Elke Zimmer
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Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jörg B. •

Frage an Elke Zimmer von Jörg B. bezüglich Energie

Sehr geehrte Frau Zimmer,

was gedenken Sie gegen die verheerende Bilanz des grünen Ministerpräsidenten beim Ausbau der regenerativen Energien in Baden-Württemberg zu tun? BW hat in 10 Regierungsjahren nicht mehr als einen rund 20% geringeren Ausbau zustandegebracht, als die angrenzenden Nachbarländer Bayern (CSU), Hessen(CDU) und Rheinland-Pfalz (SPD).
So zu erfahren in einem Bericht von Frontal21 (ZDF)vom 21.02.21.

mit freundlichen Grüßen
Jörg Bittlingmaier

Elke Zimmer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bittlingmaier,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich war sehr überrascht, denn eigentlich schätze ich Frontal 21 als gut recherchierendes TV-Reportage-Format. Diesmal hat die Redaktion von Frontal21 jedoch einen einseitig recherchierten Beitrag ausgestrahlt. Fakten, Behauptungen und leider auch Fehler wurden sehr reißerisch aneinander gereiht, um zum "Wunschergebnis" zu kommen: Grün ist nicht grün.

Wenn es um die Faktenlage geht, steht Baden-Württemberg überhaupt nicht schlecht da:
Baden-Württemberg hat sein Klimaschutzziel bis zum Jahr 2020 wie versprochen erreicht (-25 % im Vergleich zu 1990) Der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung wurde insgesamt verdoppelt. Der Stromertrag aus Windkraft wurde seit 2011 verfünffacht. Im ersten Quartal 2020 wurde mit 13 Prozent das Ausbauziel von 10 Prozent Windkraft erreicht.

Das ist uns aber nach wie vor zu wenig und wollen uns darauf auch nicht ausruhen: Doch wurden wir in Baden-Württemberg vor allem von bundesgesetzlichen Regelungen ziemlich ausgebremst: durch die Einführung von bundesweiten Ausschreibungen im Rahmen der Novelle des EEG im Jahr 2017.
2016 gab es noch einen Zubau von 120 Anlagen in BW, 2017 waren 123 Anlagen. Zu diesem Zeitpunkt lagen wir hier im Ländle im bundesweiten Ranking an Platz 5 der Bundesländer - direkt hinter den Küstenländern. Mit Einführung der Ausschreibungen ist der Ausbau quasi zum Erliegen gekommen, obwohl sich die Rahmenbedingungen im Land nicht geändert haben. Vier Jahre hat es gebraucht, bis der Bund bereit war zukünftig ab 1.1.22 eine Südquote in den Ausschreibungen zu berücksichtigen.

Beim Stromertrag der Photovoltaik konnte das Land seit 2011 ein Plus von rund 70 Prozent verzeichnen, allein 83.000 neue PV-Anlagen seit 2016, das ist ein Erfolg der grün-organisierten Solaroffensive. Der Baden-Württemberger Pro-Kopf-Ausstoß bei CO2 liegt bei rund 6,5 Tonnen - bundesweit 10 Tonnen, NRW 13 Tonnen. Durch den Zubau der Solarenergie in 2020 konnten wir gegenüber dem Vorjahr diese nochmals um 35% steigern - im Bundesdurchschnitt sind es 25% gewesen. Baden-Württemberg hat mit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz ein wirksames und bundesweit einmaliges Instrument für den Ausbau der Erneuerbaren im Wärmebereich mit dem Jahr für Jahr im Schnitt mehr als 150.000 Tonnen CO2 in unserem Land eingespart werden. In dem von grün initiierten Klimaschutzgesetz ist die kommunale Wärmeplanung für die 100 größten Städte mit zusammen 5,5 Mio. Einwohnern verpflichtend verankert - und damit liegt ein strategisches Instrument für Erfolge bei der Wärmewende vor. Es wird auch ein attraktives Förderprogramm für kleinere Kommunen aufgelegt, um diese ebenfalls zu einer Wärmeplanung zu motivieren. Die grüngeführte Landesregierung hat Regelungen für den Ausbau der Freiflächen-PV getroffen und Baden-Württemberg ist damit eines der ersten Bundesländer, die die PV-Pflicht auf Neubauten im Nicht-Wohn-Bereich einführt. Das heißt es gilt bei Nicht-Wohngebäuden ab dem Jahr 2022 eine Photovoltaik-Pflicht im ganzen Land. Die Dächer von Produktions- oder Lagerhallen, Bürogebäuden und Parkhäusern sollen damit als Energieflächen genutzt werden.
Die Agentur für Erneuerbare Energien, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg haben Baden-Württemberg in der Bundesländerstudie "Föderal Erneuerbar" 2019 erneut auf den ersten Platz gesetzt (mit Schleswig-Holstein). Das Ranking basiert auf 61 unterschiedlichen Indikatoren, mit denen die politischen Anstrengungen und Erfolge der Länder bei der Nutzung von Erneuerbaren Energien sowie beim damit verbundenen wirtschaftlich-technischen Wandel analysiert werden. Die Studie bescheinigt BW, dass die politischen Anstrengungen Baden-Württembergs zur Energiewende insgesamt vorbildlich sind, insbesondere die Bemühungen zur Nutzung Erneuerbarer Energien sind deutlich stärker als in allen anderen Ländern.

Der Bericht von Frontal 21 lässt leider wesentliche Zusammenhänge und Informationen außen vor: Die politischen Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten, besonders für den Ausbau der Windkraft, sind nicht betrachtet worden. Damit wird der Eindruck vermittelt, alle Bürgerinnen und Bürger wollen die Windkraft, nur die Grüne Regierung legt die Hände in den Schoß. Und das entspricht in keiner Weise der Realität. Die Projekte, haben leider nicht nur Befürworter, sondern es gibt vor Ort oft massiven Widerstand gegen diese Projekte. Diese Bürgerwiderstände und die immissionsschutzrechtlichen Vorgaben als Ausbauhemmnisse müssen einbezogen werden. Zudem wurden bewusst in der Berichterstattung wesentliche Informationen weggelassen, die wohl nicht zur These des Films gepasst hätten. So wurde das Nahwärmeprojekt im kleinen Wiesental vom Umweltministerium gefördert, wie viele andere Nahwärmeprojekte auch.

Alles in allem würde ich mir wünschen, dass dies bei Frontal 21 nochmals recherchiert werden würde. Wir haben hier in Baden-Württemberg in den vergangenen zehn Jahren bei der Energiewende vieles auf den Weg gebracht. Gerade "Grün" hat dabei den großen Unterschied gemacht. Uns Grünen ist klar, wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Doch sehe ich unsere ambitionierten Forderungen, die wir als Kompass für die kommenden Jahre in unser Wahlprogramm geschrieben haben, als den richtigen Weg.

Mit freundlichen Grüßen
Elke Zimmer

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