Mit freundlichen Grüßen,
Uhl