Frage an Gudrun Kopp von Andreas R. bezüglich Verkehr
Hallo Frau Kopp.
Sie kommen aus dem Kreis Lippe, der derzeit zum Thema "Privatisierung des öffentl. Straßennetz" von sich Reden macht.
Viele dieser Privatisierungsprojekte sind im Bundesgebiet in einem (finanziellen) Disaster geendet, so dass es die Bürger sehr wundert, dass der Kreis Lippe an dem Vorgehen festhält!
Selbst die Bürgermeister der Region haben sich klar gegen dieses Vorgehen ausgesprochen.
Warum werden solche wesentlichen Fragen nicht mittels einer Volksbefragung entschieden?
Letztlich sind die Politiker die Vertreter des Volkes und KEINE eigenverantwortlichen Unternehmer im Sinn eines Gesellschafters mit eigen eingesetzten Kapital, die frei in Ihrer Meinung handeln dürfen. Es ist das Allgemeingut der Bürger, über welches die Politik bestimmt. Das gerät dieser Tage leider immer mehr in Vergessenheit...
Ich frage mich ersthaft, was kann ein privates Unternehmen volkswirtschaftlich besser machen, als ein Unternehmen des Bundes, Bundeslandes oder des Kreises/Gemeinde. Es sind immer Personen angestellt, die eine vorgegebene Arbeit leisten. Wie kann da ein privates Unternehmen die vorgespielten Einsparungen über eine Laufzeit von 25 Jahren bieten und was passiert nach den 25 Jahren?
Die Einsparungen können doch nur durch Dumping-Löhne der Unternehmen erzielt werden, die bei massiver Kostenreduzierung selbst noch Gewinne erzielen wollen und können. Die scheinbar möglichen Gewinn können die öffentlichen Unternehmen allein durch Missmanagement nicht ausreichend abschöpfen können. Das ist aber mehr ein unternehmerisches Problem der öffentlichen Institutionen als eine Frage der "Voll-Privatisierung des Staatseigentums"!
Aus diesem Grund möchte ich gern nachfragen, welche Position Sie und die FDP haben.
Welche Vorteile stehen welchen Nachteilen gegenüber?
Viele Grüße
Andreas Rohrmann
Sehr geehrter Herr Rohrmann,
vielen Dank für ihre Email und Ihr Interesse an der Politik der FDP.
Von der Idee einer echten Privatisierung ist der Lipper Landrat sehr schnell wieder abgekommen - weil dies rechtlich gar nicht möglich ist. Wie auch Sie schreiben, haben die Lipper die Straßen im Kreis mit ihren Steuern bezahlt und sie gehören nur ihnen - auch weiterhin. Bei dem Vorhaben des Landrats geht noch nicht einmal um ein echtes Public-Private-Partnership-Projekt,
sondern nur darum, die vielen Straßenunterhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen, die der Kreis bisher immer jährlich péu à péu an private Bauunternehmen ausgeschrieben hat, auf einmal an ein privates Unternehmen zu vergeben und dadurch Skaleneffekte zu erzielen, von denen wiederum der Kreis profitiert.
Die FDP hat diese Überlegungen nicht von vornherein abgelehnt, aber vorgeschlagen, das Risiko zu minimieren. Wir haben angeregt, Lippe in 3-5 Lose aufzuteilen und ein solches Verfahren in 1-3 Losen mit unterschiedlichen Partnern und über einen überschaubaren Zeitraum von 5 Jahren auszuprobieren. Bei dem jetzigen Beschluss kommt dagegen die Flexibilität viel zu kurz und das Einsparpotential ist noch dazu recht bescheiden. Zu all dem kommt, dass der heimische lippische Mittelstand nicht profitieren wird, denn für derart große und langfristige Projekte bedarf es großer Konzernunternehmen mit entsprechenden Rechts- und Planungsabteilungen.
Aus diesen angeführten Gründen hat die Lipper FDP diesem Vorhaben nicht zugestimmt.
Generell ist es eine liberale Grundüberzeugung, dass die Privatisierung öffentlicher Aufgaben in der Sozialen Marktswirtschaft eine ordnungspolitische Daueraufgabe ist. Es ist eine grundsätzliche liberale Überzeugung, dass der Staat lediglich Kernaufgaben selbst wahrnehmen sollte. Deshalb gehören staatliche Aktivitäten permanent auf den Prüfstand und müssen gerechtfertigt werden. Die Begründungen für staatliches Handeln sind im Zuge einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung teilweise weggefallen. Mit der Privatisierung sollen grundsätzlich Möglichkeiten zu wirtschaftlichen Lösungen bei hoher Qualität - also zu einer effizienten Leistungserstellung im Interesse des Nachfragers genutzt werden.
Grundsätzlich ist die FDP eine große Befürworterin von Volksentscheiden. Die direkte Demokratie soll nach Auffassung der FDP die parlamentarische Demokratie ergänzen, aber nicht ersetzen. Die FDP-Bundestagsfraktion will die Bürgerbeteiligung bei der Gesetzgebung stärken und hat deshalb einen Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in das Grundgesetz (Bundestagsdrucksache Nr. 16/474) vorgelegt.
Für kommunale Fragestellungen ist in den jeweiligen Gemeindeordnungen detailliert ausgeführt, worüber und mit welchen Quoren es Volksentscheide und Volksbegehren geben kann.
In der Hoffnung, Ihre Fragen beantwortet zu haben, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Gudrun Kopp, MdB