Frage an Emmi Zeulner von Benjamin W. bezüglich Recht
Werte Frau Zeulner,
bei Ihrer Rede zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Evaluierung des Betäubungsmittelrecht haben Sie zahlreiche Probleme des krankhaften Drogenkonsums beschrieben und die derzeitige Verbotslage darauf basierend für absolut korrekt bezeichnet. Ich frage Sie: Wenn Sie keinen Zweifel an der Korrektheit der jetzigen juristischen Bestimmungen haben, wieso sind Sie dann nicht bereit eine unabhängige Evaluierung zuzulassen, welche ja dann Ihre Einstellung bestätigen müsste, wenn Sie da wirklich so richtig liegen würden? Und wenn Sie meinen da so absolut richtig zu liegen und Sie zu absolut keiner Abkehr von der jetzigen Politik bereit sind, auch nicht bei so einer nachweislich so harmlosen Droge wie Cannabis, wieso fordern Sie dann nicht konsequenter Weise auch das Verbot von Alkohol als Genussmittel? Der Schaden einer Alkoholsucht ist mindestens genauso groß wie der einer jeden anderen krankhaften Drogensucht. Das akzeptieren Sie aber scheinbar als völlig normalen Teil des Alltags. Für Sie ist es scheinbar völlig unbedenklich wie Massen an Erwachsenen auf Volksfesten, Feiertagen wie Christi Himmelfahrt, auch allgemein in Deutschland als Vatertag bezeichnet oder auf Weihnachtsmärkten sich sinnlos besaufen und Kindern ein schlechtes Vorbild sind. Jeder Joint in der Öffentlichkeit ist Ihnen aber bereits zu viel und eine zu große Gefahr für die Gesellschaft. Kann es sein das Sie hier mit zweierlei Maß messen?
Und ist Ihnen eigentlich bekannt wie bedeutend Cannabis für den Gesundheitssektor ist? Leider wird hier eine Fortentwicklung mit der Kriminalisierung dieser Droge immenser Einhalt geboten, während betroffene Patienten auf künstliche Medikamente mit horrenden Nebenwirkungen und sehr hohen Kosten verwiesen werden. Sondergenehmigungen zur Nutzung helfen hier wenig, weil Probanten für Studien Angst vor der Stigmatisierung haben. Haben Sie das bei Ihren Überlegungen auch berücksichtigt?
Mit freundlichem Gruß
Benjamin Wagener
Sehr geehrter Herr Wagener,
vielen Dank für Ihr Schreiben im Nachgang zu meiner Rede im Plenum des Deutschen Bundestages zum Antrag der Fraktionen Bündnis 90/DIE GRÜNEN sowie DIE LINKE „Erwünschte und unerwünschte Wirkungen des Betäubungsmittelrechts überprüfen“. Bitte entschuldigen Sie die verspätete Antwort.
Ein wesentliches Problem der Resolution, die dem Antrag zugrunde liegt, ist, dass nicht zwischen den verschiedenen Arten von Drogen differenziert wird. Dies habe ich auch in meiner Rede betont. Ich halte es für bedenklich, dass mit der Resolution das komplette System des Betäubungsmittelrechts überprüft werden sollen. Dies schließt auch die Überprüfung des geltenden Rechts im Bereich der harten Drogen, wie beispielsweise Crystal Meth, mit ein. Wenn Sie mir vorwerfen, Cannabis mit solchen harten Drogen gleichzusetzen, so kommt diese Idee keineswegs von mir, sondern hat ihren Ursprung in der dem Antrag zugrundeliegenden Resolution des Schildower Kreises. Ich hingegen halte eine Unterscheidung für unbedingt notwendig: Dass von Crystal eine weitaus größere gesundheitsgefährdende Wirkung ausgeht als von Cannabis, ist nicht zu bestreiten. Die Schäden, die Crystal ausrichten kann, sehe ich in meinem Wahlkreis in Oberfranken.
Dennoch ist auch der Konsum von Cannabis nicht als unbedenklich einzustufen, wie Studien belegen. Laut dem Europäischen Drogenbericht 2014 ist Cannabis heute unter Drogenkonsumenten, die sich erstmalig einer Behandlung unterziehen, die am häufigsten gemeldete Droge. Insbesondere bei Kindern und Heranwachsenden weisen Experten auf die gesundheitsschädlichen Folgen hin, da die neurologische Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Mit steigendem Konsum steigt auch das Risiko, eine manifeste Psychose zu entwickeln, wie Psychiater betonen.
Die von Ihnen angebrachten Argumente für eine Legalisierung sind mir bekannt. Die Bundesregierung hält jedoch die mit dem Konsum von Cannabis verbundenen Risiken für so groß, dass eine Legalisierung nicht zu verantworten ist.
Des Weiteren möchte ich betonen, dass der Konsum von Cannabis an sich nicht strafbar ist, lediglich der Besitz bzw. Handel, Anbau und die Einfuhr von Cannabis und anderen Betäubungsmitteln (§ 29 Absatz 1 Betäubungsmittelgesetz - BtMG). Mit § 31a BtMG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen auch bei Besitz "geringer Mengen" zum Eigenbedarf unter bestimmten Voraussetzungen das Verfahren einzustellen. Die Strafbemessung ist jeweils eine Einzelfallentscheidung und erfolgt im Ermessen des jeweiligen Gerichtes. Dabei werden die Lebensumstände der zu bestrafenden Person selbstverständlich berücksichtigt.
Dass auch legale Drogen wie Alkohol oder Tabak nicht unbedenklich sind, bestreite ich selbstverständlich nicht. Dies habe ich auch in meiner Rede betont. Deswegen appelliert die Bundesregierung schon lange für einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol und Tabak. Zwischen Alkohol und den dem Betäubungsmittelrecht unterstellten Substanzen bestehen aber wesentliche Unterschiede, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Alkoholische Getränke sind nicht in erster Linie Rauschmittel und unterscheiden sich daher von den in den Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführten Substanzen. Der Gesetzgeber hat bewusst auf eine Unterstellung von Alkohol unter das Betäubungsmittelgesetz verzichtet. Ebenso betrachten auch die internationalen Suchtstoffkonventionen Alkohol nicht als Betäubungsmittel.
Die Drogenpolitik der Bundesregierung lässt keinesfalls außer Acht, dass Cannabis neben gesundheitlichen Risiken beim Konsum durchaus auch positive Eigenschaften und Nutzen in der medizinischen Anwendung hat. Cannabishaltige Arzneimittel verschaffen z.B. Multiple-Sklerose-Patienten Linderung. Aus genau diesem Grund hat diese Bundesregierung erstmals die Zulassung von Cannabis als Fertigarzneimittel als eine weitere Therapieoption für einen begrenzten Kreis schwerkranker Patienten ermöglicht. Ich setze mich dafür ein, dass cannabinoidhaltige Medikamente für eine größere Zahl von schwerkranken Patienten zur Verfügung stehen, denen mit anderen schmerzlindernden Medikamenten nicht geholfen werden kann. Gerade im Bereich der Palliativmedizin mache ich mich dafür stark, dass die Krankenkassen ihren Verpflichtungen nachkommen und von Regressforderungen gegenüber den verschreibenden Ärzten absehen.
Mit freundlichen Grüßen
Emmi Zeulner, MdB