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Florian Hahn
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Frage von Guidio B. •

Frage an Florian Hahn von Guidio B.

Sehr geehrter Herr Hahn,

lt. Umfragen (Quelle Handelsblatt und Wirtschaftswoche) haben Politiker - Sie offenbar auch - mehr Angst vor einem Grexit als Vertreter der Wirtschaft. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?

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Sehr geehrter Herr Bruch,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 18. August dieses Jahres über abgeordnetenwatch.de, in dem Sie sich zur griechischen Schuldenkrise und der Abstimmung über weitere Finanzhilfen äußern.

Sehr viele Bürgerinnen und Bürger stehen – wie Sie – neuen finanziellen Hilfsmaßnahmen für Griechenland ablehnend gegenüber oder plädieren für ein Ausscheiden des Landes aus der Währungsunion. Auch wenn ich den Unmut aufgrund der Äußerungen, des Verhaltens und des Verhandlungsstils der griechischen Regierung vor dem Referendum gut nachvollziehen kann, habe ich nach Bewertung des aktuellen Verhandlungsergebnisses dem dritten Hilfspaket für Griechenland zugestimmt. Ich halte den jetzt erzielten Kompromiss für gut vertretbar. Wie von uns gefordert, wurde in den Verhandlungen ein hartes Reformpaket mit engmaschiger Kontrolle erreicht. Europa hat sich nicht erpressen lassen. Dem Prinzip Solidarität nur bei Eigenverantwortung wurde Rechnung getragen. Es hat sich in den anderen Programmländern bewährt. Ich bin überzeugt, dass nur mit dem vorliegenden, ambitionierten Reformpaket die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands wiederhergestellt und das Land auf den Wachstumspfad zurückgebracht werden kann.

Die Reformagenda, die Griechenland im neuen Memorandum of Understanding akzeptiert, ist umfassend. Dazu gehören u. a. eine durchgehende Modernisierung des Steuerrechts und der Steuererhebung, eine entschlossene Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung, eine tiefgreifende Reform der Verwaltung, des Renten- und Gesundheitswesens sowie des Arbeitsmarktes, Liberalisierungen im stark regulierten Energie und Transportsektor sowie eine Erhöhung der Effizienz der Sozialfürsorge.

Dabei haben griechische Regierung und griechisches Parlament den Ernst der Lage erkannt und – anders als noch vor dem Referendum – mit den Europartnern kooperiert: Schon vor Aufnahme der Verhandlungen hat das griechischen Parlament im Juli erste prioritäre Reformmaßnahmen – wie die Vereinheitlichung und Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Senkung der Rentenausgaben, die Garantie der Unabhängigkeit der Statistikbehörde, und die Implementierung der Bestimmungen des Fiskalvertrages – mit breiter Unterstützung auch der Opposition verabschiedet. Ein Großteil der jetzt vereinbarten Reformagenda wurde ebenfalls bereits vom Parlament angenommen.

Das neue Finanzhilfeprogramm hat einen Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre. Davon umfasst die erste Tranche 26 Milliarden, vorwiegend für den Schuldendienst und für die Rekapitalisierung der Banken. Die erste Tranche ist aufgrund deutschen Drucks geringer ausgefallen als zunächst beabsichtigt. Da die Auszahlung weiterer Hilfsgelder an einen Reformfortschritt geknüpft ist, kann so der Druck auf Griechenland aufrechterhalten werden, falls der jetzt gezeigte Reformeifer nach den geplanten Neuwahlen nachlassen sollte. Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank, ESM und IWF kontrollieren regelmäßig den Reformprozess.

Griechenland wird zudem als Sicherheit für die Hilfen einen unabhängigen und von der europäischen Institutionen kontrollierten Treuhandfonds einrichten, in den Staatseigentum in Höhe von 50 Mrd. Euro zur Privatisierung überführt wird. Der Fonds dient auch dazu, die zur Privatisierung anstehenden Werte zunächst zu erhalten und zu erhöhen, um ein bei sofortigem Kauf drohende „Verramschen“ unter Wert zu verhindern.

Der IWF schließlich beabsichtigt, sich an den Finanzhilfen zu beteiligen, u. a. wenn die Rentenreform durchgeführt wurde und die Schuldentragfähigkeit gewährleistet ist. Das kann nach Auffassung der europäischen Institutionen mit dem ambitionierten Reformprogramm und zusätzlichen Maßnahmen bezüglich der Schulden (tilgungsfreie Zeiten, Schuldenstreckung) erreicht werden. Ein Schuldenschnitt bleibt ausgeschlossen.

Was wäre die Alternative zur Zustimmung gewesen? Hier machen es sich viele der Kritiker meiner Ansicht nach zu einfach: Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion hätte für die Ländern der Eurozone – und in erster Linie Deutschland – sofort massive finanzielle Verluste mit sich gebracht. Turbulenzen im Euroraum wären wahrscheinlich gewesen, der totale Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft sicher. Verlässliche Prognosen über die längerfristigen Folgen eines Grexit für den Euroraum oder die geopolitische Stellung Europas lassen sich ohnehin nicht anstellen.

Eine verantwortungsbewusste politische Entscheidung verlangt immer ein sorgfältiges Abwägen der Alternativen. In der aktuellen weltpolitischen Situation halte ich ein einiges, stabiles Europa für unverzichtbar. Wir müssen die Krisen gemeinsam bewältigen. Eine Spaltung der Europäischen Union untergräbt die Basis für den Wohlstand unseres Landes. Das ist meiner Überzeugung nach die eigentliche Gefahr für das Wohlergehen künftiger Generationen. Wenn Griechenland auf dem jetzt begonnen Weg konsequent fortschreitet und sich entschlossen daran macht, sein Staatswesen in wesentlichen Teilen von Grund auf neu zu bauen, werden wir den Griechen engagiert zur Seite stehen. Als Deutsche wissen wir, dass ein Neuanfang möglich ist und erfolgreich sein kann. Uns ist aber auch bewusst, dass es dafür der Hilfe starker Partner bedarf.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Florian Hahn

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