Frage an Elke Hoff von Fabian s. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Frau Hoff,
im Rahmen meines Nautik-Studiums schreibe ich derzeit meine Diplomarbeit über die „Atalanta-Mission“. Diese soll sich jedoch nicht nur auf den militärischen Teil beschränken, sondern auch den politischen Hintergrund beleuchten. Daher wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir einige Fragen beantworten würden.
• Inwiefern halten Sie die jetzigen Kräfte in ihrem Umfang und mit ihrem Auftrag für geeignet um die Piratenangriffe zu verhindern?
• Falls der Angriff erfolgreich war und sich Piraten an Bord eines Handelsschiffes befinden, wer sollte Ihrer Meinung nach eine eventuelle Geiselnahme beenden?
• Derzeit befinden sich viele Einheiten aus verschiedenen Ländern vor Ort. Allein die Nato-Staaten stellen mehrere Einheiten. Allerdings beteiligen sich unter anderem Länder wie Indien und Russland an der Bekämpfung von Piraterie. Halten sie es daher für sinnvoll/möglich alle Einheiten unter ein Kommando zu stellen um so ihre Effektivität zu steigern? Wäre eine Mission unter UN-Führung erstrebenswert?
• Da die „Atalanta-Mission“ nur die Auswirkungen der Piraterie bekämpft aber nicht ihre Ursachen stellt sich die Frage, wie die Situation in Somalia verbessert werden soll. Gibt es in dieser Richtung bereits einen konkreten Ansatz der Bundesregierung/EU? Was würde Ihrer Meinung nach ohne eine Intervention an Land passieren?
• Wie lange wird der Einsatz der deutschen Marine am Horn von Afrika, Ihrer Meinung nach, noch dauern?
Für Ihre Mühen bedanke ich mich im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Fabian Struwe
Sehr geehrter Herr Struwe,
Gerne beantworte ich Ihre Fragen und wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Diplom-Arbeit.
*/Inwiefern halten Sie die jetzigen Kräfte in ihrem Umfang und mit ihrem Auftrag für geeignet um die Piratenangriffe zu verhindern? /*
Ich möchte mir kein Urteil darüber erlauben, ob die derzeit eingesetzten Kräfte genügen, um Piratenangriffe zu verhindern. Dies ist eine planerische Aufgabe, die die militärischen Führungen der Nationen leisten muss, die sich an der Piraterie-Bekämpfung beteiligen. Wie Sie der deutschen Diskussion um den ATALANTA-Einsatz der Presse entnommen haben, hat sich die FDP mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass der Auftrag für die Bundeswehr von der Bundesregierung so formuliert werden muss, dass sie alles tun kann, um effektiv gegen Piraterie vorzugehen.
*/Falls der Angriff erfolgreich war und sich Piraten an Bord eines Handelsschiffes befinden, wer sollte Ihrer Meinung nach eine eventuelle Geiselnahme beenden?/*
Politik, Militär und Polizei wären schlecht beraten, wenn sie Lösungsmöglichkeiten bei einer entstandenen Geisellage von vorne herein ausschließen würden. Alle Optionen von der Verhandlungslösung bis hin zu einer Befreiung unter Anwendung von Gewalt müssen möglich sein.
Die rechtlichen Bedenken, die die Bundesregierung immer wieder gegen ein polizeiliches oder militärischen Vorgehen in Geisellagen vorgetragen hat, teile ich nicht in allen Fällen. In Art. 87 a Abs. 1 des Grundgesetztes heißt es: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Einzelne Stimmen in der Wissenschaft stellen in Frage, dass die Rettung von Staatsbürgern unter den Begriff der Verteidigung fällt. Eine solche Bewertung halte ich für wenig tragfähig. Sowohl im Parlamentsbeteiligungsgesetz als auch im Weißbuch zur Deutschen Sicherheitspolitik wird die Rettung deutscher Staatsbürger explizit als Aufgabe der Bundeswehr benannt. Teile der Bundesregierung (insbesondere das Bundesinnenministerium) argumentieren, dass Geiselbefreiungen im Ausland eine alleinige Aufgabe der Polizei seien. Diese Auffassung teile ich in der Form nicht. Zum einem ist die Bundeswehr und nicht die Polizei für die auswärtige Sicherheit zuständig. Zum anderen regelt der vom Bundesinnenministerium angeführte § 8 des Bundespolizeigesetzes lediglich eine Ermächtigung der Polizei, im Einzelfall auch bei Geisellagen im Ausland eingesetzt werden zu dürfen. Er regelt jedenfalls keine alleinige Zuständigkeit der Polizei in Auslands-Geisellagen. Darüber hinaus ist die Bundespolizei und deren Spezialkräfte (GSG 9) primär für nicht-militärische Lagen ausgebildet und ausgerüstet. Die Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) hingegen auch für militärische. Daher halte ich einen pragmatischen Umgang mit den verfügbaren Kräften für die beste Lösung. Primär sollte bei einer Befreiung geprüft werden, ob dies die Bundeswehr kann. Sollte im Einzelfall die Polizei das bestehende Szenario besser beherrschen, spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, die Polizei einzusetzen.
