Dr. Hannah Neumann
Hannah Neumann
Bündnis 90/Die Grünen
94 %
17 / 18 Fragen beantwortet
Frage von Reinhard G. •

Frage an Hannah Neumann von Reinhard G. bezüglich Verteidigung

Sehr geehrte Frau Neumann,

ich habe gehört, das die EU bewaffnungsfähige Eurodrohnen anschaffen will.

Können Sie mir sagen, welche Kosten (eventuell auch Folgekosten) hier genau auf die Steuerzahler zukommen können? Wäre es nicht sinnvoller, das Geld für zivile Zwecke einzusetzen?

Sehen Sie die Gefahr, das Drohnen die Hemmschwelle für militärische Konflikte, beziehungsweise für den Eintritt in einen Krieg, senken?

Können diese Drohnen nicht in der Zukunft auch mit Nuklear-Sprengköpfen bewaffnet oder durch eine künstliche Intelligenz gesteuert werden? Gibt es hier für Menschen in Ost und West ein neues Gefühl der Bedrohung?

Welche internationalen Abkommen gibt es für den Einsatz von Drohnen?

Wäre auch ein Einsatz im Inneren der EU denkbar?

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Hannah Neumann
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Reinhard Großmann,
vielen Dank für Ihre Email, in der Sie eine Reihe von Fragen zu sicherheitspolitischen Themen stellen, insbesondere zu militärischen Drohnen in der EU.

Die Rolle der EU – und insbesondere Deutschlands – beim Thema Frieden und Sicherheit auf globaler Ebene ist ein wichtiges Thema des aktuellen Wahlprogramms der Grünen. Dort heißt es:

Unsere [GRÜNE] Außen- und Sicherheitspolitik zielt darauf, Konflikte zu verhindern, und setzt deshalb auf Vorausschau gemäß der VN-Agenda für nachhaltige Entwicklung. Deutschland soll bei der politischen Entschärfung von Konflikten und in der zivilen Konfliktbearbeitung auf globaler Ebene eine treibende Kraft werden. Wir ergänzen den traditionellen Sicherheitsbegriff um die menschliche Sicherheit und rücken damit die Bedürfnisse von Menschen in den Fokus.
Den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gilt es zu stärken, einschließlich der Rolle des/der Hohen Vertreter*in. Die Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ wollen wir um einen Aufbauplan mit zivilen Planzielen ergänzen und den Auswärtigen Dienst für dessen heutige Aufgaben fit machen. Die personellen und finanziellen Mittel für zivile Krisenprävention sollten gezielt erhöht und durch eine Reform des Zuwendungsrechts langfristig planbarer werden. Wir wollen eine permanente und schnell einsatzbereite Reserve an EU-Mediator*innen und Expert*innen für Konfliktverhütung, Friedenskonsolidierung und Mediation aufbauen.
Wir wollen mehr ressortgemeinsame Analysen, Krisenfrüherkennung und Projektplanung, eine engere Abstimmung mit internationalen Partner*innen sowie einen angemessen ausgestatteten Fonds „Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung“. Wir möchten lokale zivilgesellschaftliche Konzepte und Akteur*innen in der Friedensförderung stärker unterstützen. Den Zivilen Friedensdienst (ZFD) wollen wir weiterentwickeln und bedarfsgerecht ausbauen, das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) sowie die Friedens- und Konfliktforschung stärken.

Nun zu Ihren konkreten Fragen:

1) und 2): Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat beschlossen, die Entwicklung und Anschaffung von in Europa produzierten militärischen Drohnen – sogenannte Eurodrohnen – mit 3 Milliarden Euro zu finanzieren. Als Grüne positionieren wir uns entschieden gegen eine völkerrechtswidrige Nutzung von bewaffneten Drohnen, u.a. um zu verhindern, dass die Hemmschwelle für militärische Konflikte sinkt, wie Sie das angesprochen haben. Bewaffnete Drohnen wurden und werden leider nach wie vor vielfach auch von unseren Bündnispartnern für extra-legale Tötungen und andere völkerrechtswidrige Taten eingesetzt. Ein solcher Einsatz ist für uns undenkbar und mit dem deutschen Verfassungs- und Wehrrecht nicht vereinbar. Gleichzeitig erkennen wir an, dass diese Systeme Soldat*innen in gewissen Situationen besser schützen können. Deshalb muss klargemacht werden, für welche Einsatzszenarien der Bundeswehr die bewaffneten Drohnen überhaupt eingesetzt werden sollen, bevor über ihre Beschaffung entschieden werden kann.

3) Die sogenannten Eurodrohnen können durch die Bundeswehr in Zukunft für Aufklärungszwecke verwendet, aber auch mit Waffen bestückt werden. Allerdings erfordert der Einsatz von bewaffneten Drohnen die Zustimmung des Bundestags. Der Einsatz von Atomwaffen ist in Deutschland verboten.
Beim Thema Künstliche Intelligenz in Verbindung mit Waffensystemen vertreten wir Grüne ebenfalls eine klare Meinung: Autonome tödliche Waffensysteme, die keiner wirksamen Steuerung mehr durch den Menschen bei Auswahl und Bekämpfung von Zielen unterliegen, stellen eine unberechenbare Bedrohung dar – Sie hatten das in Ihrer Frage ja erwähnt. Im Sinne von Frieden und Stabilität wollen wir Autonomie in Waffensystemen international verbindlich regulieren und Anwendungen, die gegen ethische und völkerrechtliche Grundsätze verstoßen, international verbindlich ächten und verbieten. Das gilt auch für digitale Waffen wie Angriffs- und Spionagesoftware. Hierbei müssen Deutschland und die EU eine globale Führungsrolle einnehmen.

4) Eine Reihe internationaler Waffenabkommen beziehen sich auch auf militärische Drohnen. Allerdings ist der bestehende rechtliche Rahmen in Bezug auf die Nutzung von militärischen Drohnen völlig unzureichend, insbesondere da sich auch zivile Drohnen leicht in bewaffnete Drohnen umwandeln lassen und deren Nutzung grundlegende ethische Fragen aufwirft. Einen guten Überblick zum rechtlichen Rahmen zur Nutzung von Drohnen bietet eine Studie in englischer Sprache des Europäischen Parlaments zum Thema.

5) Derzeit ist Frankreich der einzige EU-Mitgliedsstaat, der angibt, Drohnen mit Waffen ausrüsten zu können. Um eine ungeregelte Aufrüstung mit bewaffneten Drohnen in Europa zu verhindern, sollte die EU eine Kontrollfunktion übernehmen und in engem Austausch mit internationalen Organisationen einen rechtsverbindlichen Rahmen zur Nutzung von Drohnen erarbeiten.

Der Einsatz von militärischen Drohnen wird zu Recht immer wieder kritisch hinterfragt – wie auch von Ihnen. Daher muss deren Nutzung engmaschig eingeschränkt und kontrolliert werden.

Als Grüne haben wir im Europäischen Parlament bereits 2014 eine Resolution auf den Weg gebracht, die tiefste Besorgnis ausdrückt über den „Einsatz bewaffneter Drohnen außerhalb des internationalen Rechtsrahmens“. Sie können diese hier finden.

Vielen herzlichen Dank noch einmal für Ihre Fragen. Ich teile Ihre Besorgnis beim Thema bewaffnete Drohnen. Diese müssen strengen Regulierungen unterliegen – und als Grüne setzen wir uns dafür ein.

Mit freundlichen Grüßen,

Hannah Neumann

Was möchten Sie wissen von:
Dr. Hannah Neumann
Hannah Neumann
Bündnis 90/Die Grünen