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Fritz Kuhn
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Frage von Thomas H. •

Frage an Fritz Kuhn von Thomas H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Kuhn,

im Moment kam mal wieder das Thema Indect durch die Piratenpartei auf den Tisch. Könnten nicht auch die Grünen mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten, damit dieses Projekt mittels öffentlichen Drucks gestoppt werden kann? In den Medien wird das Thema ja totgeschwiegen.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Hoffmann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

vielen Dank für Ihre Frage. INDECT wird auch von Bündnis 90/ Die Grünen seit längerem beobachtet und äußerst kritisch bewertet. Die zunehmende Geheimhaltung, mit der die Projektbetreiber auf die öffentliche Kritik reagieren, geht zudem gegen die Grundsätze der Transparenz angesichts der öffentlichen Förderung. Die Bereitstellung öffentlicher europäischer Fördermittel für ein Forschungsprogramm, welches bereits in seiner konzeptionellen Ausrichtung ein so hohes Potential für die spätere Verletzung grundlegender Bürgerrechte bei seiner möglichen Realisierung birgt, ist auch aus unserer Sicht in höchstem Maße fragwürdig.

Eine vernetzende, tendenziell totale Überwachung von menschlichem Verhalten im öffentlichen Raum - wie etwa in dem Hollywood-Film Minority Report dargestellt - widerspricht den Grundsätzen demokratisch-rechtsstaatlicher Staaten. Zudem steht sie im Widerspruch zur EU-Verfassung und der darin inkorporierten Grundrechte-Charta. Das Interesse an öffentlicher Sicherheit - im Hinblick auf welche konkreten Gefahren auch immer, bedarf einer Abwägung im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes bei Maßnahmen, die in die Grundrechte eingreifen. Die Zusammenführung von ganz unterschiedlichen Instrumenten und Informationen droht dabei stets das Selbstbestimmungsrecht und das Grundrecht auf Datenschutz zu verletzen, weil die Abbildbarkeit im öffentlichen Raum oftmals zahlreiche Unbeteiligte trifft, die Kommunikationsfunktion öffentlicher Räume durch chilling effects beeinträchtigt und durch die Fülle der zumeist heimlich durchgeführten Maßnahmen die Würde Betroffener so beeinträchtigt, dass sie zum bloßen Objekt staatlicher Herrschaftsausübung herabgesetzt werden.

In vielen Punkten wird bei INDECT auch die Frage aufgeworfen, ob es jemals zu den "erhofften" Wirkungen wie etwa der Echtzeit-Intervention von Polizeikräften wird kommen können: in England, dem Land der Videoüberwachungsweltmeister, wird das klägliche Scheitern der landesweiten Video-Infrastruktur zur Überwachung des öffentlichen Raums bei der Bekämpfung von Straftaten damit kompensiert, dass man nun "intelligente Videoüberwachung" durch Mustererkennung u.v.m. fordert und vorantreibt. Aber es fehlt bis heute an vorzeigbaren Erfolgen. Vieles spricht deshalb dafür, dass zumindest aktuell weniger eine Realisierung verknüpfter Überwachung in realtime droht, als vielmehr die sehr reale Verschwendung öffentlicher Mittel für wenig überzeugende Forschungsziele.

Eine vernetzende Überwachung, wie sie bei INDECT angestrebt wird, mag zwar im Einzelfall wie von den Projektbetreibern dargestellt zulässig erscheinen (z.B. bei der einzelfallbezogenen Bewältigung von konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit). Sie ist aber bereits wie dargestellt in der Grundanlage fragwürdig. Wir Grüne werden die kommenden Gelegenheiten nutzen, auf die mit diesem Projektansatz verbundenen Risiken hinzuweisen.

Wenn Sie weiterführende Informationen wünschen, wenden Sie sich gerne an den netzpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Konstantin von Notz. Sie erreichen ihn unter

Homepage: http://www.von-notz.de
Blog: http://www.gruen-digital.de

Weiterhin informieren Sie sich gerne unter

http://www.beschaeftigten-datenschutz.de

oder besuchen Sie unseren Kongress:

"Gesellschaft digital gestalten" - Netzpolitischer Kongress 12./13.11.2010, in den Räumen des Deutschen Bundestages http://www.nk10.de , http://www.netzpolitischer-kongress.de .

Mit freundlichen Grüßen

Fritz Kuhn