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Frage von Julia S. •

Frage an Fabio Reinhardt von Julia S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Wie steht die Piratenpartei zum Feminismus?

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Hallo liebe Julia Schramm,

das ist keine ganz leichte Frage, denn unter Feminismus kann man ja vieles verstehen. Mit irgendeiner Definition wird sich sicher jeder Pirat anfreunden können, irgendeine (andere) wird Jeder ablehnen. Eine einheitliche Herangehensweise hat die Partei daher noch nicht gewählt. Bereits bei unserer Berliner Kandidatenaufstellung habe ich mich mit dieser Frage beschäftigt und habe mich dabei durchaus positiv äußernd selbst als "dekonstruktiven Feministen" bezeichnet: http://piraten.in/h7w Ich werde daher einmal ganz persönlich auf mehrere Aspekte feministischer Ansätze eingehen, mit denen sich die Piratenpartei durchaus verbunden fühlen wird und auf aktuelle Kritik am Feminismus.

Im Grunde sind Feminismus und Emanzipation einfach eine generelle Bewegung zur Beseitigung von Ungleichheiten und Zugangsbeschränkungen, ob es um die Gleichberechtigung von Farbigen geht, um Frauen, Ausländer. Darin ist die Piratenpartei natürlich gänzlich auf einer LInie: Auch bei uns geht es um die Beseitigung von Zugangsbeschränkungen - sei es durch die Diskriminierung über das Urheberrecht oder übertriebene Patente, Ausschluss aus dem Bildungssystem oder um ein altbackenes Wahrecht, was derzeit allein in Berlin über 470.000 hier lebende Menschen aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft von den Wahlen ausschließt. Die Piratenpartei ist und wird auch in Zukunft Emanzipationsbewegungen unterstützen, wie wir es bereits mit den Auständischen im Arabischen Frühling getan haben: http://piraten.in/h7x

Zwei Aspekte gibt es allerdings am Feminismus, wo sich ein kritischer Blick lohnt. Ich nenne sie ganz pauschal "Quotenfeminismus" und "Radikalfeminismus". Der Quotenfeminismus ist der Teil der Bewegung in Deutschland, der sich sehr stark auf die Um- und Durchsetzung von Frauenquoten fokussiert. Wohlwissend, dass jede Quotierung immer auch eine (wenn auch positive) Diskriminierung bedeutet, fehlt hier oft der Blick dafür, dass man am System selbst noch nicht viel verbessert hat, wenn man auf die Plätze, die jetzt Männer einnehmen, Frauen setzt, ohne dass man sonst etwas ändert. Radikalere Demokratie und Beteiligungsmöglichkeiten, umfassende Transparenz und Aufbrechen der "Old Boys-Netzwerke" würde das gleiche und oft mehr leisten als so manche Quote

Der zweite Aspekt ist eine Metakritik am Vorgehen mancher Feministen; eine Kritik, die sicherlich auch oft auf die Piratenpartei selbst zutrifft: "Radikale Feministinnen" haben in den vergangenen 40 Jahren großartiges geleistet und erreicht, heutzutage wirkt der Diskurs jedoch an vielen Stellen eingefahren und altbacken. Oft werden Debatten auf einem abgehobenen Niveau geführt, ohne Rücksicht darauf, dass Otto Normalbürger überhaupt noch etwas davon versteht. So werden manche feministischen Aushängeschilder wie Alice Schwarzer außerhalb der eigenen Peer Group kaum noch positiv wahrgenmmen. Abgesehen von den verschiedenen gesellschaftlichen Effekten (wie Mediendarstellung), die diese Entwicklung automatisch begünstigen, könnte "der Feminismus" (auch wenn es ihn in der Form ja nicht gibt) durchaus mithelfen, dieses Bild zu korrigieren. Das Darstellen und Erklären gesellschaftlicher Prozesse und der eigenen Ziele sollte meiner Ansicht nach einen wesentlich größeren Raum einnehmen. Einige Gedanken dazu habe in einem Artikel unter dem Namen "Welchen Feminismus brauchen wir?" formuliert: http://piraten.in/h7z

Viele Grüße,
Fabio Reinhardt