Hier die Belege:
*_Parlamentsbeteiligungsgesetz_*
*„§ 5 Nachträgliche Zustimmung***
(1) Einsätze bei Gefahr im Verzug, die keinen Aufschub dulden, bedürfen keiner vorherigen Zustimmung des Bundestages. Gleiches gilt für Einsätze *zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen, solange durch die öffentliche Befassung des Bundestages das Leben der zu rettenden Menschen gefährdet würde.*
(2) Der Bundestag ist vor Beginn und während des Einsatzes in geeigneter Weise zu unterrichten.
(3) Der Antrag auf Zustimmung zum Einsatz ist unverzüglich nachzuholen. Lehnt der Bundestag den Antrag ab, ist der Einsatz zu beenden.
* _Weißbuch 2006_*
„*Rettung* und Evakuierung von Staatsbürgerinnen und -bürgern liegt grundsätzlich in nationaler Verantwortung. Diese Aufgabe *muss weltweit eigenständig*, aber auch mit Beteiligung von Verbündeten und Partnern wahrgenommen werden können und erfordert besonders schnell verfügbare und verlegbare *Spezialkräfte und Spezialisierte Kräfte der Bundeswehr.*“
*_Auszug § 8 BPolG_*
„(2) Die Bundespolizei kann ferner im Einzelfall zur Rettung von Personen aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben im Ausland verwendet werden.“
*/Derzeit befinden sich viele Einheiten aus verschiedenen Ländern vor Ort. Allein die Nato-Staaten stellen mehrere Einheiten. Allerdings beteiligen sich unter anderem Länder wie Indien und Russland an der Bekämpfung von Piraterie. Halten sie es daher für sinnvoll/möglich alle Einheiten unter ein Kommando zu stellen um so ihre Effektivität zu steigern? Wäre eine Mission unter UN-Führung erstrebenswert?/*
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Es ist richtig, dass eine einzige Operation in einem Operationsraum Redundanzen verhindert und daher sinnvoll ist. Dennoch ist eine Mission unter UN-Führung nur dann erstrebenswert, wenn ein gemeinsames Verständnis des Operationsziels und der einzusetzenden Mittel besteht und leistungsfähige Truppensteller gewonnen werden können. Dies war in anderen UN-Missionen der Vergangenheit leider nicht immer der Fall. Einige Truppensteller der EU- und der NATO-Mission würden kaum für eine UN-Mission ähnliche Fähigkeiten zur Verfügung stellen.
*/Da die „Atalanta-Mission“ nur die Auswirkungen der Piraterie bekämpft aber nicht ihre Ursachen stellt sich die Frage, wie die Situation in Somalia verbessert werden soll. Gibt es in dieser Richtung bereits einen konkreten Ansatz der Bundesregierung/EU? Was würde Ihrer Meinung nach ohne eine Intervention an Land passieren?/*
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Die innenpolitischen Zustände in Somalia sind in der Tat katastrophal. Das Fehlen jeglicher staatlicher Strukturen hat es kriminellen und terroristischen Strukturen leicht gemacht, Somalia für ihre Zwecke zu missbrauchen. Bundesregierung und EU sind mit humanitären Projekten und der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Die Zusammenarbeit ist auch aufgrund der angespannten Sicherheitslage und einem Mangel an Infrastruktur nur schwer durchzuführen. So ist es beispielsweise nicht hilfreich, dass die Deutsche Botschaft in Somalia geschlossen ist. Eine Intervention in Somalia kann niemand ernsthaft anstreben, dies würde die dazu erforderlichen Fähigkeiten der internationalen Gemeinschaft bei weitem überfordern und finanzielle Ressourcen binden, die für den ökonomischen und staatlichen Aufbau des Landes besser zu verwenden wären.
*/Wie lange wird der Einsatz der deutschen Marine am Horn von Afrika, Ihrer Meinung nach, noch dauern?/*
Dazu kann ich zum jetzigen Zeitpunkt keine seriös fundierte Antwort geben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Elke Hoff