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Frage von Jens G. •

Frage an Gerhard Botz von Jens G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Warum haben Sie dem BKA-Gesetz und insbesondere der "Online-Durchsuchung" zugestimmt?
Denken Sie nicht, das "Terroristen" sich wirksam vor "Online Durchsuchungen" schützen können, der einfache Bürger aber nicht?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Gottstein,

es gibt in Deutschland 16 Bundesländer. Jedes Bundesland hat eigene Polizeigesetze. In den Polizeiaufgabengesetzen der Länder sind Befugnisse geregelt zur Gefahrenabwehr und zur Verbrechensverfolgung sowie präventive und repressive Zuständigkeiten. Mit dem BKA-Gesetz haben wir ein Gesetz verabschiedet, das dem Bundeskriminalamt auf Bundesebene erlaubt, im Bereich von Terrorismus nicht nur Strafverfolgung, sondern auch Gefahrenabwehr zu betreiben.

Hier wird eine Lücke in unserer Sicherheitsarchitektur geschlossen. Bisher mussten bei einer Gefahr, z.B. durch einreisende Verdächtige, zuerst die örtlichen Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Bundesländern abgeklärt werden, bevor eingegriffen werden konnte. Ich habe nie verstanden, warum bspw. im Bereich des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt zwar Verbrechen verfolgt werden können, aber nicht die Gefahrenabwehr vorgenommen werden darf. Zukünftig darf das Bundeskriminalamt bei länderübergreifenden Gefahren selbst handeln. Es war überfällig, dass diese Lücke geschlossen wird.

Das Bundeskriminalamt erhält nun operative Befugnisse, die von den Landespolizeien bereits angewandt werden und die sich auf Länderebene bewährt haben. Zusätzlich wird der Einsatz der Onlinedurchsuchung geregelt. Laut BKA-Gesetz ist dieses Instrument nur zulässig bei Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder bei Gefahren für Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Ein solcher Eingriff muss durch einen zuständigen Richter angeordnet werden. Bei der Durchführung der Maßnahme ist sicherzustellen, dass die datentechnischen Veränderungen auf das absolute Minimum beschränkt werden. Darüber hinaus sind umfangreiche Protokollierungen und natürlich die nachträgliche Unterrichtung des Betroffenen vorgesehen.

Lassen Sie mich noch etwas zur Onlinedurchsuchung sagen. Es wird von Sicherheitsexperten zu Recht darauf hingewiesen: Verbrechen hat etwas mit Kommunikation zu tun. Die Kommunikationstechnik und damit die Kommunikationswege haben sich stark weiterentwickelt. Ich fest davon überzeugt, dass die Lücke zwischen den Sicherheitsbehörden, ihren Befugnissen, ihren technischen Möglichkeiten und denjenigen, die zu verbrecherischen Zwecken mit moderner Technik kommunizieren, eher größer als kleiner geworden ist. Darum müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie wir in diesem Staat damit umzugehen haben. Ich glaube, dass diesen technischen Entwicklungen Rechnung getragen werden muss. Die Onlinedurchsuchung, so wie sie nun im Gesetz steht, ist rechtsstaatlich. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sind millimetergenau umgesetzt worden.

Man kann nun der Auffassung sein, Verfassungsrecht hin oder her, ich will die Onlinedurchsuchung nicht. Wir sind bis heute ohne Onlinedurchsuchungen ausgekommen. Wir kommen auch noch die nächsten zwanzig Jahre ohne Onlinedurchsuchungen aus, ohne dass die Sicherheit in Deutschland zusammenbricht. Diese Argumentation respektiere ich. Aber dann muss man so fair bleiben und sollte nicht behaupten: Deutschland wird Überwachungsstaat. Das eine hat mit anderen nichts zu tun! Die Onlinedurchsuchung basiert auf Rechtsstaatlichkeit, ist darum eben nicht beliebig einsetzbar und dient nicht der massenhaften Ausspähung von Bürgern.

Die Bundesrepublik Deutschland ist einer der qualifiziertesten Rechtsstaaten dieser Welt. Das war vor dem BKA-Gesetz so, und das bleibt nach diesem Gesetz so! Was ein Rechtsstaat wirklich ist, kann vielleicht beurteilt werden, wenn man die Realität in solchen Ländern betrachtet, wo es so etwas nicht gibt. Mir ist auf dieser Welt kein Land bekannt, in dem die Grundrechte so gut geschützt sind wie in Deutschland. Es gibt keinen Staat, in dem ein Verfassungsgericht so bedeutsam ist wie bei uns. Kein Staat kennt einen Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, der es jeder Bürgerin und jedem Bürger ermöglicht, Verletzungen ihrer Grundrechte durch unabhängige Gerichte überprüfen zu lassen.

Aus diesen Gründen glaube ich, dass ich mit meiner Zustimmung nicht das Vertrauen in diesen Staat untergrabe. Ich bin sicher, dass wir mit diesem novellierten BKA-Gesetz einen notwendigen Beitrag für den Erhalt der Sicherheitslage unseres Landes geleistet haben.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gerhard Botz